Verwirrung und Protest in Spanien
13. März 2004
Das Rätsel um die Urheberschaft der verheerenden Bombenanschläge in Madrid mit fast 200 Toten dauert an. Obwohl es Hinweise auf islamistische Täter gab, hielt die spanische Regierung am Freitag (12.03.2004) an der baskischen Untergrundorganisation ETA als mutmaßlichem Drahtzieher fest. Ein mutmaßliches Bekennerschreiben einer Brigade der El-Kaida-Organisation bezeichnete Regierungssprecher Eduardo Zaplana als nicht überzeugend.
Ermittlungen "in alle Richtungen"
Zaplana wies darauf hin, dass zwei mutmaßliche ETA-Mitglieder am 29. Februar bei Cuenca östlich von Madrid festgenommen und mehr als 500 Kilogramm Sprengstoff in einem Kleinlaster beschlagnahmt wurden. Dies stehe im Zusammenhang mit der Attentatsserie, bei welcher der von der ETA üblicherweise benutzte Sprengstoff verwendet worden sei. Ein ETA-Bekennerschreiben lag nicht vor. Nach Angaben des Innenministeriums ermittelten die Behörden aber weiter "in alle Richtungen".
Die baskische Untergrundorganisation ETA hat 'jede Verantwortung' für die Terroranschläge von Madrid von sich gewiesen. Dies habe ein Anrufer im Namen der ETA am Freitag erklärt, berichtete die baskische Zeitung 'Gara'. In der Vergangenheit hatte sich die ETA für ihre Verlautbarungen regelmäßig der Baskenzeitung bedient. Ein gleichlautender Anruf ging beim baskischen Fernsehsender ETB ein.
Zuvor hatte der Führer der verbotenen radikalen Baskenpartei Batasuna Arnaldo Otegi hat den spanischen Regierungschef José María Aznar der Lüge bezichtigt. "Er lügt und er weiß, wer es war", sagte Otegi am Freitag mit Blick auf die Schuldigen für die Bombenanschläge auf die Pendlerzüge in Madrid. Er warf Aznar vor, er wolle seine ETA-These bis nach der Parlamentswahl am Sonntag aufrecht erhalten.
Staatstrauer und Massenproteste
Das angebliche Bekennerschreiben von El Kaida zu den Anschlägen in Madrid und Istanbul ist von den "Brigaden Abu Hafs el Masri/El Kaida" unterzeichnet. Die Echtheit des auf den 11. März datierten Schreibens, das der Nachrichtenagentur AFP als Kopie vorlag, war zunächst nicht überprüfbar. Die Brigaden hatten auch die Verantwortung für die Anschläge auf zwei Synagogen in Istanbul im November und auf den UN-Sitz in Bagdad im August übernommen.
Der scheidende Ministerpräsident José Aznár ordnete nach den Anschlägen eine dreitägige Staatstrauer an. Der Wahlkampf für die Parlamentswahlen am Sonntag wurde ausgesetzt.
Spanien erlebte am Freitagabend die größten Demonstrationen seiner Geschichte. Im ganzen Land gingen nach Angaben der Polizei 11,4 Millionen Menschen aus Protest gegen die blutige Anschlagsserie auf die Straße. Etwa jeder vierte Spanier beteiligte sich an den Massenkundgebungen. Bereits am Mittag war das öffentliche Leben im ganzen Land zum Erliegen gekommen, als Millionen Spanier mit einer Schweigeminute der Opfer gedachten.
Bei den schwersten Anschlägen in der Geschichte Spaniens waren am Donnerstag - nur drei Tage vor der Parlamentswahl - mindestens 198 Menschen getötet und mehr als 1400 verletzt worden. In der Hauptverkehrszeit am Morgen waren an drei Bahnhöfen in der Hauptstadt Madrid fast gleichzeitig zehn Bomben explodiert. Seit dem Lockerbie-Attentat von 1988, bei dem 270 Menschen umkamen, ist das der schwerste terroristische Anschlag in Europa überhaupt.