Vier Jahre danach: Zurück auf Utøya
7. August 2015Am 22. Juli 2011 nahm der rechtsextreme Terrorist Anders Behring Breivik aus Norwegen eine Fähre zu der idyllischen Insel, die nur eine Stunde entfernt von Oslo liegt. Mit einer Pistole und einem Gewehr ermordete er 69 Menschen, die meisten von ihnen Kinder. Vorher hatte er im Regierungsviertel von Oslo eine Autobombe gezündet, durch die acht Menschen getötet wurden.
Eskil Pedersen, damals Vorsitzender der Jugendorganisation der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, schwor am Tag nach den Anschlägen, dass die Mitglieder seiner Partei nach Utøya zurückkehren würden.
Vier Jahre danach wird Håkon Knudsen eines von mehreren hundert Mitgliedern der sozialdemokratischen Jugendorganisation sein, die sich auf den Weg zurück auf die Insel machen. 2011 war er in der Cafeteria, als er Schüsse hörte und eine Person sah, die er für einen norwegischen Polizisten hielt.
Erst, als Knudsen sah, wie der Mann kaltblütig einen Menschen erschoss, begriff er, dass es sich nicht um eine Übung handelte. Er sprang ins Meer, genau in dem Moment, als Breivik das Feuer auf mehrere Dutzend Menschen eröffnete, die am Ufer festsaßen.
"Ich verbinde Utøya mit schönen Geschichten, aber auch mit meinen schlimmsten Erinnerungen", sagt Knudsen. "Ich freue mich, dass wir zurück können. 2011 war nicht sicher, ob wir wieder nach Utøya zurückkehren würden. Es war ein langer Weg."
Ein Wendepunkt für Norwegen
Einige der Hütten auf der Insel wurden seitdem renoviert, eine neue Halle errichtet und ein Ring aus Stahl mit den Namen der Opfer wurde im Wald aufgehängt. Andere Gebäude, wie die zentrale Cafeteria, wurden absichtlich so belassen, wie sie damals waren, Breiviks Einschusslöcher sind sichtbar. Sie sollen daran erinnern, "dass wir uns gegen Rassismus und für Demokratie stark machen müssen", sagt Jørgen Frydnes, der Utøya-Projektleiter, während einer Pressekonferenz auf der Insel.
Es gab zunächst auch Widerstand dagegen, das Lager in den Jahren nach dem Anschlag wieder auf Utøya stattfinden zu lassen: von Menschen, die den Horror selbst erlebt hatten und von anderen, die dort Familienmitglieder oder Freunde verloren hatten. In den vergangen zwei Jahren fand das Lager der Jungen Sozialdemokraten in Gulsrud statt, einem Ort auf dem Festland gegenüber von Utøya - immer mit Polizeipräsenz.
Deswegen ist das Lager in diesem Jahr ein entscheidender Wendepunkt für das Land. Norwegen ist dabei, seine Wunden von der schlimmsten Tragödie des Landes in Friendenszeiten zu heilen und blickt nach vorn.
"Die allgemeine Stimmung ist relativ optimistisch, aber schon besonders", sagt Knudsen. "Viele der Teilnehmer, die jetzt zurückkehren, wissen, wie wichtig das Lager nicht nur für unsere Organisation, sondern für unser Land ist… Ich glaube, es ist ein großer Schritt. Es ist der Höhepunkt unserer Arbeit der letzten vier Jahre, unser alltägliches und politisches Leben zurückzubekommen."
Für das diesjährige Jugendlager wird eine historisch hohe Teilnehmeranzahl erwartet. Rund 1000 junge Sozialdemokraten haben sich angemeldet, um an dem dreitägigen Sommerlager teilzunehmen. Das sind fast doppelt so viele wie im Juli 2011. Die meisten der diesjährigen Teilnehmer waren vor vier Jahren nicht auf der Insel, als Breivik um sich schoss. Pedersen sagt, dass etwa 70 Prozent der Teilnehmer Neulinge seien. Das Interesse an der Rückkehr nach Utøya war bei vielen auch deshalb so groß, weil sie auf die Insel kommen wollten, bevor sie zu alt für die Teilnahme am Jugendlager sind.
Im Zeichen der Solidarität
"Es waren vier hektische, schmerzhafte Jahre, aber ich denke, das hier zeigt die Entschlossenheit der Menschen nach dem 22. Juli", sagt Pedersen in Oslo. "Nur wenige Tage danach sind wir mit Blumen auf die Straße gegangen und haben gesagt 'Wir wollen nicht, dass ein Bewaffneter unser Land definiert.' Obwohl es schmerzhaft ist, geht das Leben weiter und das muss es auch."
Pedersen ist einer von mehreren Ehrengästen, die dieses Wochenende auf Utøya erwartet werden. Unter ihnen ist auch Norwegens ehemaliger sozialdemokratischer Ministerpräsident Jens Stoltenberg - mittlerweile Nato-Generalsekretär - und die ehemalige Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland. Breivik wollte beide am 22. Juli töten. Er nannte sich selbst einen militanten Nationalisten. Der Arbeiterpartei gab er die Schuld an der "Islamischen Kolonialisierung" Norwegens, die die Sozialdemokraten mit einer "pro-multikulturellen" Politik unterstützten. Breivik hatte geplant, Brundtland öffentlich auf der Insel zu köpfen.
Mani Hussaini, der Nachfolger Pedersens als Vorsitzender der sozialdemokratischen Jugendorganisation, sagt, das diesjährige Lager solle im Zeichen der Solidarität stehen. In einem Brief an die Mitglieder betonte er, wie wichtig das Treffen sei, um für die Ideale einzustehen, die am 22. Juli 2011 angegriffen wurden, um die Toten zu trauern und dem Täter zu zeigen, dass er die Gemeinschaft, die sie sich aufgebaut haben, nicht zerstört hat.
"Utøya ist das Herz der sozialdemokratischen Jugendbewegung und die Insel hat eine lange, strahlende Geschichte", sagte Hussaini auf einer Pressekonferenz auf Utøya am Mittwoch. "Utøya ist auch der Schauplatz des dunkelsten Tages in Friedenszeiten hier in Norwegen. Der Wiederaufbau von Utøya zeigt, dass ein dunkles Ereignis nicht die Macht hat, eine leuchtende Geschichte in den Schatten zu stellen. Wir haben Utøya Schritt für Schritt wieder aufgebaut, Stück für Stück seit dem Terroranschlag 2011. Utøya wieder als Standort für ein Sommerlager benutzen zu können, ist ein großer und wichtiger Schritt beim Wiederaufbau."