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Visafreiheit "Verhöhnung" der Opfer?

15. Juli 2009

Die geplanten Reiseerleichterungen für drei ehemals jugoslawische Staaten durch die EU sorgen für heftige Kritik: Der ehemalige EU-Repräsentant in Bosnien spricht von "unglaublicher politischer Fehlleistung".

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Ein Pass mit Schengen-Visum (Foto: dpa)
Visum: Nur noch für Muslime?Bild: picture-alliance/chromorange

Bürger der Balkanstaaten Serbien, Mazedonien und Montenegro werden ab Anfang kommenden Jahres ohne Visum in die Europäische Union einreisen dürfen. Dies schlug die EU-Kommission am Mittwoch (15.07.2009) in Brüssel vor. Albanien und Bosnien-Herzegowina bleiben ebenso wie das Kosovo zunächst von der neuen Reisefreiheit ausgenommen.

Cohn-Bendit gestikuliert bei einer Rede (2004) (Foto: ap)
Engagiert: Daniel Cohn-BenditBild: AP

Bei den EU-Innenministern, die der Visabefreiung mit qualifizierter Mehrheit zustimmen müssen, zeichne sich dafür "ein Konsens" ab, hieß es in der Kommission. Auch die Innenminister der Schengen-Staaten Norwegen, Island und Schweiz, die nicht Mitglied der EU sind, müssen den Plänen zustimmen.

"Haarsträubende Diskriminierung"

Der Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit (Grüne) sprach von einer "haarsträubenden Diskriminierug der bosnischen Muslime" und von einer "Verhöhnung der Kriegsopfer" der 1990er Jahre. Die grüne Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck forderte die
Bundesregierung auf, den Plänen der Kommission nicht zuzustimmen.

Christian Schwarz-Schilling (CDU) gestikuliert (Foto: picture-alliance/dpa)
"Hohn": Christian Schwarz-Schilling (CDU)Bild: PA/dpa

Christian Schwarz-Schilling sieht eine "unglaubliche politische Fehlleistung". Der CDU-Politiker war von 2005 bis 2007 Hoher Repräsentant der Vereinten Nationen in Bosnien. Es sei "ein Hohn und ein moralischer Schlag gegen alle europäischen Werte", wenn nun Serben visumfrei in die EU einreisen dürften, Bürger Bosnien-Herzegowinas und des Kosovos aber nicht. "In Bosnien-Herzegowina geschah durch serbische Aggression der schlimmste Völkermord in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg mit Hunderttausenden von zivilen Opfern. Und gerade jetzt, wo des 14. Jahrestags des Massakers von Srebrenica durch das EU-Parlament gedacht wird, verkündet die Kommission: Serben sollen ab 2010 visumsfrei einreisen dürfen, die Bürger von Bosnien-Herzegowina und Kosovo aber nicht", sagt er der "Bild"-Zeitung am Dienstag (16.07.2009).

"Nicht für die Fehler Milosevics zahlen"

Der für Einwanderung zuständige EU-Kommissar Jacques Barrot verteidigte den Schritt. "Wir können die serbische Jugend nicht für die Fehler von (Slobodan) Milosevic bezahlen lassen", sagte er vergangene Woche mit Verweis auf den serbischen Ex-Präsidenten, der vor gut drei Jahren im Gefängnis des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag starb. Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana hatte am Montag bei einem Besuch in Belgrad eine Vertiefung der Beziehungen zu Serbien als ein "grundlegendes Ziel" der Europäischen Union bezeichnet. Zugleich räumte Solana ein, dass es noch Probleme gebe.

Muslime dürfen nicht

Demonstration zum Massaker in Srebrenica Bosnien vor dem Bundestag in Berlin am 11. Juli 2009 (Foto: DW/Filipovic)
Hat Europa vergessen?Bild: DW

In Bosnien-Herzegowina stellt sich nun allerdings ein besonderes Problem. Viele Bosnier verfügen über kroatische oder serbische Pässe und könnten damit den Visazwang umgehen. Die bosnischen Muslime werden aber von den Reiseerleichterungen ausgeschlossen. Das könnte neue Spannungen in dem ehemaligen Bürgerkriegsland verursachen.

In der EU-Kommission wird mit der Visabefreiung für Bosnien-Herzegowina bis spätestens Anfang 2011 gerechnet. Das Land müsste hierfür noch Bedingungen der EU erfüllen, wie etwa Grenzkontrollen und den Kampf gegen die Kriminalität verstärken und biometrischer Pässe einführen, hieß es in Brüssel. (sam/gmf/dpa/afp)