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Früher Atmosphärenforschung, heute der Weltraum

Cornelia Borrmann27. Juli 2015

Aufgrund sensationeller Fotos von Tschuri ist das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in aller Munde. Peter Czechowsky, ehemaliger Geschäftsführer, erzählt, wie das All zum Spezialgebiet des Institutes wurde.

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Max Planck Institut Göttingen von außen (Foto: picture alliance).
Bild: picture-alliance/dpa

Kameras für das Weltall

Deutsche Welle: Wie ist Ihr Institut zur Weltraumforschung gekommen?

Peter Czechowsky: Das war eigentlich ein kontinuierlicher Prozess. Wir sind ja zuerst ein Institut für Ionosphären-Physik gewesen. Da haben wir die Ionosphäre mit bodengebundenen Radargeräten untersucht. Später kam dann das Institut für Stratosphären-Physik zu uns mit Raketen, Ballonexperimenten und mit dem ersten deutschen Satelliten - AZUR. Der wurde unter unserer Regie auch gebaut. Da fing das mit der Weltraumforschung an. Nach und nach kamen die nächsten Satelliten-Experimente. Dieser Bereich nahm langsam zu während die bodengebundenen Radar-Experimente reduziert wurden. Denn die ganze Kommunikation - Radio, Fernsehen, Telefon - ging nicht mehr über die Ionosphäre, sondern zunehmend über die Satelliten. Und damit war diese Forschungsrichtung praktisch zum Tode verurteilt.

Aber durch das Stratosphären-Institut bekamen wir eine Basis dafür, dass unser Institut dann überleben konnte und sich später prima entwickelte. Bis heute haben wir weit über 100 erfolgreiche Satelliten-Experimente bei uns im Institut gebaut. Die sind teilweise unter unserer Regie entstanden, aber auch mit anderen Instituten zusammen. Und dadurch haben wir, das kann man schon sagen, auch Weltgeltung bekommen.

Wie hat die Weltraumforschung die Arbeit am Institut verändert?

Kameras für das Weltall

Die Stratosphären-Leute haben die neue Technologie eigentlich mitgebracht. Durch die ersten Ballon- und Raketen-Experimente haben wir diese dann doch ganz andere Technologie schon etwas kennengelernt.

Wenn Sie ein Radar bauen, dann ist es irgendwann fertig und arbeitet. Bei Satelliten-Experimenten brauchen Sie lange Vorlaufzeiten. Es dauert Jahre, um zu gewissen Planeten zu kommen. All das verlangt eine ganz andere Technologie in der Vorbereitung. Und dann müssen Sie auch umfangreiche Tests machen, um sicher zu gehen, dass nach so und so viel Jahren das dann alles funktioniert.

Auch der Raketen-Start ist ja nicht ganz einfach. Dabei entstehen heftige Vibrationen, die Experimente werden dabei gerüttelt und geschüttelt. Das muss die Elektronik, die Lötstellen alles aushalten. Ein Radar-Gerät steht am Boden und kann jederzeit repariert werden, wenn etwas ist.

Ein Weltraum-Experiment, das fliegt irgendwann. Und dann können Sie nur hoffen, dass alles so funktioniert wie Sie das gedacht haben. Sie können dann kaum noch eingreifen, natürlich ein bisschen mit Software, aber mit Hardware überhaupt nicht. Das ist eine ganz andere Herausforderung für die Labore und die Werkstätten.

Rosetta-Modell im Foyer des Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (Foto: DW/Cornelia Borrmann).
Im Foyer erinnert ein riesiges Modell von Komet "Tschuri" an die Rosetta-MissionBild: DW/C. Borrmann

Erinnern Sie sich noch an die ersten Schritte ins All?

Der erste Satellit AZUR hatte noch eine Erd-Umlaufbahn. Die Weltraumforschung hing natürlich auch von der Leistungsstärke der Raketen ab. Wir haben ja nicht gleich Raketen gehabt, die bis zum Mond fliegen konnten. Wir waren froh, dass wir in eine mehr oder weniger stabile Erdumlaufbahn kamen. Und dass die Satelliten eine gewisse Lebensdauer hatten und nicht abstürzten. Missionen zum Mars, zum Mond, zum Jupiter, dazu war noch ein langer Entwicklungsweg zu gehen. Die wichtigsten Raketenbahnhöfe waren Cape Canaveral und White Sands in den USA. Wernher von Braun hat ja für die NASA gearbeitet und diverse Raketen-Typen entwickelt, letztlich auch die Saturn, die dann zum Mond flog. Das war alles miteinander verbunden. Soweit wie man fliegen konnte, konnte man dann auch physikalische Fragstellungen erarbeiten, um zu irgendwelchen Zielen zu fliegen, die dann wissenschaftlich interessant waren.

Welche Herausforderungen mussten Sie meistern, um Weltraumexperimente zu bauen?

Sie müssen zum Beispiel eine ganz andere Technologie fürs Löten entwickeln. Die Mitarbeiter, die haben Lötkurse gemacht. Und dann brauchten wir ja auch diese Test-Experimente, mit denen wir die Bedingungen im Weltraum simulieren. Dort ist es kalt und es herrscht Vakuum. Also brauchten wir Thermal-Vakuum-Kammern, wo wir so ein Experiment rein stecken und dann kräftig im Vakuum herunter kühlen. Um zu sehen: Halten die Bauteile, die wir eingesetzt haben, das aus? Dann gibt es im Weltraum Strahlung. Weltraum-Experimente müssen strahlungssicher sein, damit sie nicht kaputt gehen.

Neben den Thermal-Vakuum-Kammern brauchten wir auch einen Rütteltisch, um die Vibrationen beim Raketen-Start zu simulieren. Das müssen die Experimente auch überstehen. Dabei dürfen keine Lötstellen oder bewegliche Teile kaputtgehen.

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Für die Weltraumforschung brauchten wir eine ganz andere Technologie als früher für die Radar-Experimente. Da war eine Schlosserei das Wichtigste. Jetzt sind Feinmechanik und Elektronik das Wesentliche. Und die Geräte, in denen die Experimente getestet werden.

Klingt nach einer großen Umstellung…

Die Mitarbeiter mussten sich natürlich umstellen. Es mussten auch Ingenieure und hochrangige Techniker angeworben werden, die sich mit diesen Dingen beschäftigten. Unsere Ingenieure und Techniker haben sich nach und nach mit diesen neuen Herausforderungen vertraut gemacht und gelernt, wie man damit umgeht.

In Reinräumen zum Beispiel, da mussten wir die Staubpartikel-Dichte so heruntersetzen, dass da kein Staubteilchen in die Experimenten gerät. Die Mitarbeiter waren in Schutzanzügen eingepackt, um dort zu arbeiten. Die mussten erst durch Schleusen gehen, sich anziehen, umziehen. Das war für die Kollegen schon auch eine Belastung. Wenn Sie ein paar Stunden in so einem Reinraum arbeiten und kein Fenster aufmachen können. Das war alles zu Anfang nicht ganz einfach.

Hier entstehen Komponenten für den Sonnen-Forschungssatelliten Solar Orbiter. Instrumente, die in den Weltraum starten müssen möglichst staubfrei sein. Deshalb werden sie im Reinraum gebaut. (Foto: DW/Cornelia Borrmann).
Hier entstehen Komponenten für den Sonnen-Forschungssatelliten Solar Orbiter. Instrumente, die in den Weltraum starten müssen möglichst staubfrei sein. Deshalb werden sie im Reinraum gebaut.Bild: DW/C. Borrmann

Wir durften auch bei der Mechanik, wenn sich irgendetwas bewegen sollte, kein Schmiermittel einsetzen. Dann hätten die Sonden vielleicht oben auf dem Mond Öl detektiert. Also mussten wir Materialien finden, die lange Zeit aufeinander gepresst sein können, ohne sich kalt zu verschweißen. Und die sich dann bei Bedarf ohne Probleme wieder lösen. Um zum Beispiel die Sonnen-Paneele auszufahren. Auch von der Materialtechnologie war das eine Herausforderung. Es war notwendig, dass sich da Spezialisten ausgebildet und eingearbeitet haben.

Wo haben Sie die nötigen Spezialisten herbekommen?

Wir hatten teilweise wirklich so pfiffige Leute, die sich das selbst innerhalb kürzester Zeit angeeignet haben, die auch zu Kursen gingen. Es gab Kurse für alles Mögliche. Dann war auch der eine oder andere mal im Ausland und hat sich dort kundig gemacht. Spezialisten zu finden, die von heute auf morgen sowas konnten, das gab es ja auch nicht so häufig. Die mussten sich selbst erst in diese neuen Technologien, die auf einen zukamen, einarbeiten.

Was für eine Arbeitsatmosphäre herrschte damals im Institut?

Die Erfolge, die wir weltweit mit unseren Experimenten hatten, die motivierten uns natürlich auch, mit der Weltraumforschung weiter zu machen. Und die nächsten Instrumente wieder mit Begeisterung anzufangen. Es gehörte auch immer dazu, dass Sie sich fortentwickeln. Mit jedem Projekt kamen neue technologische Probleme auf uns zu. Es mussten auch neue Räume geschaffen werden. Für die Sonnenforschungs-Sonde SOHO haben wir zum Beispiel unser altes Heiz-Haus umgebaut zu einem riesengroßen Reinraum. Dort entwickelten wir alle Komponenten für unser SUMER-Experiment. Das war eines der größten Experimente, die wir hier im Institut gebaut haben. Das fliegt heute noch. Das funktioniert auch heute noch.

Was ist so faszinierend an der Erforschung unseres Sonnensystems?

Ich denke, die Erforschung unseres Sonnensystems ist mit Fragen von existenzieller Bedeutung verbunden. Und das macht das Ganze auch so spannend. Ich persönlich würde gern in 500 Jahren noch mal leben. Wenn man miterlebt hat, was im letzten Jahrhundert in der Erforschung unseres Sonnensystems passiert ist, wie weit und schnell die Entwicklung voranging, dann möchte ich schon gern wissen: Was werden die Leute in 500 Jahren über uns herausgefunden haben - über unsere Herkunft, über unser Sonnensystem, über das ganze Weltall. Das finde ich spannend.

Peter Czechowsky war von 1999 bis zu seinem Ruhestand im Juni 2003 Geschäftsführer des MPAe, des Max-Planck-Institut für Aeronomie. Außerdem war er verantwortlicher Koordinator für die Rosetta-Mission.

Das Interview führte Cornelia Borrmann.