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G8-Proteste

Peter Philipp4. Juni 2007

Die gewalttätigen Ausschreitungen bei den Protesten gegen den G8-Gipfel in Rostock haben ernsthaften Kritikern und Demonstranten einen Bärendienst erwiesen, findet Peter Philipp.

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Bild: DW

Vor dem Hintergrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen im Vorfeld des G-8 Treffens in Heiligendamm fällt es zunächst schwer, spontan sachliche Kritik an diesem Gipfel zu formulieren. Gewalt dieser Art ist durch nichts zu rechtfertigen, sie darf nicht Argumente ersetzen. Darin sind sich am Tag danach die meisten einig – Kritiker der Globalisierung wie ihre Protagonisten. Die Gewalttäter haben all jenen einen Bärendienst erwiesen, die aufrichtig und überzeugt ihre Sorge über die Politik der G8 zum Ausdruck bringen wollen. Kritik droht ab jetzt gleichgesetzt zu werden mit Randale.

DW-Autor Peter Philipp, Foto: DW

Das aber darf nicht sein. Denn Kritik ist durchaus angebracht. Daran haben die Ereignisse von Rostock nichts geändert. Und die Kritik darf sich nicht darin erschöpfen, auf die Unsummen hinzuweisen, die der Sicherheitszaun und das Massenaufgebot von Polizei kosten. Sie sind doch nur Symptome einer Entwicklung, die längst schon die Spur verlassen hat.

Vom Kaminplausch zur Hochsicherheitszone

Als die Führer der großen Industrienationen in den siebziger Jahren begannen, sich zu regelmäßigen Treffen zusammenzufinden, da war das zunächst ein eher ungezwungenes Beisammensein. Im Vordergrund stand der persönliche Kontakt, der freie Gedankenaustausch fern diplomatisch-protokollarischer Zwänge, fern auch der sonst allgegenwärtigen Kameras und Mikrophone. Diese Tage des “Plauschs am Kamin” sind längst vergangen. Längst haben die Treffen der G8 sich konkrete Tagesordnungen gesetzt und wollen globale Probleme lösen.

Genau hier aber dürfte auch die Hauptschwäche der G8 liegen: Hier wollen Parteien Probleme lösen, die diese Probleme doch meist erst verursacht oder wenigstens mit verursacht haben. Die Probleme Afrikas sind ein Beispiel hierfür, die Klimafrage ein zweites. Man könnte die Liste mühelos fortsetzen. Ehemalige Kolonialmächte und solche, die die afrikanischen Länder auch ohne eigene koloniale Vergangenheit nur als Rohstoff-Lieferant behandeln, wollen – wie beim letzten G8-Treffen – Hilfsprogramme für Afrika auflegen. Die größten Umweltverschmutzer sorgen sich um Klimaschutz. Beides ist sicher gut. Nur wenn man sieht, wie wenig Taten den Worten folgen, dann hinterlässt dies einen schalen Geschmack.

Alle müssen beteiligt sein

Die da große Pläne schmieden, scheinen die eigenen Sünden verdrängt zu haben und gerieren sich als elitärer Haufen, der der Welt etwas zu sagen hat. Obwohl diese Welt sich doch geändert hat seit den ersten Treffen der G8: Auf die Liste der wichtigen Wirtschaftsmächte gehören längst auch China und Indien, sie sind aber nur als Gäste geladen. Was einmal stimmte, soll für immer stimmen - wie bei der Zusammensetzung des UN-Sicherheitsrates. Ein typisches Beispiel für Machterhalt und elitäres Gehabe. Obwohl nicht so gemeint, verstärkt der monströse Sicherheitszaun von Heiligendamm diesen Eindruck noch.

Nun kann man argumentieren, die “G8” werde doch zu einer Art “Ersatz-UNO”, wenn man sie immer weiter anpasse an solch veränderte Realitäten. Genau. Der nächste Schritt kann dann nur heißen, die Themen der G8-Treffen im Rahmen der Vereinten Nationen zu behandeln. Globale Themen, die alle angehen und die alle gemeinsam behandeln müssen. Und bei denen nicht die einen am Kamin, die anderen aber im Vorzimmer sitzen.