Von der Leyen beim NATO-Partner Türkei
21. Januar 2016Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat die Entschlossenheit Deutschlands im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien und im Irak bekräftigt. Die Anschläge von Paris und Istanbul hätten "in uns den Willen bestärkt, dass wir uns dem Terror nicht beugen", sagte von der Leyen an der Seite ihres türkischen Kollegen Ismet Yilmaz am Militärflughafen Incirlik.
In den Gesprächen mit Yilmaz habe es die "tiefe Überzeugung" gegeben, dass ein "gemeinsamer Einsatz im Kampf gegen den IS" nötig sei. Yilmaz sagte, der Anschlag von Istanbul habe "noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig die internationale Militärkoalition im Kampf gegen den Terrorismus ist". Deutschland sei hier "ein wichtiger Partner und Verbündeter" der Türkei. "Der Terror wird niemals obsiegen, sondern unterliegen", sagte Yilmaz.
Von Incirlik aus unterstützt die Bundeswehr mit Tornado-Aufklärungsjets seit Anfang Dezember die gegen den IS kämpfende internationale Militärallianz unter US-Führung, der mehr als 60 Staaten angehören. Sie ist jedoch nicht aktiv an den Kämpfen beteiligt.
Bis zu sechs Tornado-Jets sind im Einsatz. Ein Airbus hilft zudem bei der Betankung der Kampfflugzeuge der Verbündeten in der Luft. Hinzu kommt eine Fregatte, die dem französischen Flugzeugträger "Charles de Gaulle" Geleitschutz im östlichen Mittelmeer gibt. Deutschland stellt Frankreich außerdem Daten von Aufklärungssatelliten zur Verfügung.
"Bislang alles einwandfrei"
In Gesprächen mit Bundeswehrsoldaten informierte sich von der Leyen über die Lage. Der Kommandeur des deutschen Einsatzkontingents, General Andreas Schick, erklärte, bislang sei "alles einwandfrei verlaufen". Im Durchschnitt würden pro Tag vier Einsätze absolviert. Hinzu komme täglich ein Flug mit dem Airbus zur Luftbetankung.
Insgesamt können laut Bundestagsmandat bis zu 1200 deutsche Soldaten entsandt werden, derzeit sind es 410. Die Mission erfolgt auf Bitten der französischen Regierung nach den Terroranschlägen von Paris Mitte November. Bei den folgenschweren Angriffen, zu denen sich der IS bekannte, wurden 130 Menschen getötet.
Die internationale Militärallianz kämpft bereits seit mehr als einem Jahr gegen den IS. Am Mittwoch vereinbarten die Verteidigungsminister aus sieben beteiligten Staaten in Paris, darunter auch von der Leyen, nun verstärkt die IS-Hochburgen im Irak und in Syrien ins Visier zu nehmen, vor allem Mossul und Rakka.
AI: Kollektive Bestrafung in Kurdengebieten
Schwere Vorwürfe gegen den NATO-Partner Türkei, der als wichtiger Verbündeter im Anti-IS-Kampf gilt, erhebt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Sie wirft der türkischen Armee die kollektive Bestrafung der Bewohner der Kurdengebiete im Südosten des Landes und exzessive Gewaltanwendung vor.
"Die derzeit laufenden Einsätze unter Rund-um-die-Uhr-Ausgangssperren setzen die Leben von Zehntausenden Menschen aufs Spiel und fangen an, kollektiver Bestrafung zu gleichen", beklagte der Leiter des Amnesty-Programms für Europa und Zentralasien, John Dalhuisen. Wegen der unbegrenzten Ausgangssperren in manchen Kurdengebieten hätten die Bewohner über lange Zeiträume keinen Zugang mehr zu Nahrungsmitteln, Trinkwasser, Strom und medizinischer Versorgung, führte er aus. Außerdem bestehe "kaum ein Zweifel, dass die türkischen Behörden Leben aufs Spiel setzen, indem sie tödliche Gewalt exzessiv und rücksichtslos einsetzen". Dazu zähle insbesondere der Einsatz schwerer Waffen in Wohngebieten.
Internationale Gemeinschaft darf nicht wegsehen
Die türkische Armee führt im Südosten des Landes seit Monaten eine Offensive gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Im Visier ist vor allem die PKK-Jugendorganisation YDG-H.
Derzeit gelten in Cizre in der Provinz Sirnak und im Bezirk Sur der Stadt Diyarbakir Ausgangssperren. Die Armee tötete nach eigenen Angaben bei Anti-Terror-Einsätzen bislang hunderte Kämpfer. Kurdische Organisationen beklagen allerdings seit langem, dass es auch viele zivile Opfer gebe.
Dalhuisen bemängelte, da die Türkei ein wichtiger Partner im Kampf gegen die IS-Dschihadisten und in der Flüchtlingskrise in Europa sei, erfahre sie "sehr wenig" Kritik aus der internationalen Gemeinschaft. "Strategische Erwägungen" dürften aber den Vorwurf grober Menschenrechtsverletzungen nicht ausblenden, mahnte der Amnesty-Vertreter. "Die internationale Gemeinschaft darf nicht wegschauen."
se/stu (afp, ape)