Von der Sanktions- zur Ermutigungspolitik
4. April 2012Großer Jubel auf den Straßen in Rangun, große Erleichterung bei der internationalen Staatengemeinschaft: Das Resultat der Partei von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi fiel eindeutig aus. Mit 43 von 45 zu vergebenden Mandaten hat die "Nationale Liga für Demokratie" (NLD) den Sieg errungen. Die Frage nach einer eventuellen Wahlbeeinflussung durch das birmanische Regime erscheint da fast schon als überflüssig. "Allein das Ergebnis spricht dagegen, dass es eine gezielte zentrale Manipulation gegeben hat", bestätigt auch Markus Löning. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung hatte sich für eine Woche als Wahlbeobachter in Birma aufgehalten.
Möglicherweise, so Löning, habe es kleine, lokale Ereignisse gegeben, wo Plakate der NLD verschwunden seien – aber das sei es dann auch schon gewesen. Positiv auch das Fazit seiner Gespräche mit verschiedenen Ministern, dem Chef der Wahlkommission und dem Sprecher des Oberhauses. "Es war schon ein erstaunlicher Wandel in dem Land, den man feststellen kann." Kein Vergleich zu seinem letzten Besuch in Birma vor acht Monaten. Damals durfte der FDP-Politiker weder politische Gefangene in einer Haftanstalt besuchen noch Gespräche mit Regierungsmitgliedern führen.
Veränderte Sicht auf Birma
Die große Hoffnungsträgerin selbst hat nun auch einen Sitz im Parlament. Lokale Medien spekulieren indes darüber, dass Aung San Suu Kyi schon bald in die Regierung wechseln könnte - obwohl die charismatische Oppositionsführerin dafür ihr frisch errungenes Mandat wieder niederlegen müsste. Als Erfolg werten auch die lange international isolierten Machthaber den Urnengang. Am Rande des ASEAN-Gipfels in Phnom Penh sprach Präsident Thein Sein davon, dass die Parlamentsnachwahlen "erfolgreich abgehalten worden" seien. Um seine Macht fürchten muss Thein Sein nicht. Die Opposition ist mit ihren 43 Abgeordnete in der Minderheit und die nächsten vollständigen Wahlen stehen erst 2015 an. Damit ändert sich erst einmal nicht viel an den "tatsächlichen Machtverhältnissen", betont Marco Bünte vom GIGA-Institut für Asien-Studien im Interview mit der Deutschen Welle; auch er war als Wahlbeobachter in Birma. Verändert hat sich dagegen seit dem Wahlsonntag die internationale Sicht auf das Land und damit auch die Perspektive für eine Lockerung oder gar das Ende der Sanktionen.
Plädoyer für eine Politik der Ermutigung
Auch Markus Löning plädiert jetzt für einen neuen Umgang mit Birma: "Das Land ist natürlich immer noch nicht das Paradies der Menschenrechte", aber, so der Menschenrechtsbeauftragte, die Entwicklung gehe in die richtige Richtung. "Und wir sollten als Europäer jetzt diese richtige Entwicklung aktiv und positiv unterstützen und nicht zweifelnd am Rande stehen." Allein das Waffenembargo solle die EU beibehalten, aber die anderen Sanktionen könne man aufheben. Löning fordert diesen Schritt nicht nur, um ein politisches Signal zu senden, sondern um demnächst wieder Entwicklungshilfe leisten zu können. Für Embargoländer ist das nicht vorgesehen.
Löning empfiehlt Deutschland den Wechsel von einer "Sanktions- zu einer Ermutigungspolitik". Ein erster Test dafür könnte das Treffen der EU-Außenminister am 23. April in Luxemburg werden. Derzeit spricht alles dafür, dass die Minister die bestehenden Strafmaßnahmen dann auf den Prüfstand stellen.
Waren Sanktionen nützlich oder kontraproduktiv?
Bleibt die Frage, ob die internationalen Sanktionen eigentlich den Wandel in Birma herbeigeführt, beschleunigt – oder aber im Gegenteil verzögert haben. Denn Sanktionspolitik und "Regime change"-Rhetorik könnten auch kontraproduktiv sein, argumentiert die Wochenzeitung "Die Zeit". Weil sie den Mächtigen vermittle: "Der Wandel kostet euch den Kopf."
Für Markus Löning "eine schöne akademische, und auch eine wichtige politische Debatte", die man führen müsse. "Mir haben die Leute in Myanmar (offizielle Bezeichnung für Birma, die Red.) gesagt: Die Sanktionen, die ihr verhängt habt, haben dazu geführt, dass die Generäle reich geworden sind und die normalen Leute arm. Das spricht gegen die Art der Sanktionen, die wir dort verhängt haben."
Möglicherweise müsse die internationale Gemeinschaft in ähnlichen Situationen "einen etwas kühleren Kopf bewahren" und genauer abwägen, wen Strafmaßnahmen am Ende besonders treffen – aber letztlich gebe es in der Frage keine einfachen Antworten, lautet Lönings Fazit: "Und am Ende des Tages sollten wir auch so ehrlich sein und einfach ab und zu auch mal eingestehen, es gibt Situationen, auf die wir von außen so gut wie keinen Einfluss haben. So bitter das manchmal ist."
Rückkehr zu einstiger Größe
Nach einer Aufhebung der Sanktionen werde Birma wieder in den internationalen Handel zurückkehren und zur einstigen Bedeutung zurückfinden können, da ist sich Markus Löning sicher. Die vielversprechende Landwirtschaft, der große Reichtum an nachwachsenden Rohstoffen und Bodenschätzen, die günstige geostrategische Lage – alles spreche für Birma. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung zeigte sich auch beeindruckt vom Optimismus der Bevölkerung. Birma sei früher einmal das reichste Land Asiens gewesen. "Und die Potentiale, die es damals reich gemacht haben, sind alle auch noch da." Dazu gehört auch die hohe Bildungsaffinität der Birmaner – nur sei der Wunsch praktisch aller Eltern, ihren Kindern eine möglichst gute Ausbildung zu verschaffen, lange Zeit nicht zu realisieren gewesen. "Das Bildungssystem ist total am Boden. Die Militärdiktatur hatte ein Interesse daran, die Leute dumm zu halten, weil natürlich Widerstand immer aus Universitäten und vor allem von gebildeten Leuten kam."
Als Beispiel, wie Deutschland sich am Wiederaufbau beteiligen könne, nennt Löning auch die Wiedereröffnung eines Goethe-Instituts: "Ich glaube, dass unsere Aufgabe darin liegen wird, zum einen mit der Arbeit unserer politischen Stiftungen die Opposition und die Zivilgesellschaft in Myanmar gezielt zu unterstützen, und zum anderen zum Beispiel im Bereich der beruflichen Bildung daran anzuknüpfen, wo wir Ende der 1980er Jahre einmal aufgehört haben."