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Vor "Katrina" sind nicht alle gleich

Dennis Stute2. September 2005

Die Auswirkungen von "Katrina" waren auch deshalb so verheerend, weil der Wirbelsturm eine der ärmsten Regionen der USA traf.

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Ausharren am SuperdomeBild: AP
Hurrikan Katrina Louisiana Superdome Luftbild
Der Superdome, in den 30.000 Menschen geflüchtet warenBild: AP

Die Bilder von bis zu 30.000 Menschen, die in New Orleans unter katastrophalen Bedingungen in dem Footballstadion Superdome ausharrten, weil ihnen die Mittel zur Flucht vor dem Hurrikan Katrina fehlten, haben eines in aller Deutlichkeit klar gemacht: Vor Naturkatastrophen sind keineswegs alle gleich.

Trotz des Evakuierungsbefehls waren bis zu 100.000 Menschen in der Stadt geblieben - mit der Folge, dass dort viele Menschen starben, denen die Flucht das Leben hätte retten können. Dies habe viel mit Armut zu tun, sagt Heinrich Yberg, Experte für Katastrophensoziologie am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der FU Berlin: "Bei Naturkatastrophen ist die Sozialstruktur ein ganz entscheidender Faktor." Dies betreffe sowohl die Prävention und Bewältigung von Katastrophen als auch den Umgang des Einzelnen mit Desastern.

Schlechte Ausgangsbedingungen

In New Orleans und Umgebung sind die Bedingungen in dieser Hinsicht besonders schlecht. Die am stärksten vom Sturm betroffenen Staaten Louisiana, Mississippi und Alabama gehörten zu den ärmsten der USA, sagt Barbara Hahn, Sozialgeographin an der Uni Würzburg. Der Anteil der Familien unterhalb der Armutsgrenze liegt in der Kernstadt von New Orleans mit 24 Prozent deutlich über dem Landesdurchschnitt von 9 Prozent, das gleiche gilt mit 28 gegenüber 12 Prozent für Alleinlebende. Rund 75 Prozent der Bevölkerung sind Afro-Amerikaner, die landesweit 12 Prozent stellen und am stärksten von Bildung und Wohlstand ausgeschlossen sind.

Hurrikan Katrina Nationalgarde mit geretteten Kleinkindern nahe dem Superdpme in New Orleans
Nationalgardisten mit geretteten Kindern am SuperdomeBild: AP

Nur die Hälfte kann richtig lesen

"Andererseits gibt es in New Orleans auch viele Reiche, die Nachbarschaften sind sehr stark segregiert", erklärt die Expertin Hahn. Wie sicher die einzelnen Viertel vor Überschwemmungen seien, habe jedoch nichts mit der Einkommensverteilung zu tun. So liege der besonders arme Stadtteil East New Orleans drei Metern über dem Meeresspiegel und damit vergleichsweise hoch. Wie in den meisten amerikanischen Städten leben die Wohlhabenderen vor allem im suburbanen Raum, während sich die Armut in der Kernstadt konzentriert. Dort liege der Bildungsgrad noch unter dem ohnehin niedrigen Niveau der Südstaaten, erklärt Hahn: "Weil die Schulen in den USA von lokalen Steuern bezahlt werden, sind sie in armen Gegenden schlecht." Nach Angaben der Allianz für Alphabetismus von New Orleans können mehr als 50 Prozent der Bevölkerung der Stadt nicht oder nur ungenügend lesen und schreiben.

Hurrikan Katrina, zerstörtes Haus
Gutsituierten Katastrophenopfern wird es leichter fallen, Hilfen zu beantragenBild: AP

Arme reagieren langsamer

Dies sei bei Naturkatastrophen nicht nur deshalb ein wichtiger Punkt, weil mit dem Bildungsgrad auch der Zugang zu Informationen abnehme, sagt der Katastrophensoziologe Yberg. Für eine angemessene Reaktion brauche man ein klares Problembewusstsein; zum Beispiel gelte es, sich um Lebensmittel und Trinkwasser zu kümmern: "Wer gebildet ist, wird dabei weniger Gefahr laufen, Fehler zu machen." Zudem seien Arme beim Eintritt einer Katastrophe mit der Bewältigung des Alltags beschäftigt und daher zusätzlich überfordert. "Armut bedeutet auch eingeschränkte räumliche Mobilität, also die Fähigkeit, die Stadt zu verlassen - die Leute müssen dann eben in den Superdome", sagt Yberg. Sein Fazit: "Bei Katastrophen gehen die Entscheidungen bei Armen viel langsamer vor sich."

Reiche bekommen leichter Hilfe

Hurrikan Katrina, Foto aus Bushs Flugzeug Air Force One
Ein Blick aus dem Flugzeug von George W. Bush beim Überfliegen von New OrleansBild: AP

Darüber hinaus habe die Sozialstruktur eines Gebietes auch einen extrem großen Einfluss darauf, welche staatlichen Ressourcen für die Vorbeugung und Bewältigung von Katastrophen eingesetzt werden, erklärt Yberg: "Das wird aber nicht intentional vollzogen, sondern weil Leute mit hoher sozialer Kompetenz Probleme artikulieren und Ressourcen eintreiben können." Bei den unmittelbaren Hilfsarbeiten in den betroffenen Gebieten werde dieser Zusammenhang wegen der Größe des Unglücks keine Rolle spielen; man könne davon ausgehen, dass - trotz aller Kritik - die sehr gut entwickelten staatlichen Strukturen zur Katastrophenhilfe schnell greifen würden. Beim Wiederaufbau werde dies anders sein, glaubt Yberg: "Dann wird es einen großen Unterschied machen, ob Leute in der Lage sind, Anträge auf Wiederaufbauhilfe einzubringen."