Vorsprung der Brexit-Gegner schrumpft
5. Juni 2016Bei der letzten Erhebung vor zwei Wochen lag das EU-Lager noch mit 44 zu 40 Prozent vorne. Zuletzt war ein Meinungsumschwung auf der Insel zu beobachten. Die Stimmung kippte zugunsten derer, die der EU den Rücken kehren wollen. In zwei veröffentlichten Umfragen sprach sich sogar die Mehrheit inzwischen für einen Austritt aus. Zieht man jedoch die Zahlen der Buchmacher aus England heran, zeigt sich ein anderes Bild. Danach haben rund 78 Prozent der Wettkunden auf den Verbleib Großbritanniens in der EU gesetzt.
"Übertriebene Befürchtungen"
Die ganze Debatte über den Verbleib der Briten in der EU scheint nun an ihre Grenzen zu kommen. Täglich wird das Für und Wider in sämtlichen Medien beleuchtet. Auch der stellvertretende EU-Parlamentspräsident Alexander Graf Lambsdorff hat sich nun zu Wort gemeldet und warnt vor übertriebenen Befürchtungen bei einem EU-Austritt. "Wir wollen, dass Großbritannien dabei bleibt, gar keine Frage. Ein "Brexit" wäre jedoch nicht das Horrorszenario, zu dem es von manchen hochgespielt wird. Eine Europäische Union ohne das Vereinigte Königreich ist nicht das Ende des Projekts Europa", sagte der FDP-Politiker dem Deutschlandfunk.
"Eine Europäische Union ohne Deutschland oder Frankreich ist vollständig unvorstellbar - eine Europäische Union ohne das Vereinigte Königreich, das hatten wir schon mal ganz am Anfang." Aber wie das Referendum auch ausgehe, es müsse zwangsläufig zu Veränderungen der EU-Verträge kommen. Auch wenn man das weder in Berlin noch in Paris wegen der Bundestagswahlen und der französischen Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr in diesen Tagen sehr gerne höre. Lambsdorff erwartet mit Blick auf die jüngsten Umfragen eine sehr knappe Entscheidung.
Kritik an Cameron
Wenn die EU-Staats- und Regierungschefs glaubten, das Europaparlament müsse für die Großbritannien gemachten Zusagen nur pro forma gefragt werden, würden sie sich "schneiden", sagte Lambsdorff weiter. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa sei eine der Säulen des Binnenmarktes. "Das, was David Cameron hier macht, ist, dass er die Axt an eine dieser vier Säulen des Binnenmarktes legt. Und irgendwann kommen dann andere Länder auf die Idee und sagen ihrerseits: Na ja, beim Warenverkehr oder bei der Dienstleistungsfreiheit, da wollen wir jetzt eine Notbremse. Das wäre die Erosion des Binnenmarktes und das ist eine Riesengefahr für den Wohlstand in Europa", so Lambsdorff.
Kurz: EU braucht Großbritannien
Dagegen fände der österreichische Außenminister Sebastian Kurz einen Brexit "dramatisch". Die Briten stimmen am 23. Juni bei einer Volksabstimmung über den Verbleib in der EU ab. Die Europäische Union wäre nach Ansicht von Kurz ohne das Vereinigte Königreich wesentlich schwächer. Großbritannien sei eines der wenigen Länder, das stetig dafür kämpfe, dass Europa wettbewerbsfähig bleibe, sagte der Politiker der konservativen österreichischen Volkspartei (ÖVP) der Zeitung "Presse am Sonntag". "Wenn wir Großbritannien verlieren und der Einfluss anderer Staaten wächst, die eher von der Sozialunion träumen, dann hätte dies massiv negative Auswirkungen auf die EU."
cgn/fab (dpa, rtr, nzz.ch)