"Afrika steht im Fokus"
16. Januar 2014Deutsche Welle: Frau Wöhrl, nach ihrer Wiederwahl als Vorsitzende des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungs haben Sie angekündigt, Sie wollten sich auch weiterhin "auf politischer Ebene für die Belange der Menschen vor Ort einsetzen". Welche thematischen und regionalen Schwerpunkte wollen Sie in ihrer Arbeit setzen?
Dagmar Wöhrl: Das Hauptaugenmerk unserer Entwicklungspolitik liegt weiterhin auf Sub-Sahara Afrika und auf dem südlichen und östlichen Mittelmeerraum. Wir müssen die Digitalisierung noch besser als Instrument unserer Außen- und Entwicklungspolitik einsetzen. Bei derzeit 800 Millionen genutzten Handys in Afrika, die beim Bezahlen von Rechnungen, bei der Übermittlung von Marktpreisen und bei der überregionalen Warnung vor Krankheiten zum Einsatz kommen können, müssen wir die Potentiale von Handy, Internet und Co. für unsere Projekte vor Ort unbedingt noch stärker nutzen. Mein Anliegen ist es außerdem, Entwicklungszusammenarbeit noch stärker so zu gestalten, dass sie wirklich allen Menschen zugute kommt.
Welche neuen Wege wollen Sie in der Entwicklungspolitik gehen?
Entwicklungspolitik kann niemals alleine dafür sorgen, dass die positiven Veränderungen vor Ort langfristig Bestand haben. Für eine effiziente, gut funktionierende Entwicklungszusammenarbeit sind wir auf Partner angewiesen, die wertvolles Wissen mitbringen und gleichzeitig die uns zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel ausbauen können. Ich denke da einerseits an die Schwellenländer, die alle selbst den Weg vom Entwicklungs- zum Schwellenland gegangen sind, über einen reichen Schatz an Erfahrungen verfügen und gleichzeitig mittlerweile auch als Geber in der Pflicht sind.
Gleichzeitig sind wir auf das tatkräftige Engagement von Zivilgesellschaft und privaten Gebern angewiesen. Vor allem den Unternehmen sollten wir noch bessere Möglichkeiten aufzeigen, wie sie in Entwicklungsländern investieren können, denn sie schaffen dort zahlreiche Arbeitsplätze.
Was verstehen Sie unter einer "präventiven internationalen Zusammenarbeit", für die Sie sich aussprechen?
Unser Ziel sollte es sein, dass wir eines Tages nicht mehr von Entwicklungszusammenarbeit sprechen, sondern von einer internationalen Zusammenarbeit, die noch stärker vom gegenseitigen Geben und Nehmen geprägt ist. Wenn den Umwelt- und Klimaschutz nicht alle 193 Staaten der Erde gemeinsam angehen, werden wir nie echte Erfolge verbuchen.
Deutschland kann beispielsweise beim Solarstrom die Technologie liefern, Tunesien hingegen kennt geeignete Flächen, stellt sie zur Verfügung und wartet die Anlagen und so weiter. Frankreich verhindert in Mali Schlimmeres, Deutschland unterstützt sie dort u.a. logistisch und medizinisch. Eine gut funktionierende internationale Zusammenarbeit schafft globale Rahmenbedingungen, die Katastrophen und Krisen verhindern. Das mag ein bisschen idealistisch klingen, aber wo wenn nicht in der Entwicklungszusammenarbeit sollten wir uns große Ziele vornehmen?
Hätte ein Konflikt wie derzeit in der Zentralafrikanischen Republik, oder der Putsch in Mali 2012, durch diese Art der "präventiven internationalen Zusammenarbeit" verhindert werden können?
Unter anderem hat bereits 2007 ein umfassender Bericht des African Peer Review Mechanism über die politische und wirtschaftliche Situation in Mali davor gewarnt, dass die Ungleichgewichte im Land - und hier vor allem die mangelnde politische Teilhabe vieler Minderheitengruppen, allen voran der Tuareg - bald zu Unruhen führen könnten. Der Bürgerkrieg in Libyen war dann nur das Zünglein an der Waage. Warum hat niemand auf die Warnungen reagiert? Hier sind nationale wie internationale Entscheidungsträger in der Pflicht, Warnzeichen zu erkennen und mutig Dinge zu verändern.
Das gilt nicht nur für die Entwicklungszusammenarbeit. Auch die Große Koalition steht in den nächsten vier Jahren in verschiedenen Bereichen vor Herausforderungen. Man darf nicht immer warten, bis das Wasser im Topf schon fast überkocht. Man sollte vorher die Hitze reduzieren.
Ihr Ausschusskollege Sascha Raabe von der SPD hat seiner Partei vorgeworfen, in den Koalitionsverhandlungen nicht genug Geld für die Entwicklungspolitik erwirkt zu haben. Der Mittelzuwachs von zwei Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode wird nicht ausreichen, um das Ziel 0,7-Prozent des Bruttoinlandproduktes in Entwicklungshilfe zu investieren, zu erreichen. Nimmt die Große Koalition die Entwicklungspolitik nicht ernst genug?
Die Entscheidung des Kollegen Sascha Raabe, nicht mehr als entwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion zu agieren ist nur folgerichtig. Für mich war es immer wichtig zu betonen, dass das 0,7-Prozent-Ziel eine Richtschnur ist und insofern freue ich mich über den Mittelzuwachs von zwei Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode. Es hätte auch mehr sein können, die SPD hat aber bekanntlich einen weiteren Mittelzuwachs in den Koalitionsgesprächen verhindert. Ich werde mich sehr dafür einsetzen, dass wir die gemachten Budgetzusagen in jedem Fall einhalten!
Wir haben eine weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise hinter uns, die uns bei einigen Zielen zurückgeworfen hat. Zuerst einmal mussten wir unseren eigenen Haushalt wieder auf eine solide Basis stellen, ohne uns im Ausland zu überfordern. Außerdem ist es auch immer eine Frage des effizienten Mitteleinsatzes. Lediglich mehr Geld zur Verfügung zu stellen, heißt noch lange nicht, dass es bei den Menschen ankommt und dass die Projekte sinnvoll sind. Auf die Wirksamkeit unserer Projekte kommt es an.
Dagmar Wöhrl (CSU) ist seit 2009 Vorsitzende des Entwicklungsausschusses. Zu ihren Schwerpunkten gehören die Finanzpolitik, Bildungsprojekte und die Armutsbekämpfung. Netzpolitik und Digitalisierung will sie ebenfalls vorantreiben. Von 2005 bis 2009 war die 59-Jährige Nürnbergerin Parlamentarische Staatsekretärin im Bundeswirtschaftsministerium.