Kandidatenschau ohne Ideen
29. Oktober 2009Der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko hat bei der Zentralen Wahlkommission alle Dokumente eingereicht, die für seine Zulassung als Kandidat bei der Präsidentschaftswahl am 17. Januar 2010 notwendig sind. Auch wenn er am Eingang der Wahlkommission von etwa 500 Anhängern der Partei Unsere Ukraine begrüßt wurde, tritt Juschtschenko bei der Wahl als selbständiger Kandidat an.
Die Leiterin des Präsidentensekretariats und Vorsitzende der Partei Unsere Ukraine, Wira Uljantschenko, erinnerte daran, dass Juschtschenko auch im Jahr 2004 nicht von der Partei aufgestellt worden sei. Das Bündnis Unsere Ukraine habe ihn damals lediglich unterstützt. Uljantschenko versicherte, dass aber auch diesmal die Partei Unsere Ukraine "auf jeden Fall Juschtschenkos Kandidatur unterstützen und die treibende Kraft hinter dem Präsidentschaftskandidaten sein wird".
Gründe für Juschtschenkos geringe Popularität
In einer Stellungnahme nach der Registrierung als Präsidentschaftskandidat sagte Juschtschenko, niemand solle denken, es gehe ihm nur um Macht. Er forderte die Ukrainer auf, für ihre Werte, Weltanschauung und Ziele zu stimmen. Die Politik des Parlaments und der Regierung bezeichnete er als "Bedrohung der Unabhängigkeit und Freiheit".
Die Leiterin der ukrainischen Stiftung Demokratische Initiativen, Iryna Bekjeschkina, meint, Juschtschenko sei es durchaus gelungen, die wichtigsten Errungenschaften der Orangen Revolution zu bewahren – Meinungsfreiheit, Bürgerrechte und politische Freiheit. Aber es habe auch viele Versäumnisse gegeben: "Er war viel zu untätig, er hat Reformen versäumt, die für die Gesellschaft außerordentlich notwendig sind." Was die Wahlversprechen angehe, so habe Juschtschenko kein einziges erfüllt, auch weil seine Befugnisse mit der Verfassungsreform 2004 eingeschränkt worden seien, so die Expertin. Auch darauf sei seine geringe Popularität und die Enttäuschung unter seinen ehemaligen Anhängern zurückzuführen.
Dem stimmt der Vorsitzende der gesellschaftlichen Organisation Laboratorium für Gesetzesinitiativen, Ihor Kohut, zu: "Die letzten Jahre waren von einem Krieg der Vollmachten zwischen Juschtschenko und anderen Führern in der politischen Arena geprägt."
Wahlkampf nur mit Sponsoren finanzierbar
Umfragen zufolge sind derzeit weniger als vier Prozent der Wähler bereit, für Juschtschenko zu stimmen. Experten weisen darauf hin, im Unterschied zur Regierungschefin Julija Tymoschenko und dem Führer der Partei der Regionen, Wiktor Janukowytsch, beeilten die großen Sponsoren aus der Wirtschaft sich nicht gerade, den Wahlkampf des Amtsinhabers zu unterstützen. Aber aus anderen Quellen könne man in der Ukraine heute keinen Wahlkampf finanzieren, stellt Bekjeschkina fest.
Der Vorsitzende des Wählerkomitees der Ukraine, Oleksandr Tschernenko, weist darauf hin, dass der Wahlkampf trotz der wirtschaftlichen Krise alles andere als bescheiden verlaufe. Die Ukrainer würden Zeugen pompöser millionenteurer Wahlkampfveranstaltungen mit Konzerten und Feuerwerken. Zugleich, so betonte Tschernenko, vermisse man neue Ideen in den Programmen der Kandidaten für das höchste Staatsamt. Er sagte, sie alle würden den Menschen viele soziale und wirtschaftliche Versprechen geben, aber keine Mechanismen zur Umsetzung anbieten. Sie würden auch keine konkreten Antworten auf die Frage geben, welche Vollmachten der Präsident künftig haben solle.
Wahlkommission erwartet bis zu 30 Kandidaten
Im Wahlkampf ist derzeit Janukowytsch in Führung gegangen. Für ihn wollen, so die Umfragen, 35,6 Prozent der Ukrainer votieren. Die Kandidatur der jetzigen Premierministerin Tymoschenko unterstützen 22,1 Prozent der Befragten. Für den ehemaligen Parlamentsvorsitzenden Arsenij Jazenjuk wollen 9,1 Prozent und für den Kommunistenführer Petro Symonenko 3,9 Prozent der Wähler stimmen. Der stellvertretende Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission, Andrij Mahera, teilte mit, seine Behörde rechne mit der Zulassung von 20 bis 30 Präsidentschaftskandidaten.
Autor: Oleksandr Sawyzkyj / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Bernd Johann