Was die Kritiker über Chavez' Sozialprogramme sagen
23. November 2006Fragwürdige Erfolgszahlen
Nach Angaben der Regierung lag die Armutsquote 2003 noch bei 55,1 Prozent. Bis Ende 2005 sei sie auf 37,9 Prozent gefallen. Der Anteil der von extremer Armut betroffenen Haushalte sei von 17,1 Prozent 1998 auf 15,3 Prozent 2005 gesunken. Diese Zahlen wurden von der nationalen Statistikbehörde erhoben. Auch wenn man diese Zahlen nicht anzweifelt, ist die Frage, ob es die Sozialprogramme sind, die zu einer Senkung der Armut geführt haben, oder schlicht das durch den hohen Erdölpreis bedingte Wirtschaftswachstum des Landes.
Jüngst sorgte eine Studie für Unruhe, die die Wirksamkeit der Alphabetisierungskampagne Venezuelas in Frage stellte. Die Regierung Chávez hatte im Oktober 2005 in Übereinstimmung mit den Regeln der UNESCO Venezuela analphabetenfrei erklärt. Zwei Wissenschaftler aus den USA und zwei aus Venezuela, stellten dagegen fest, die Alphabetisierungs-Mission "Robinson" habe "keine Wirkung" erzielt.
Mangelnde Transparenz
Die Ausgaben für die Sozialprogramme werden nicht in den öffentlichen Haushalten ausgewiesen, sondern direkt aus Sonderfonds finanziert, die aus den Erdöleinnahmen gespeist werden. Niemand außerhalb der Regierung kann nachvollziehen, wie viel Geld für Bürokratie und Werbung ausgegeben wird.
Korruption und Misswirtschaft
Ein großes Problem bleiben Korruption, Klientilismus und Misswirtschaft. Das räumen selbst die Befürworter der Missionen ein. In den Mercal-Geschäften gibt es immer wieder Unterschlagungen, Schmiergelder werden gezahlt, Lebensmittellieferungen waren zum Teil verdorben. Im Rahmen der Mission Habitat hat Chávez versprochen, 150.000 neue Wohnungen pro Jahr zu errichten. Nur ein Bruchteil wurde geschafft. Deshalb mussten schon mehrere Bauminister gehen.
Geschenke nur für Cháveztreue
Wer sich in den Vierteln umhört, bekommt immer wieder gesagt: "Wer in den Genuss der Geschenke von Chávez kommen will, muss mit Loyalität dafür bezahlen." Wer zum Beispiel für das Referendum zur Amtsenthebung von Chávez (die Abstimmung war im Dezember 2004) unterschrieben habe, gehe leer aus. Die berüchtigte Unterschriften-Liste "Maisanta" ist nach wie vor im Umlauf. Wer will, kann sich noch heute auf der Straße von Caracas eine CD-Rom mit den fast 14 Millionen Unterschriften besorgen. Darauf stehen die Namen und Adressen derjenigen, die Chávez per Referendum aus dem Amt drängen wollten. Von der Opposition wird außerdem der Vorwurf erhoben, Chávez nutze die Missionen, um die arme Bevölkerung für sich zu mobilisieren.
Gute Idee, schlechte Umsetzung
Viele Venezolaner finden die Idee, die hinter den Missionen steckt, gut, profitieren davon selbst aber nicht. Auf die Frage des Umfrageinstituts Dataanalisis, ob sie an der Mission "Patria" teilgenommen haben, antworteten 20 Prozent mit Ja. Diese Mission gibt es aber gar nicht. Kritiker stellen in der Mission "Barrio Adentro" die Qualifikation der kubanischen Ärzte in Frage. Sie hätten nur eine dreijährige Ausbildung hinter sich, seien nur zu präventiven Maßnahmen fähig. Die Bedingungen in den Krankenhäusern hätten sich dagegen nicht verbessert. Es fehle an medizinischem Gerät, Medikamenten, die Hygiene sei mangelhaft.
Fehlende Nachhaltigkeit
Die Finanzierung der Sozialprogramme ist abhängig von den Erdöleinnahmen. Sinkt der Erdölpreis, gerät das gesamt System ins Wanken. Experten kritisieren, dass durch die Sozialprogramme keine neuen Arbeitsplätze entstehen. Im Gegenteil: Der informelle Sektor ist seit Chavez' Amtsantritt weiter gewachsen. 5,2 Millionen Venezolaner arbeiten schwarz.