Was hält die Hongkonger Uni-Besetzer aufrecht?
21. November 2019Was geht in den Besetzern vor, die immer noch auf dem von der Polizei belagerten Campus der der Polytechnischen Universität von Hongkong (Artikelfoto) ausharren? Am Donnerstagmorgen sollen es weniger als hundert gewesen sein. Rund 800 Demonstranten haben das Gelände verlassen, darunter rund 300 Minderjährige, die nach Feststellung der Personalien nach Hause geschickt werden sollen.
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch telefonierte die DW mit einem der Besetzer, er nennt sich Joshua. Er ist 19 und geht in die 12. Klasse. Er sagt, dass es sein letztes Interview sein könnte, denn die Polizei könnte während des Interviews den Campus stürmen. Er habe versucht zu fliehen, als es noch möglich war. Die Polizei habe Tränengas eingesetzt und die Fliehenden zurück auf den Campus gedrängt. Ein Polizist habe mit seiner Pistole auf seinen Kopf gezielt.
Solidarität als Hauptmotiv
Jetzt sagte er, er sei fest entschlossen zu bleiben. "Als Einzelner kann ich nur wenig bewirken, aber für dieses Wenige bleibe ich. Ich tue es für diejenigen, die festgenommen und verletzt wurden. Ich drücke meine Dankbarkeit aus, indem ich bleibe und mich nicht der Polizei stelle."
Joshua sagt, er schlafe maximal drei bis vier Stunden am Tag. Er glaubt, dass er noch eine Woche aushalten kann. Gasmasken und Helme fehlen, für Brandflaschen seien kaum noch Materialien vorhanden. "Falls die Polizei den Campus stürmt, kann die restliche Truppe kaum nennenswerten Widerstand leisten", sagt der Oberschüler.
"Wir haben noch genug Wasser und Proviant", sagt er. Auch die Mensa habe Reserven, "Nudelsuppenportionen haben wir reichlich." Er bezeichnet sich als "friedlichen Demonstranten, aber mit Kampfgeist." Er schiebe Wache und übernehme Logistikaufgaben. Joshua verteidigt seine Mitstreiter gegen Vorwurf, sie seien gewalttätige Randalierer. Die Behauptung der Polizei, dass sie sich strafbar wegen "Aufruhr" gemacht hätten, weil sie auf dem Campus geblieben seien, weist er zurück. Viele seien nur geblieben, um Solidarität zu zeigen.
"Bin kein Aufrührer"
"Ich bin bereit, die rechtlichen Konsequenz zu tragen, falls unsere Forderungen erfüllt werden. Ich stelle mich einem Verfahren." Dieses müsse aber fair sein, sagt Joshua hinzu. "Ich bin illegal auf den Campus vorgedrungen, aber Aufruhr habe ich nicht begangen."
Trotzdem sympathisiert Joshua auch mit gewaltbereiten Demonstranten. "Ich kann verstehen, dass viele Menschen Gewalt anwenden. Sie gelten einfach nur als Randalierer. Was die Kritiker aber übersehen, ist, dass unsere Forderungen überhaupt nicht wahr- und ernstgenommen würden, wenn sie es nicht getan hätten."
Bei Verurteilung wegen Aufruhrs droht dem jungen Mann und Mitaktivisten eine Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren, was Joshua mit Humor "Wenn wir eines Tages das Gefängnis verlassen, können die Autos vielleicht schon fliegen."
Auch ein Testament hat Joshua aufgesetzt, für alle Fälle. Er hat es einem Freund außerhalb des Campus telefonisch diktiert. "Ich will meinen Eltern 'danke' und 'tut mir leid' sagen. Politisch waren wir nie einer Meinung. Aber sie haben für mich gesorgt. Sie werden vielleicht den einzigen Sohn verlieren. Das tut mir leid."
Bitte an die Welt
Zu seinen Zukunftsplänen sagt Joshua nur, dass er seine Zukunft nicht in Hongkong sieht. Zum Abschluss hat er noch eine Botschaft an die ganze Welt: "Die Menschen in Hongkong haben Widerstand geleistet. Könnt ihr uns bitte mit einer Unterschriftsaktion unterstützen? Falls nicht, tut uns mindestens einen Gefallen und verurteilt uns nicht deswegen. Die Welt muss sich darauf konzentrieren, warum wir Widerstand leisten, nicht wie wir das tun. Wir haben als junge Menschen mit Vision und Kampfgeist getan, was wir können, für die Stadt Hongkong, die wir lieben."
Mitarbeit: Ci Zhang