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Was tun mit sowjetischen Denkmälern?

9. Juli 2023

Die Debatte darüber, wie mit sowjetischen Denkmälern umgegangen werden soll, ist in Osteuropa aktueller denn je. Ein Blick nach Bulgarien.

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Eine Menschenmenge schwenkt rote Fahnen vor einem großen steinernen Denkmal
Stein des Anstoßes: Das Monument für die Sowejtarmee in Sofia am 9. Mai 2023Bild: Borislav Troshev/AA/picture alliance

Für die einen stehen Sowjetdenkmäler für die Besatzungszeit durch die Rote Armee und Stalins Regime. Andere erinnern sie an den Sieg über Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Debatte über Monumente und Statuen aus der Sowjetzeit wieder neu entfacht, auch in Polen und Litauen, wo Objekte wie das Siegesdenkmal in Riga nach Kriegsbeginn hastig abgerissen wurden.

In Bulgarien geht die öffentliche Meinung darüber, was man mit Monumenten aus der Ära des Kommunismus anstellen soll, stark auseinander. Einer der Gründe dafür ist die fehlende Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit im Land. Ein großer Teil der Bevölkerung romantisiert diese Zeit noch immer.

Denkmal zu Ehren der Sowjetarmee in Sofia

Im Zentrum dieser Kontroverse steht ein gigantisches Monument zu Ehren der Sowjetarmee, das in einem Park mitten in der bulgarischen Hauptstadt Sofia steht, ein fast vierzig Meter hoher Pfeiler am Ende einer Promenade aus Pflastersteinen, die für Aufmärsche ausgelegt ist. Oben auf dem Pfeiler reckt ein Rotarmist seine Waffe über die Köpfe einer Bäuerin und eines Arbeiters. Am Sockel erzählen drei Reliefs die Geschichte der Roten Armee.

Seit etwa einem Jahrzehnt setzt sich die "Initiative zur Demontage des Denkmals zu Ehren der Sowjetarmee" dafür ein, dass das Monument entfernt wird. Gebaut wurde es 1954, zehn Jahre nachdem die Sowjetunion Bulgarien den Krieg erklärt hatte. In jener Zeit wurde jede Form des Widerstands gegen die kommunistischen Machthaber in Bulgarien unterdrückt.

Drei Menschen stehen vor einem Denkmal.
Marta Georgieva (Mitte) und ihr Team von der Initiative zur Demontage des Denkmals zu Ehren der SowjetarmeeBild: Rayna Breuer/DW

"Nach der Invasion der Roten Armee wurde in Bulgarien ein kommunistisches Regime installiert. Dieses Denkmal wurde in einer Zeit der Unfreiheit gebaut, als sich die Besatzer als Befreier bezeichneten", so Marta Georgieva von der Demontage-Initiative. Ziel der Gruppe ist es, das Bewusstsein der Bevölkerung für die bulgarische Geschichte zu schärfen. Sie zieht auch Parallelen zwischen der bulgarischen Vergangenheit und der ukrainischen Gegenwart: "Eine Armee überfällt einfach so ein Land und bezeichnet sich als Befreier, wenn sie den Krieg gewinnt."

Bulgarien im Zweiten Weltkrieg

Während des Zweiten Weltkriegs gehörte Bulgarien von 1941 bis 1944 zu den Achsenmächten, aber das Land entsandte keine Soldaten an die Ostfront und weigerte sich, der Sowjetunion den Krieg zu erklären. Im August 1944 beendete Bulgarien den Pakt mit Nazideutschland und deklarierte sich als neutral. Die Sowjetunion lehnte jedoch das Angebot eines Waffenstillstands ab. Moskau erklärte Sofia den Krieg. Nur drei Monate nach der Invasion der Roten Armee übernahm ein kommunistisches Regime am 9. September 1944 die Macht im Land und ließ zwischen 18.000 und 30.000 Menschen ermorden - darunter Geistliche, Journalisten, ehemalige Minister und Großgrundbesitzer.

In Bulgarien weiß man zu wenig über dieses dunkle Kapitel der Landesgeschichte. Eine Lücke, die gefüllt werden müsse - und der Abriss des Monuments der Sowjetarmee sei Teil dieses Prozesses, so Marta Georgieva und ihr Team. "Wir wollen den Platz entpolitisieren, denn dieses Monument teilt unsere Gesellschaft", so Kuper Saparev, ebenfalls Mitglied der Initiative. "Wegen des Denkmals können wir den Platz nicht nutzen, es blickt auch nicht in die Zukunft, sondern ist vielmehr kriminelle Propaganda für die Vergangenheit und sorgt für große Spannungen."

Schon 1993 hatte der Stadtrat den Abriss beschlossen. Doch seither haben sich verschiedene Institutionen um die Entfernung des Denkmals gedrückt. "Wir haben bewiesen, dass es kein Kulturdenkmal ist und die Autoritäten haben bestätigt, dass es kein Soldatendenkmal ist", so Marta Georgieva.

Das Denkmal abreißen oder bewahren?

Nicht jeder unterstützt die Idee eines Abrisses. Tatsächlich denken viele Bulgaren, dass das Monument bewahrt werden sollte: "Es ist ein gemeinsamer Gedenkort, der uns daran erinnern soll, dass so viele Menschen in diesem blutigen und unbarmherzigen Krieg starben, die diesen Krieg nie gewollt hatten. Ihr Andenken muss bewahrt werden", sagt eine ältere Frau und hält dabei das Bild eines Verwandten hoch, der im Zweiten Weltkrieg starb. Sie gehört zu einer Gruppe Menschen, die sich am 9. Mai, dem Tag des Sieges über Nazideutschland, vor dem Monument versammelt haben. Der Gedenktag wird jedes Jahr in verschiedenen ehemals kommunistischen Ländern begangen.

Eine ältere Dame hält ein gerahmtes Schwarzweiß-Porträt eines Mannes in Uniform
Jedes Jahr am 9. Mai erinnern Menschen an ihre Verwandten, die im Zweiten Weltkrieg gefallen sindBild: Rayna Breuer/DW

Für jene, die diesen Gedenktag feiern und russische Fahnen schwenken, mitten im EU-Staat Bulgarien, dient das Denkmal als Symbol des Kampfes gegen den Faschismus. Ein Kampf, der für sie nicht zu Ende ist: Verschiedene Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung äußern gegenüber der DW die Meinung, "der Westen" sei der eigentliche Aggressor im Krieg gegen die Ukraine.

Putins Propaganda fällt in Bulgarien auf fruchtbaren Boden -  in einem Land, das sich nie ganz dem russischen Einfluss entziehen konnte. Bulgarien hat seine Vergangenheit noch nicht bewältigt. Es gibt zu wenig historische Aufarbeitung und zu viel Desinformation. Die Schrecken der kommunistischen Zeit wurden kaum diskutiert, problematische Interpretationen der Vergangenheit konnten sich im Land ausbreiten.

Dritte Lösung: Das Denkmal verändern

Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Denkmal in ein Museum zu verwandeln oder es in eine bestehende Einrichtung einzubinden, wie zum Beispiel ins Museum für sozialistische Kunst, in dem zahlreiche Porträts von Lenin, Che Guevara, dem ehemaligen bulgarischen Ministerpräsidenten Georgi Dimitrov und von vielen anderen kommunistischen Führungsfiguren der Vergangenheit ausgestellt sind. "In jener Zeit musste die Kunst der Propaganda dienen. Sie wurde ein Werkzeug politischer Macht und Ideologie. Die Kommunistische Partei verschmolz mit dem Staat, und dieses Ein-Parteien-System kontrollierte jede Sphäre des öffentlichen, politischen und kulturellen Lebens. Kunst war von diesen Prozessen nicht ausgeschlossen", so der Kurator Nikolai Ushtavaliiski gegenüber der DW.

Ein Garten voller Statuen
Lenin, Dimitrov und andere, versammelt im Garten des Museums für sozialistische Kunst in SofiaBild: Rayna Breuer/DW

Ushtavaliiski ist seit 2011 Direktor des Museums und hat die Debatte über das Denkmal zu Ehren der Sowjetarmee mit Interesse verfolgt. Aber weil das Monument wohl kaum in den fußballfeldgroßen Park des Museums passen würde, macht er auf einen weiteren Ort aufmerksam.

Ein Mann mit Schal vor einer Statue Lenins
Nikolai Ushtavaliiski, Direktor des Museums für sozialistische KunstBild: Rayna Breuer/DW

Das Denkmal könnte abgebaut und in die Stadt Dimitrovgrad, 220 Kilometer südöstlich von Sofia, gebracht werden. "Der interessante Aspekt daran ist, dass die Stadt in den Anfangsjahren der sozialistischen Herrschaft gegründet wurde. Sie wurde förmlich aus dem Boden gestampft. Dimitrovgrad wurde ein Symbol für den Aufbau einer neuen, sozialistischen Gesellschaft in Bulgarien", so Ushtavaliiski. "Dimitrovgrad ist selbst ein sozialistisches Monument, daher würde ein Denkmal wie das in Sofia, das eine fremde Armee ehrt, bestens dorthin passen." 

Aus dem Englischen übersetzt von Philipp Jedicke.

DW Mitarbeiterportrait | Rayna Breuer
Rayna Breuer Multimediajournalistin und Redakteurin