1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KulturGlobal

Was wir von indigenen Völkern lernen können

8. August 2023

Sie leiden unter Landraub, Entrechtung und Klimawandel: An die indigenen Völker erinnert ein Aktionstag der Vereinten Nationen. Und ein Museum fragt: Was lernen wir von Indigenen?

https://p.dw.com/p/4Uu0o
Ein Mann mit Federschmuck in einem Konferenzsaal
Vertrat brasilianische Ureinwohner bei einer UN-Versammlung in Genf: Josiel KaiowáBild: Eliane Fernandes/ GfbV

Der "Internationale Tag der indigenen Völker der Welt" geht zurück auf einen Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom Dezember 1994. Anlass war das erste Treffen der UN-Arbeitsgruppe für indigene Bevölkerungsgruppen zwölf Jahre zuvor. Seither legen Menschenrechtsorganisationen und Aktionsgruppen weltweit den Finger in die Wunden, brandmarken den illegalen Abbau natürlicher Ressourcen ebenso wie die politische und wirtschaftliche Marginalisierung von Indigenen. "Problemfälle gibt es in allen Kontinenten", sagt Eliane Fernandes von der Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker der Deutschen Welle, "in Nordamerika, in Südamerika, in Mittelamerika, in Australien, Asien, auch hier in Nordeuropa oder in Russland."

Naive Darstellung eines großen Baumes im Regenwald
Bäume des Regenwaldes zeigt dieses Kunstwerk eines indigenen Künstlers im Frankfurter Weltkulturen MuseumBild: Wolfgang Günzel/Weltkulturenmuseum Frankfurt

Weltweit leben - nach UN-Angaben - schätzungsweise 476 Millionen Angehörige indigener Völker, verteilt auf 90 Länder. Sie machen zwar weniger als fünf Prozent der Weltbevölkerung aus, stellen jedoch 15 Prozent der Ärmsten. Indigene sind - definitionsgemäß - die Nachkommen von Bevölkerungsgruppen, die vor Eroberung, Kolonisation oder der Gründung eines Staates in bestimmten Gebieten lebten. "Indigene Völker sind Erben und Praktiker einzigartiger Kulturen und Formen des Umgangs mit Menschen und der Umwelt", so die Gesellschaft für bedrohte Völker.

UN-Deklaration der Indigenen-Rechte

Eliane Fernandes
Eliane Fernandes, Referentin für indigene Völker bei der Gesellschaft für bedrohte VölkerBild: Eliane Fernandes/ GfbV

Beinahe die Hälfte aller erwerbstätigen Indigenen hat keine Ausbildung. Bei indigenen Völkern ist die Wahrscheinlichkeit, in extremer Armut zu leben, fast dreimal so hoch wie bei ihren nicht-indigenen Mitbürgern. Die indigenen Völker sprechen die große Mehrheit der rund 7000 Sprachen der Welt und repräsentieren 5000 verschiedene Kulturen, rechnen die Vereinten Nationen vor.

Die Weltorganisation hat 2007 die Deklaration der Rechte indigener Völker, kurz: UNDRIP verabschiedet, (engl.: Declaration on the Rights of Indigenous Peoples) . Die nicht-rechtsverbindliche Erklärung definiert die Rechte indigener Völker, verurteilt Diskriminierung und schreibt Beteiligungsrechte fest. Die Deklaration soll Ländern helfen, mit ihren indigenen Völkern zusammenzuarbeiten. Oberstes Ziel: Der Erhalt ihres kulturellen Erbes, sprich: an eigener Kultur, Identität, Sprache, Arbeit, Gesundheit und Bildung.

Vertreter indigener Völker kommen seit 2007 regelmäßig im Expertenmechanismus für die Rechte indigener Völker (EMRIP) zusammen, einem Beratungsgremium der Vereinten Nationen. Der EMRIP berät den UN-Menschenrechtsrat. Erst im Juli tagte das Gremium in Genf. Einer, der dafür aus Brasilien anreiste, ist Beto Marubo, Repräsentant der Union of Indigenous Peoples of the Javari Valley (UNIVAJA), einem Zusammenschluss indigener Organisationen im brasilianischen Vale do Javari.

Erwartungen an Brasiliens neuen Präsidenten Lula

Marubo setzt sich für Menschen ein, die im Regenwald des Amazonas in unkontaktierten indigenen Gemeinschaften leben. Unter dem Regime des abgewählten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro habe sich ihre Lage dramatisch verschlechtert, zitiert ihn die Gesellschaft für bedrohte Völker. Illegale Holzfällaktionen hätten den Lebensraum vieler Ureinwohner zerstört. Doch auch die neue Regierung unter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, so Marubo, müsse erst einmal Taten sprechen lassen: "Wir werden der neuen Regierung keinen Freipass geben. Wir werden Forderungen stellen und wir werden stark sein".

Porträt eines Mannes vor einer Wand aus Bäumen
Kämpft für die Rechte Indigener in Brasilien: Beto MaruboBild: Eliane Fernandes/ GfbV

Um auf die schwierige Lage von Indigenen aufmerksam zu machen, nutzt die Gesellschaft für bedrohte Völker, eine deutsche Nichtregierungsorganisation, den "Internationalen Tag der indigenen Völker der Welt" am 9. August zu einer Informationskampagne. Bei einer Straßenaktion in Hamburg stellt sie unter anderem sechs indigene Aktivisten vor und erzählt ihre Geschichte. Neben Maruto zählt auch Josiel Kaiowá dazu, er kommt ebenfalls aus Brasilien: "Sie hatten vor uns zu töten", zitiert ihn die NGO, "wir entschieden uns aber, nicht zu sterben."

Ausstellung zu kulturellen Techniken von Indigenen

"Indigene Völker stehen an der Frontlinie der Klimakrise", kritisiert die Menschenrechtsorganisation "Survival", "sie leben dort, wo die Auswirkungen des Klimawandels schon jetzt am stärksten sind. Ihr Lebensunterhalt und ihre Lebensweise sind weitgehend von ihrer natürlichen Umwelt abhängig." Dabei trügen sie am wenigsten zum Klimawandel bei. "Viele der Triebkräfte des Klimawandels – darunter Öl- und Gasförderung, Bergbau und Entwaldung – haben bereits indigenes Land zerstört."

Blick in die Ausstellungsräume eines Museums mit Bildern an den Wänden
Blick in die Frankfurter Ausstellung "healing. Leben im Gleichgewicht"Bild: Wolfgang Günzel/Weltkulturenmuseum Frankfurt

Wohl deshalb nimmt derzeit eine Ausstellung des Frankfurter Weltkulturen Museums kulturelle Überlebenstechniken indigener Völker in den Blick. "Wir wollten eine Ausstellung machen, die sich mit Krisen beschäftigt und mit den möglichen Arten, wie Krisen bewältigt werden können", sagen die Kuratorinnen Mona Suhrbier und Alice Pawlik. Viele Künstler - indigene wie nicht-indigene - versuchten durch ihre Kunstwerke, Heilung herzustellen. Der Titel der Schau: "Healing- Leben im Gleichgewicht"

Bild eines Pumas vor einem gemusterten Hintergrund
El Yanapuma, der Puma vor den Mustern des Flusses, hießt dieses Kunstwerk aus einer Ausstellung des Weltkulturen Museums FrankfurtBild: Wolfgang Günzel/Weltkulturenmuseum Frankfurt

Nicht erst mit der globalen COVID-19-Pandemie sei die Fragilität der Lebensumstände ins Bewusstsein vieler gerückt. Gesundheit, Arbeit, Wirtschaft, Politik, das soziale Miteinander - fast alle Bereiche des Lebens seien davon betroffen. "Diese globale Krise und die damit verbundene Suche nach Gleichgewicht verbinden die Menschen weltweit".  "Was können wir von indigenen Gesellschaften lernen?", fragen die Ausstellungsmacher. Am Tag der indigenen Völker dürfte die Frankfurter Ausstellung die eine oder andere Antwort liefern.