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Was über den Flugzeugabsturz bei Belgorod bekannt ist

25. Januar 2024

Moskau behauptet, die Ukraine habe ein Il-76-Militärflugzeug abgeschossen. An Bord seien ukrainische Kriegsgefangene gewesen. Diese Informationen werden in Kiew weder bestätigt noch dementiert.

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Rauchsäule über der Absturzstelle der russischen Militärmaschine nahe dem Dorf Jablonowo im Gebiet Belgorod
Absturz der russischen Militärmaschine nahe dem Dorf Jablonowo im Gebiet BelgorodBild: UGC/AP/picture alliance

Russische Medien waren die ersten, die am Mittwoch über den Absturz eines russischen Militärflugzeugs des Typs Il-76 in der Region Belgorod berichteten. Das russische Verteidigungsministerium bestätigte dies später und erklärte, in der Maschine hätten sich 65 ukrainische Kriegsgefangene befunden. Sie seien zum Austausch gegen russische Gefangene in die Region Belgorod an der Grenze zu Ukraine geflogen. Sie alle, sechs Besatzungsmitglieder und drei Begleitpersonen seien ums Leben gekommen. Die Leichen dreier Besatzungsmitglieder konnten identifiziert werden, was Angehörige gegenüber Journalisten bestätigten. Den Tod eines weiteren Besatzungsmitglieds aus der Region Saratow bestätigte der dortige Gouverneur.

Laut Moskau sollte der Gefangenenaustausch am Mittwochnachmittag am Übergang Kolotilowka an der Grenze zur ukrainischen Region Sumy stattfinden. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der russischen Staatsduma, Andrej Kartapolow, sagte, nach Angaben der russischen staatlichen Agentur "RIA Nowosti" sei der Il-76-Maschine angeblich ein weiteres Flugzeug mit 80 Gefangenen an Bord gefolgt. Dies habe jedoch "rechtzeitig umkehren" können.

Moskaus Version des Flugzeugabsturzes

Das russische Verteidigungsministerium erklärte ferner, das Flugzeug sei von den ukrainischen Streitkräften abgeschossen worden, "um Russland der Tötung ukrainischer Militärs zu beschuldigen". Das verbreiten regierungsnahe russische Medien und Blogger tatkräftig. So veröffentlichte die Chefredakteurin des Staatssenders RT, Margarita Simonjan, eine Liste mit ukrainischen Kriegsgefangenen, die angeblich an Bord waren. Doch dank der Website des Projekts "Wartears", das Daten über Gefangene sammelt, wurde festgestellt, dass auf der Liste mindestens ein Mann steht, der bereits ausgetauscht wurde. Weitere von Simonjan veröffentlichte Angaben konnten nicht verifiziert werden.

Trümmer im Schnee an der Absturzstelle der Il-76 in der russischen Region Belgorod
Diese Aufnahme der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass soll die Absturzstelle der Il-76 in der russischen Region Belgorod zeigenBild: TASS/dpa/picture alliance

Einen Tag später äußerte sich auch der Kreml zum Absturz. Dmitrij Peskow, Sprecher des russischen Präsidenten, sagte vor Journalisten: "Noch ist unklar, was passiert ist. Erst gestern haben die Ermittler begonnen, die Überreste des Flugzeugs zu untersuchen." Auf die Frage, wie sich der Absturz auf den Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine auswirken würde, hatte er laut der Nachrichtenagentur "Interfax" keine Antwort parat. Andrej Kartapolow von der Staatsduma geht davon aus, dass der Austausch zwischen Russland und der Ukraine vorerst "auf Eis gelegt" wird.

Kiew prüft Meldungen über Kriegsgefangene

Auch ukrainische Staatsvertreter schwiegen erst einmal zum Flugzeugabsturz. Später berichteten der Ombudsmann Dmitrij Lubinez und der für Kriegsgefangene zuständige Koordinierungsstab auf Telegram, sie würden den russischen Informationen über Kriegsgefangene an Bord der Il-76 nachgehen.

Der ukrainische Militärgeheimdienst (HUR) erklärte, am 24. Januar sei zwar ein Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und Russland geplant gewesen, dieser habe aber nicht stattgefunden. Dies sei - laut der russischen Seite - eine Folge des Abschusses des Il-76-Flugzeugs, das angeblich ukrainische Kriegsgefangene an Bord gehabt habe, betonte der HUR. Die Ukraine verfüge jedoch nicht über verlässliche Informationen darüber, wer sich in der Maschine befunden habe.

Laut der ukrainischen Webzeitung "Ukrainska Prawda" und der staatlichen Agentur "Ukrinform", die sich auf Quellen bei den ukrainischen Streitkräften berufen, wurden mit dem russischen Flugzeug angeblich Raketen transportiert, mit denen die russischen Truppen in letzter Zeit vom Gebiet Belgorod aus die ukrainische Stadt Charkiw beschießen.

Ein russisches Flugzeug des Typs Il-76 im Anflug auf einen Flughafen
Ein russisches Flugzeug des Typs Il-76 (Archivfoto)Bild: Grigory Sysoev/Sputnik/dpa/picture alliance

In der Erklärung des Generalstabs der ukrainischen Streitkräfte wird das russische Flugzeug Il-76 nicht erwähnt. Es heißt lediglich, das ukrainische Militär reagiere auf die regelmäßigen russischen Angriffe in der Region Charkiw. "Die Streitkräfte der Ukraine werden weiterhin Maßnahmen ergreifen, um Lieferungen zu vernichten und den Luftraum zu kontrollieren, um die terroristische Bedrohung zu beseitigen, auch im Bereich Belgorod-Charkiw", heißt es in einer Mitteilung.

Journalisten: Das Flugzeug transportierte Waffen

Die russischen Portale "Mediazona" und "Important Stories", aber auch der ukrainische OSINT-Analyst "pandoras_box_ua" berichteten, das russische Flugzeug sei angeblich aus Richtung der Grenze der Ukraine und nicht dorthin geflogen. Dies gehe aus Bildmaterial vom Absturz hervor, das im Internet gefunden worden sei.

Laut dem Telegram-Kanal von "pandoras_box_ua" hatte die Il-76 das Kennzeichen RA-78830. Die Maschine sei zunächst über Ägypten, Saudi-Arabien, das Rote Meer und den Iran geflogen. In der Nähe von Syrien sei sie dann vom Radar verschwunden und erst wieder bei Belgorod aufgetaucht. "Alles deutet darauf hin, dass das Flugzeug Waffen aus dem Nahen Osten transportierte. Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass in ihm Kriegsgefangene gewesen sein könnten", so die ukrainische Quelle.

Gleichzeitig meldet die regierungskritische russische Webzeitung "Wjorstka", die Il-76 mit dem Kennzeichen RA-78830 habe laut "Flightradar" zuletzt um 10.10 Uhr Moskauer Zeit ein Signal in der Nähe von Zypern gesendet, während der Absturz um 11.15 Uhr Moskauer Zeit passierte. "Das Flugzeug hätte es gar nicht geschafft, die Strecke von Zypern bis in die Region Belgorod in so kurzer Zeit zurückzulegen. Außerdem setzte die RA-78830 wahrscheinlich zu einer Landung in Syrien an - in den letzten 15 Minuten der Signalübertragung verlor sie an Höhe von 32.000 Fuß auf 20.300", heißt es auf "Wjorstka". Zu diesen Informationen gibt es aber keine offiziellen Stellungnahmen.

Regierungsnahe russische Medien zitieren Aussagen zahlreicher Zeugen zum Absturz des Flugzeugs aus dem Dorf Jablonowo, die sagten, sie hätten gesehen, wie das brennende Flugzeug seinen Kurs änderte, um das besiedelte Gebiet zu verlassen, bevor es auf ein Feld stürzte.

Selenskyj fordert eine internationale Untersuchung

Am späten Abend des 24. Januar erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft, die Ukraine werde auf einer internationalen Untersuchung des Absturzes bestehen. Laut Selenskyj müssen "alle  Fakten geklärt werden, so weit das möglich ist, weil man bedenken muss, dass das Flugzeug auf russischem Territorium abgestürzt ist, was außerhalb unserer Kontrolle liegt".

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk