Weg frei für Diesel-Fahrverbote?
22. Februar 2018Wo liegt das Problem?
In vielen deutschen Städten ist die Luft zu dreckig. Seit Jahren werden die Grenzwerte für saubere Luft überschritten. Der Grund liegt an der hohen Konzentration von giftigen Stickoxiden. Sie reizen die Atemwege, führen zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenproblemen und in der Folge zu vorzeitigen Todesfällen.
Freigesetzt werden die Stickoxide vor allem durch Dieselmotoren. In den Städten "kommen drei Viertel des Stickoxidausstoßes von Diesel-PKW", erklärt Helmut Dedy, Geschäftsführer vom Deutschen Städtetag das Problem.
Da die Abgasreinigung bei den meisten Diesel-Pkw nicht wie vorgeschrieben funktioniert, haben die Städte nun die Schwierigkeit, die gesetzlichen Vorgaben zur sauberen Luft einzuhalten und die Gesundheit ihrer Bürger zu schützen. "Ohne eine Veränderungen an den Fahrzeugen lassen sich die Grenzwerte nicht einhalten", sagt Dedy der DW. Und "wenn sich nicht bei den Diesel-Pkw nachhaltig etwas ändert bin ich skeptisch, dass wir um Fahrverbote herum kommen."
Was muss jetzt das oberste Verwaltungsgericht entscheiden?
Geklagt hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen die Bundesländer Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen (NRW), da in Stuttgart und Düsseldorf die Grenzwerte zur Luftreinhaltung massiv überschritten werden.
Das Stuttgarter Gericht nannte Fahrverbote als "effektivste" Maßnahme und bewertete die Interessen des Gesundheitsschutzes höher als die Interessen von Dieselfahrern. Das Düsseldorfer Gericht urteilte, dass Fahrverbote in Düsseldorf für Dieselfahrzeuge "ernstlich geprüft" werden müssten.
Beide Bundesländer zeigten sich skeptisch, ob Fahrverbote rechtlich zulässig sind und legten deshalb eine sogenannte Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein. Die obersten Richter müssen nun über die rechtliche Zulässigkeit von Fahrverboten entscheiden.
Welche Auswirkung hat die Entscheidung des Gerichts?
Das Urteil hat in Deutschland und Europa eine Signalwirkung für Bürger in den Städten, für Dieselbesitzer, für die Politik und die Autoindustrie. Entscheidet das Gericht, dass Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge zur Luftreinhaltung rechtlich zulässig sind, so haben die zuständigen Behörden die Möglichkeit, entsprechende Maßnahmen für Städte mit besonders schlechter Luft einzuleiten, und bestimmten Diesel-Fahrzeugen die Fahrten zu verbieten.
"Es ist nicht zu erwarten, dass am nächsten Tag dann die Schilder aufgestellt werden, das geht nicht von heute auf morgen", sagt Rechtsanwalt Prof. Remo Klinger, der die DUH vertritt. "Erst muss dann ein sogenannter Luftreinhalteplan geändert werden. In diesen Plan müssen die Fahrverbote aufgenommen werden und die Öffentlichkeit nochmal angehört werden. Für die Umsetzung haben die Gerichte in der Regel bisher so einen zeitlichen Horizont von sechs Monaten angesehen", erklärt Klinger der DW.
Sollten die Richter Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge als nicht zulässig ansehen, so hätten die Behörden diese Möglichkeit zur Luftreinhaltung ohne Gesetzesänderung nicht. Dann tauche laut Dedy aber eine andere Frage auf: "Wie kann ich denn dann überhaupt dafür sorgen, dass die Grenzwerte zu einem bestimmten Zeitpunkt eingehalten werden und dann wird es so sein, dass die politische Debatte nochmal neu hochkocht. Dann muss man diese Frage beantworten."
Aus diesem Grunde sei es ihm auch gleich, ob die Richter "in diese oder jene Richtung entscheiden", wichtig sei vor allem, "dass die Bundesregierung mit uns gemeinsam ein schlüssiges Gesamtkonzept verabredet und sagt da wollen wir hin. Immerhin geht es um den Gesundheitsschutz", so Dedy.
Nachrüstungen und blaue Plakette unausweichlich?
Erwartet wird nach dem Urteil eine neue Dynamik im Kontext des Dieselskandals und der gesetzlich verankerten Luftreinhaltung. Da die Updates der Motorensoftware bei Diesel-PKW laut Umweltbundesamt nicht ausreichend sind und auch andere Maßnahmen wie der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs die Luftqualität nicht im ausreichenden Maße verbessern, "brauchen wir die Lösung an den Fahrzeugen - also die Hardware-Lösung", sagt Dedy.
Auch das Center Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen kommt laut einer aktuellen Analyse zu dem Schluss, dass es "ohne Hardware-Umrüstungen unmöglich ist, die Stickstoffdioxidgrenzwerte in den Ballungszentren einzuhalten".
Der ADAC Baden-Württemberg stellte jetzt in einer Untersuchung fest, dass die Nachrüstung mit Katalysatoren gut funktioniert, den Ausstoß von Stickoxiden um bis zu 70 Prozent im Stadtverkehr reduziert und auch finanziell machbar ist.
Die Pläne der Bundesregierung möglicherweise die Nachrüstung aus Steuermitteln zu finanzieren, hält Dedy für "nicht allzu glücklich". Die Verantwortung für die Nachrüstung läge in der Autoindustrie und "da muss sie auch eingefordert werden".
Darüber hinaus bräuchten die Städte laut Dedy die Kennzeichnung von Fahrzeugen mit einer blauen Plakette. Diese könnten Diesel-Fahrzeuge bekommen, die entsprechend nachgerüstet wurden und so die vorgeschriebenen Grenzwerte auch auf der Straße einhalten. "Diese blaue Plakette ist aus meiner Sicht auch industriepolitisch klug, weil sie nämlich dafür sorgt, dass diese Technologie tatsächlich noch eine Zukunft hat, wenn sie nur die entsprechend geringe Mengen von Stickoxid ausstößt", so Dedy.