Immer wieder Ärger mit Erdogan
17. Juli 2017Im Streit mit der Türkei um den Einsatz deutscher NATO-Soldaten auf dem Stützpunkt in Konya setzt die Bundesregierung erst einmal auf Zeit. "Ich halte es nicht für sinnvoll, jetzt hier Zeiterwartungen in den Raum zu stellen oder Zeitfristen zu nennen", wiegelte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag ab. Auch das Auswärtige Amt will erst das Gespräch mit der Regierung in Ankara suchen: "Es ist eine Verschiebung und keine Absage, und wir nehmen jetzt die Türkei beim Wort und gehen daran, einen baldigen Termin für eine solche Reise mit der Türkei zu besprechen."
Am Montag sollten die circa 15 deutschen Soldaten im türkischen Konya Besuch aus Berlin bekommen - eigentlich. Doch am vergangenen Freitag teilte die Türkei mit, sie verschiebe den Termin - in eine unbestimmte Zukunft. Der Zustand der deutsch-türkischen Beziehungen sei gespannt, nannte die Regierung in Ankara als Grund. Doch obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel im ARD-Sommerinterview angekündigt hatte, es gebe keinen Verhandlungsspielraum und Forderungen von türkischer Seite lehne sie rundheraus ab, folgten bis jetzt keine konkreten Schritte.
Konya reicht weiter
In Konya leisten NATO-Soldaten verschiedener Nationen Dienst. Der Konflikt betrifft deshalb nicht nur die deutsch-türkischen Beziehungen, sondern auch das Militärbündnis als Ganzes, in dem die Türkei ebenso Mitglied ist wie Deutschland. NATO-Generalsekretär Stoltenberg hatte am Wochenende dazu aufgerufen, den Streit um die deutschen Besuche schnell beizulegen, nachdem er mit den Außenministern beider Länder gesprochen hatte. "Wir hoffen, dass Deutschland und die Türkei einen für beide Seiten akzeptablen Termin für einen Besuch finden können."
Der Stützpunkt sei strategisch wichtig im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS). Auch Bundeskanzlerin Merkel sagte, der Kampf gegen den IS befinde sich in einer entscheidenden Phase. Deswegen müsse Deutschland nun die militärische Verlässlichkeit gegen das Besuchsrecht deutscher Bundestagsabgeordneter abwägen. Mit anderen Worten: Um einer weiteren Eskalation mit der Türkei aus dem Weg zu gehen und dem Kampf gegen den IS nicht zu schaden, müssen deutsche Prinzipien wie das Besuchsrecht wohl untergeordnet werden. Über das Druckmittel, die Soldaten aus Konya abzuziehen, verfügt die Bundesregierung also gerade nicht. Bleibt nur die Hoffnung auf einen einsichtigen Präsidenten Erdogan. Da die Auslandseinsätze der Bundeswehr vom Bundestag beschlossen werden, haben alle Parlamentarier eigentlich das Recht, Auslandsstützpunkte zu besuchen.
Ausharren oder abziehen?
Aus der SPD und der Opposition kommen klarere Worte: "Kein Besuch, kein Konya", forderte Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei. Und SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erklärte, das Besuchsrecht deutscher Parlamentarier dürfe nicht aufgeweicht werden: "Ohne Besuchsrecht können die deutschen Soldaten nicht in Konya bleiben."
Das sieht der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Jürgen Hardt anders: "Erdogan hätte mehr erreicht, als er sich zu erträumen wagt, wenn deutsche Soldaten aus den AWACS aussteigen müssten". AWACS sind die Aufklärungsflugzeuge, die mit deutscher Beteiligung von Konya aus starten.
Verbotene Besuche
Schon im März hatte die türkische Regierungen dem Linken-Politiker Jan van Aken den Zugang zum Stützpunkt Konya verweigert. Zuvor hatte die Türkei im Sommer 2016 Bundestagsabgeordneten verboten, deutsche Soldaten auf dem Stützpunkt in Incirlik zu besuchen. Incirlik ist - im Gegensatz zu Konya - ein Militärflugplatz, der auf bilateralen Vereinbarungen zwischen der Türkei und Deutschland beruht. Von dort aus wurde der Kampf gegen den IS von Deutschland mit Tornado-Aufklärungsflugzeugen und einem Tankflugzeug unterstützt. Nachdem die türkische Regierung mehrere Monate lang den Besuch von Abgeordneten dort verweigert hatte, beschloss die Bundesregierung im Juni dieses Jahres, ihre 260 Soldaten aus Incirlik abzuziehen. Derzeit wird der Bundeswehreinsatz von dort nach Jordanien verlegt.
In Konya sind deutsche Bundeswehrsoldaten an Aufklärungsflügen mit AWACS-Maschinen beteiligt. Laut NATO-Generalsekretär Stoltenberg wirkt sich der Streit um den Parlamentarierbesuch bisher nicht auf den Flugbetrieb aus.