Afghanistan, Deutschland, Entwicklungshilfe, ISAF
13. März 2014Als der afghanische König Amanullah Khan im Jahr 1928 nach Berlin reiste, um die guten Beziehungen beider Länder zu festigen, war er viele Monate unterwegs. Heute ist Afghanistan mit dem Flugzeug in einigen Stunden zu erreichen, allerdings nicht direkt aus Deutschland. Auf den Direktflug von Frankfurt nach Kabul muss Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) zu seinem Bedauern noch warten. "Dabei wäre das für die Wirtschaft und für unsere Kontakte sehr wichtig", betonte Müller bei der Vorstellung derneuen entwicklungspolitischen Strategie für Afghanistan in Berlin.
Arbeitsplätze für Afghanistan
Künftig will die Bundesregierung besonderes Gewicht auf die Förderung der afghanischen Wirtschaft legen. "Jährlich drängen 400.000 junge Afghaninnen und Afghanen auf den Arbeitsmarkt", heißt es in dem Strategiepapier. "Diese Menschen müssen ausgebildet und in Lohn und Brot gebracht werden, damit sie nicht zu einem schwer kalkulierbaren Faktor der Destabilisierung werden." Statt in große Infrastrukturprojekte will die Bundesregierung lieber dorthin Geld stecken, wo unmittelbar Jobs für Afghanen entstehen, ausdrücklich auch für Frauen. Der Schwerpunkt der deutschen Hilfe liegt in den ländlichen Bereichen im Norden Afghanistans.
Als zukunftsträchtiger Wirtschaftssektor gilt der Bergbau. "Das ist nun aber leider genau der Sektor, aus dem sich die deutsche Industrie in den letzten 20 Jahren ziemlich stark zurückgezogen hat", so die Einschätzung von Stefan Mair vom Bundesverband der Deutschen Industrie. Beschäftigungsmöglichkeiten gebe es allerdings bei der Verarbeitung von Rohstoffen. Auch um die immense Nachfrage nach beruflicher Bildung kümmern sich deutsche Fachleute - und hoffen, dass die afghanische Seite diesen Faden weiterspinnt. "Berufsbildung funktioniert nur, wenn sie auch von der Privatwirtschaft in Afghanistan aufgenommen und durchgeführt wird", so Mair.
Vom Geber zum Investor?
Auf zwei Milliarden Euro summieren sich inzwischen die Mittel, die Deutschland seit 2002 in die Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan investiert hat. Weitere 430 Millionen Euro stellt die Bundesregierung bis 2017 zur Verfügung. "Diese Zahlen müssen wir verdoppeln mit Investments aus privaten Quellen", appelliert Minister Müller an die Unternehmer. "Hier hält sich die deutsche Wirtschaft bisher viel zu stark zurück." Er könne nicht verstehen, warum große deutsche Firmen wie Siemens nicht in Afghanistan präsent seien.
Der Grund für die Zurückhaltung ist die schlechte Sicherheitslage in Teilen des Landes. Die Bundesregierung will daher künftig komplexe Vorhaben in unsicheren Gegenden vermeiden. "Wenn etwa ein ganz teures Projekt erst in fünf Jahren funktioniert, sich bis dahin aber die Sicherheitslage verschlechtert hat, dann läuft gar nichts mehr", so der Politologe Christoph Zürcher im Gespräch mit der DW. "Man versucht daher, den Risikoanteil des Portfolios ein wenig zu minimieren." Insgesamt sei das aber kein Richtungswechsel, so Afghanistan-Kenner Zürcher, sondern eine Feinjustierung der Strategie.
Die Entwicklungshilfe geht weiter
Minister Müller baut darauf, dass die afghanische Regierung das Sicherheitsabkommen mit den USA nach der Präsidentschaftswahl im April unterzeichnen wird. Von diesem Abkommen hängt es ab, ob die NATO nach dem Abzug der Sicherheitstruppe ISAF eine weitere - wenn auch deutlich kleinere - Mission für Afghanistan aufstellen wird. Die zivilen Organisationen, so Müller, hätten jedoch für alle Fälle ein eigenes Sicherheitskonzept. "Die ISAF geht, und die Entwicklungszusammenarbeit bleibt", so Müller. Allerdings hängt die Höhe der Mittel von Fortschritten ab, die Afghanistan bei der Bekämpfung der Korruption und der Verwirklichung der Frauenrechte mache.
Afghanistan habe immer noch große Probleme, räumte der afghanische Finanzminister Omar Zakhilwal ein, aber die internationale Hilfe habe sein Land enorm vorangebracht. Ein einfaches Beispiel dafür sei die Telekommunikation: "Früher mussten die Leute über die Grenze nach Pakistan fahren, wenn sie ihre Verwandten im Ausland anrufen wollten." Heute nutzten Millionen Afghanen ein Mobiltelefon, sagt Zakhilwal, und gesellschaftliche Fragen würden im Internet diskutiert. Das habe zu einem Wandel in den Köpfen geführt, der nicht wieder rückgängig zu machen sei.