Weitere heftige Proteste in Indien
21. Dezember 2019Bei den gewaltsamen Protesten gegen die Reform des Einbürgerungsgesetzes sind in Indien bereits mehr als 20 Menschen getötet worden. Die Zahl der Opfer stieg nach Angaben der Polizei seit Freitag auf mindestens 21, nachdem wieder Tausende Menschen im ganzen Land auf die Straße gegangen waren. Angesichts der blutigen Proteste rief Indiens Premierminister Narendra Modi am Samstag seinen Ministerrat zu einer Krisensitzung ein.
Die meisten Todesfälle gab es im nördlichen Uttar Pradesh, wo seit Beginn der Proteste am 10. Dezember 15 Menschen starben, wie die Polizei des Bundesstaates mitteilte. Mehr als 700 Demonstranten befänden sich noch im Polizeigewahrsam, rund 4500 seien nach ihrer Festnahme wieder auf freiem Fuß. Auch mehrere Hundert Polizisten seien bei den Demonstrationen verletzt worden. Allein in Neu Delhi wurden 40 Menschen in Gewahrsam genommen, darunter auch Minderjährige, wie die Sicherheitskräfte der Nachrichtenagentur AFP sagten.
Die Polizei in Uttar Pradesh teilte mit, während der Proteste am Freitag hätten Menschen Feuer gelegt, mit Steinen geworfen und öffentliches Eigentum beschädigt. Ein Achtjähriger sei bei einer Massenpanik getötet worden, als die Polizei versucht habe, eine Menschenmenge aufzulösen. Andernorts seien die Proteste weitgehend friedlich verlaufen.
Mit allen Mitteln eindämmen
Die Behörden versuchen, die Massenproteste mit allen Mitteln einzudämmen. Sie erließen Notstandsgesetze, blockierten den Internetzugang und schlossen Geschäfte im ganzen Land. Die Demonstranten wollen jedoch weiter auf die Straße gehen, bis das Gesetz wieder aufgehoben wird.
Es erleichtert illegal eingereisten Migranten aus den drei mehrheitlich muslimischen Nachbarländern Bangladesch, Pakistan und Afghanistan die Einbürgerung, wenn sie keine Muslime sind. Das Gesetz steht wegen seiner antimuslimischen Stoßrichtung in der Kritik. Der bekannte indische Historiker Ramachandra Guha forderte die Regierung auf, die umstrittene Reform zurückzunehmen, weil sie "unmoralisch" und "gegen den Geist der Verfassung" sei. Guha war am Donnerstag von der Polizei kurzzeitig festgenommen worden, weil er an einer Demonstration teilgenommen hatte.
Kritiker wie Guha sehen das Einwanderungsgesetz als Verstoß gegen die säkulare Verfassung Indiens, weil es Rechte an die Religion bindet. Premierminister Narendra Modi argumentiert hingegen, dass das Gesetz lediglich religiös verfolgten Menschen aus Nachbarländern helfe.
Die hindunationalistische Regierung unter Premierminister Modi hatte die Reform in der vergangenen Woche durch das Parlament gebracht, offenbar ohne mit einem solchen Widerstand - auch von Nicht-Muslimen - zu rechnen. 80 Prozent der Inder sind Hindus. Die zweitgrößte Religionsgruppe sind die Muslime mit etwa 180 Millionen Menschen.
lh/kle (dpa, afp, epd)