Weiter Proteste gegen neues Staatsbürgerrecht
16. Dezember 2019In Indien haben sich die Massenproteste gegen das neue Einbürgerungsrecht ausgeweitet. Nach schweren Zusammenstößen mit der Polizei an einer Universität in der Hauptstadt Neu Delhi gab es Solidaritätskundgebungen von Studenten in Chennai, Bangalore und Lucknow. In Kolkata folgten Tausende einem Demonstrationsaufruf der Regierungschefin von West-Bengalen, Mamata Banerjee. Der Oppositionspolitiker Rahul Gandhi warf der Regierung von Premierminister Narendra Modi vor, sich mit den Änderungen am Staatsbürgerschaftsrecht "faschistischer Waffen" zu bedienen.
Universität Jamia Millia Islamia ein Zentrum des Protest
Indien hat eine mehrheitlich hinduistische Bevölkerung von insgesamt 1,3 Milliarden Menschen, von denen rund 200 Millionen Muslime sind. Auslöser der Proteste ist ein vergangene Woche vom Oberhaus verabschiedetes Staatsbürgerschaftsgesetz. Es sieht für nicht-muslimische Einwanderer aus den Nachbarstaaten Bangladesch, Pakistan und Afghanistan Vereinfachungen bei der Einbürgerung vor. Konkret geht es um Angehörige verfolgter religiöser Minderheiten - Christen, Hindus, Sikhs, Buddhisten, Jaina und Parsen -, die bis Ende 2014 nach Indien eingereist sind.
Gegner des Gesetzes sehen dadurch die Neutralität des Staates in Glaubensfragen bedroht. An der Universität Jamia Millia Islamia in Neu Delhi waren die Proteste am Sonntag in Gewalt umgeschlagen. Nach Angaben der Universitätsleitung wurden rund 200 Menschen verletzt, als die Sicherheitskräfte mit Tränengas und Schlagstöcken eingriffen. Die Polizei sprach von 39 verletzten Studenten und 30 verletzten Polizisten. Ein Polizeisprecher warf den Studenten vor, vier Busse, einhundert Privatfahrzeuge und zehn Polizeifahrräder beschädigt zu haben.
In Lucknow versuchten hunderte, offenbar mehrheitlich muslimische Demonstranten, eine Polizeistation zu stürmen, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Sie bewarfen Sicherheitskräfte mit Steinen, die sich hinter einer Mauer verschanzt hatten. In den vergangenen Tagen waren bei den Protesten sechs Menschen ums Leben gekommen.
Mehrere Bundesstaaten begehren auf - Vereinte Nationen alarmiert
Mehrere indische Bundesstaaten kündigten an, das neue Staatsbürgerschaftsrecht nicht anzuwenden, weil es gegen die laizistische Verfassung des Landes verstoße. Auch die Vereinten Nationen äußerten Bedenken gegen das neue Gesetz. Das UN-Menschenrechtsbüro in Genf sprach von einem "grundlegend diskriminierenden" Gesetz. Es untergrabe das Versprechen zur Gleichheit vor dem Gesetz, zu dem sich Indien nicht zuletzt mit seiner eigenen Verfassung verpflichtet habe. Menschenrechtsgruppen und mehrere islamische Parteien wollen die Neuregelung vor dem Obersten Gericht anfechten.
Premierminister Narendi Modi hingegen rechtfertigte das neue Gesetz, weil Muslime in Bangladesch, Pakistan und Afghanistan keines Schutzes bedürften. Auf Twitter schrieb er, dass die gewaltsamen Proteste "unglücklich und zutiefst erschreckend" seien. Er beschwichtigte: "Kein Inder hat wegen des Gesetzes etwas zu befürchten." Und: "Das Gesetz betrifft nur diejenigen, die jahrelange Verfolgung erlitten und nirgendwo sonst hingehen können außer nach Indien." Das Gesetz sei Ausdruck von Harmonie und Brüderlichkeit des Landes.
sti/se (afp, dpa)