Papst mahnt Kampf gegen Hunger an
20. November 2014Der Papst tat, was von ihm erwartet wurde. Der Chef der Welternährungsorganisation FAO, Jose Graziano da Silva, versprach sich vom Auftritt des katholischen Kirchenoberhaupts einen moralischen Weckruf. Franziskus lieferte in seiner kurzen Ansprache vor 170 Staaten bei der Welternährungskonferenz in Rom genau den. Die Sorge für die über 800 Millionen hungerndem Menschen sei eine wesentliche Aufgabe der "menschlichen Familie", so der Papst. "Es ist die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft und dieser Konferenz den gemeinsamen Willen der Menschheit zu formulieren: Speist die Hungernden und rettet die Welt!" Das Recht auf Nahrung sei das Recht auf Leben, das geschützt sei durch die moralische Verpflichtung zu teilen.
Jedermann und vor allem die Regierungen seien dafür verantwortlich, den Hunger zu beseitigen, mahnte der Papst. "Es ist die Aufgabe jedes Staates für die leidenden Menschen zu sorgen und alle Kräfte zu mobilisieren." Dabei bräuchten die entwickelten Staaten nicht mit Fingern auf die weniger entwickelten Länder zu zeigen. Seine kurze Fahrt vom Vatikan zum Sitz der FAO in der Nähe des Colosseums hat den Papst daran erinnert, dass es auch in Italien und anderen Industriestaaten immer noch Hunger und Not gibt. "Die Menschen, die Hunger haben, sind nicht weit weg. Sie sitzen gleich hier an der Straßenecke. Sie verdienen eine Grundversorgung mit Nahrung. Sie brauchen Würde und keine Almosen", sagte Franziskus unter großem Applaus der Delegierten.
"Genug Nahrung, aber nicht alle werden satt"
Vor 22 Jahren, bei der ersten internationalen Konferenz zur Ernährung hatte schon einmal ein Papst gesprochen, damals noch Johannes Paul II. An dem Paradoxon des Überflusses, das sein Amtsvorgänger damals schon festgestellt habe, habe sich in den all den Jahren nichts geändert, sagte Franziskus. "Es ist paradox, dass wir genug zu essen für alle Menschen auf der Welt hätten, aber es nicht schaffen, alle zu ernähren." Als einen der Gründe für die ungleiche Verteilung von Nahrungserzeugung und Nahrungsverteilung in der Welt nannte der Heilige Vater die Interessen der großen Nahrungskonzerne und der Finanzmärkte. "Wir müssen erkennen, dass der Kampf gegen Unterernährung durch den Vorrang der Märkte und der wirtschaftlichen Interessen behindert wird. Nahrung ist zu einem normalen Rohstoff geworden, mit dem auf Finanzmärkten spekuliert wird."
"Die Erde vergibt nie"
Wie bei vielen Anlässen zuvor, kritisierte der Papst, dass es in der Welt zu wenig Solidarität gäbe und nur noch das Individuum zu zählen scheine. Diese Entwicklung berge Gefahren und könne Revolutionen auslösen. Die Welt brauche mehr Brüderlichkeit, auch unter den Staaten, die in Rom versammelt seien. Bei der Produktion von Nahrung müsse die Menschheit auch an ihre Lebensgrundlage, also "Mutter Erde" selbst denken. Der Planet dürfe nicht durch Umweltverschmutzung und Klimawandel geopfert werden, forderte Papst Franziskus in seiner sehr politischen Ansprache: "Gott vergibt immer, der Mensch vergibt manchmal. Die Erde aber vergibt nie."
Minister Schmidt: "Keine unverbindliche Plauderstunde"
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt fand die Rede des Papstes "super und hervorragend." Das sei genau der richtige Weckruf gewesen, sagte Schmidt, der Deutschland bei der Ernährungskonferenz in Rom vertritt. Die "Erklärung von Rom" und der dazu gehörende Aktionsplan seien ein Ausgangspunkt, um den Hunger und die Fehlernährung in der Welt ernsthafter anzugehen. Minister Schmidt kritisierte, dass die Papiere der ersten Ernährungskonferenz von 1992 zu schnell in den Schubladen verschwunden seien. Auch die UN-Ernährungsorganisation FAO habe nicht genug getan. "Wir sind jetzt nicht hier, um zwei Tage darüber zu plaudern, was man alles tun könnte. Diese Politik des Konjunktivs - könnte, sollte, würde - muss umgesetzt werden in eine Politik des Imperativs", sagte Schmidt vor Journalisten.
Allerdings haben die in Rom versammelten Staaten keinen Kontrollmechanismus vereinbart, um die Umsetzung der Ziele, wie die Abschaffung des Hungers bis 2025, zu überwachen. Das gehe nur durch "freiwillige Verbindlichkeit", betonte der deutsche Minister. Wenn ein Staat seine Zusagen nicht einhalte, werde man nachfragen und Begründungen verlangen. Eine rechtliche Handhabe gibt es nicht. Die Vereinten Nationen sollten die Jahre 2016 bis 2025 zum "Jahrzehnt gegen den Hunger" ausrufen, regte Schmidt an. Diese Forderung hatten auch mehrere Nichtregierungsorganisationen im Vorfeld der Konferenz in Rom bereits erhoben.
Über 100 Millionen Euro für neue Projekte
Konkret werde sich Deutschland an Projekten zur Verbesserung der Nahrungsmittelproduktion, Lagerung und Verteilung in betroffenen Ländern beteiligen. Es gehe auch um Bewässerungsprojekte und Erziehungsprogramme. "Das ist ein Bündel von Maßnahmen. Ich rechne mit einem Beitrag im dreistelligen Bereich, also deutlich über 100 Millionen Euro für Projekte." Forderungen von FAO-Generalsekretär da Silva, die Staaten müssten stärker regeln und überwachen, ob ihre Bürger ausgewogen essen, wies der deutsche Minister zurück. "Ich will unsere Teller nicht mit Gesetzen füllen", sagte Schmidt. Im Rahmen der Europäischen Union wolle sich Deutschland aber für bessere Kennzeichnung der Lebensmittel einsetzen. Außerdem will Schmidt den Einsatz von Wachstumsbeschleunigern und Antibiotika bei der Tiermast in der EU eindämmen.
Papst Franziskus, der ja auch Staatsoberhaupt des winzigen Kirchenstaats Vatikan ist, hatte keine Zeit, den anderen Konferenzteilnehmern zuzuhören. Er entschwand nach seiner eigene Rede, die immerhin 15 Minuten dauerte, sofort. Der Vatikan ist nicht Mitglied der Welternährungsorganisation FAO und hat die "Erklärung von Rom" nicht unterzeichnet. Trotzdem sei die moralische Unterstützung durch den obersten Katholiken sehr wichtig gewesen, meinten viele Delegierte.