Weltpolitik in der Hansestadt Lübeck
15. April 2015Mit einem Bootsausflug auf der Trave begann der zweite Tag des G7-Außenminister-Gifels in Lübeck. Begleitet von der Küstenwache und schwer bewaffneten Sicherheitskräften in Schlauchbooten fuhr der Ausflugsdampfer "Fehmarn" mit den Ministern an Bord die kurze Strecke zum Europäischen Hansemuseum, wo die Beratungen fortgesetzt wurden. Auf den Dächern entlang der Strecke waren Scharfschützen postiert. Im Schlepptau der "Fehmarn" fuhr ein kleineres Boot mit Journalisten, Fotografen und Kameraleuten mit, die jede Gesichtsregung der Minister und der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini auf dem Sonnendeck beobachteten und dokumentierten.
Lübeck präsentierte sich dabei von seiner besten Seite: im Gegensatz zum grau verhangenen ersten Tag des Außenministertreffens, strahlte an diesem Morgen die Sonne und beleuchtete die pittoreske Stadt mit ihren schmalen Giebelhäusern und spitz aufragenden Kirchtürmen.
Zahlreiche weltpolitische Themen stehen auf der Tagesordnung
Das sonnige Wetter sei erfreulich, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier am Morgen, in den internationalen Beziehungen jedoch gehe es derzeit ziemlich stürmisch zu. Auf der Tagesordnung der Minister stünden darum vor allem die Krisen der Welt. Man werde an diesem zweiten Tag über die Lage im Nahen und Mittleren Osten beraten und sich von US-Außenminister John Kerry über die Atomgespräche mit dem Iran informieren lassen.
Daneben werde man aber auch weitere Themen behandeln, die "etwas unterhalb der Oberfläche" angesiedelt seien, erklärte Steinmeier. Dazu gehörten die Auswirkungen des Klimawandels auf Länder vor allem in Afrika und Asien und die Sicherheit der Schifffahrt. Steinmeier begrüßte die Entscheidung des Sicherheitsrats, Waffenlieferungen an die Houthi-Milizen im Jemen zu unterbinden. Auch China und Russland hätten bei dieser Entscheidung eine konstruktive Rolle gespielt.
Atomgespräche mit dem Iran
Kerry war erst am Morgen aus den USA in Lübeck eingetroffen. Der amerikanische Außenminister hatte in Washington an einer Anhörung im Kongress zu den Atomgesprächen mit dem Iran teilgenommen und deswegen den ersten Tag der Beratungen der G7 verpasst. Die Verhandlungen der fünf Vetomächte des Weltsicherheitsrats plus Deutschland ("Fünf plus Eins") mit dem Iran sollen sicherstellen, dass der Iran keine Atomwaffen entwickelt. In den USA werden diese diplomatischen Bemühungen jedoch mit äußerster Skepsis betrachtet. Führende Republikaner haben die Rahmenvereinbarung, die vor Ostern in Lausanne erzielt wurde, scharf kritisiert. Die US-Regierung hat dem Kongress zugesagt, dass er, sollte im Juni eine Vereinbarung erreicht werden, 30 Tage Zeit für eine Prüfung des Abkommens haben wird.
Er sei zuversichtlich, dass die Gespräche mit Teheran zu einem erfolgreichen Ende geführt werden könnten, sagte Kerry am Morgen vor Journalisten. Dazu sei die Unterstützung jedes einzelnen Landes der G7 notwendig. Der amerikanische Außenminister lobte die deutsche G7-Präsidentschaft und die Führungsrolle Deutschlands in der Ukraine-Krise. Den sieben führenden Industriestaaten gehören neben Deutschland die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan und Kanada an. Russland dagegen ist seit der Annexion der Krim aus dem Gremium, das früher G8 hieß, ausgeschlossen.
Keine Demonstrationen am zweiten Tag
Für die Einwohner von Lübeck sind diese zwei Tage, in denen die Weltpolitik in ihre beschauliche Stadt kommt, nicht einfach. Sie müssen Straßensperren und Verkehrsbehinderungen hinnehmen. Selbst Fußgänger müssen mit langen Wartezeiten rechnen, wenn der Tross der Minister ihren Weg kreuzt und sie deshalb aufgehalten werden. Am Dienstag war der Busverkehr im Stadtzentrum völlig zum Erliegen gekommen. Aus Angst vor gewalttätigen Ausschreitungen von Demonstranten, die Protestkundgebungen angekündigt hatten, blieben viele Geschäfte und Cafés geschlossen. Andere hatten zwar geöffnet, warteten aber vergeblich auf Kunden. Einige Lokale hatten sogar ihre Fenster mit Sperrholz verbarrikadiert.
Die Demonstrationen blieben aber weitgehend friedlich. In der Innenstadt gab es am Dienstag eine kleine Kundgebung. Später fomierte sich ein Protestzug, der durch die Straßen Lübecks zog. Lediglich in der Nacht kam es zu einzelnen Ausschreitungen und Zusammenstößen mit der Polizei, als rund Hundert Demonstranten zum Rathaus zogen, in dem die Minister versammelt waren. Die Sicherheitskräfte sind mit einem Großaufgebot in der Stadt. 3500 Beamte sichern das Geschehen ab.