Welturaufführung von "Bully" Herbigs "Ballon"
13. September 2018Mit der Bully-Parade im TV und Kinokomödien wie "Der Schuh des Manitu" oder "(T)Raumschiff Surprise - Periode 1" bewies Michel "Bully" Herbig schon vor vielen Jahren, dass er ein Meister des Humors ist. Doch der Garant für Kinohits im leichten Fach hat in Sachen Regie noch mehr drauf. Sein erster ernster Kinofilm "Ballon" hatte am Mittwochabend in München Weltpremiere - ein Stück deutsch-deutsche Geschichte. Darin erzählt Herbig die spektakuläre und waghalsige Flucht zweier Familien aus der DDR in den Westen.
Die Fakten: 1979, also zehn Jahre vor Öffnung des Eisernen Vorhangs, war der so dicht und unüberwindbar wie nie zuvor. Nur noch selten gelang es Menschen, aus der DDR nach Westdeutschland zu fliehen. Und wenn es gelang, dann wurde eine solche Flucht in westdeutschen Medien und der Gesellschaft mit unverhohlenem Applaus bedacht. "Besserwessis" gab es noch nicht, "Ossis" auch nicht - im Westen galten DDR-Bürger überwiegend als Opfer der SED-Diktatur.
Spektakulär, mutig, waghalsig
In diesem Fall war der Applaus über die gelungene Flucht besonders groß, denn den beiden thüringischen Familien Strelzyk und Wetzel gelang am 16. September 1979 die Flucht mit einem heimlich selbstgebauten Heißluftballon. Vier Erwachsene und vier Kinder in einer Gondel von knapp zwei Quadratmetern, über ihnen eine rund 30 Meter hohe Ballonhülle aus 1245 Quadratmetern Stoff. Der Fluchtballon Marke Eigenbau hatte ein Fassungsvermögen von 4200 Kubikmetern Luft. Er trug die beiden Familien nachts in einer knappen halben Stunde 18 Kilometer weit, bis in den bayerischen Grenzort Naila.
Einen ersten Fluchtversuch hatte die Familie Strelzyk rund zehn Wochen zuvor unternommen, doch der dazu gebaute Heißluftballon stürzte wenige hundert Meter vor der Grenze im Sperrgebiet ab. Dessen Reste wurden natürlich von den DDR-Grenztruppen gefunden. Weil der Staatssicherheitsdienst der DDR nun mit Hochdruck die potentiellen Flüchtlinge zu ermitteln versuchte, zogen die Strelzyks die Familie Wetzel ins Vertrauen, damit gemeinsam und im Eiltempo ein neuer Ballon gefertigt werden konnte. Diesmal endete das Vorhaben erfolgreich. Wie sehr die Stasi sich mit den beiden Familien beschäftigt hat, dokumentieren 2000 Aktenseiten in der ehemaligen Gauck-Behörde.
Thema ein persönliches Anliegen
All diese Fakten hat Regisseur Michael "Bully" Herbig jetzt in seinem Kinofilm "Ballon" verarbeitet. Interviews mit den Protagonisten oder die Informationen aus den Stasi-Akten flossen ebenso ins Drehbuch ein. Dieses Ereignis für das Kino umzusetzen war dem Münchner ein Anliegen. Er war elf Jahre alt, als die sensationelle Flucht gelang und dieses Ereignis hat ihn nach eigener Aussage nie wieder losgelassen. "Mich hat die Geschichte fasziniert und deshalb war mir wichtig, die Familien so frühzeitig wie möglich ins Boot zu holen", sagte Herbig in den ARD-Tagesthemen.
2011 machte er Nägel mit Köpfen und begann mit der Planung des Films - wohl wissend, dass es schon 1982 eine Disney-Verfilmung des Ereignisses mit dem Titel „Mit dem Wind nach Westen" gab - ein Film, der jedoch inhaltlich bei den beteiligten Familien in etlichen Passagen nicht gerade auf Zustimmung stieß. "Ballon" wurde nach fünf Jahren der Vorbereitung im Herbst 2017 gedreht. 50 Drehtage in DDR-Flair mit dramaturgisch verdichteten Ereignissen, die ohnehin schon spannend sind.
In die deutschen Kinos kommt "Ballon" am 27. September 2018. Es bleibt abzuwarten, wie dieser zwar ohne Humor auskommende, aber ungeheuer spannungsreiche "Bully"-Thriller beim Publikum ankommt. Das vor 39 Jahren geflohene Ehepaar Wetzel war jedenfalls begeistert.