Weltsozialforum kritisiert EU-Flüchtlingspolitik
2. April 2013Die Europäische Union und die Staaten Nordafrikas würden gemeinsame Sache bei der Abwehr von Flüchtlingen aus der Region machen, beklagt Amadou M'Bow vom Mauretanischen Menschenrechtsverband. Viele nordafrikanische Staaten haben bilaterale Abkommen mit Europa geschlossen, die sie verpflichten, gegen die illegale Migration in die EU vorzugehen. Die EU, kritisiert M'Bow, habe die Menschenrechtsverletzungen einfach ausgelagert.
Die EU, sagt der Menschenrechtler, verstärke zunehmend die Ungleichbehandlung der Bürger verschiedener Länder. Denn während Europäer weltweit fast uneingeschränkt reisen können, gelte dies für Menschen aus Staaten südlich des Mittelmeers nicht. "Da stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Begriffs Menschheit - sind wir zwei verschiedene oder eine gemeinsame Menschheit mit gleichen Rechten? Wie wollt ihr uns helfen, uns zu entwickeln, wenn wir selbst innerhalb unserer eigenen Region nicht das Recht haben, uns frei zu bewegen?"
Die europäische Politik führt dazu, dass die Grenzkontrollen auch innerhalb der afrikanischen Staaten verschärft werden. "Europa hält sich das Problem vom Hals", konstatiert Judith Kopp, die für die Nichtregierungsorganisationen Pro Asyl, Brot für die Welt und medico international an einer Studie dazu arbeitet, welche Auswirkungen die EU-Migrationspolitik auf Drittstaaten hat. Zunehmender Rassismus gegen Menschen aus den Ländern südlich der Sahara sei im Maghreb deutlich spürbar. In Mauretanien herrsche inzwischen ein Generalverdacht gegen Migranten, berichtet sie. "Menschen landen allein aufgrund des Verdachts, das Land zu verlassen, in Haftzentren. Das ist fatal."
Gezielte Einflussnahme Europas?
In vielen Staaten Afrikas gibt es keine Asylgesetzgebung - darauf versucht die Europäische Union gezielt Einfluss zu nehmen. Beispiel Tunesien: Die Übergangsregierung erarbeitet derzeit ein Gesetz, das den Umgang mit Migranten regeln soll. Parallel dazu verhandelt die EU mit Tunesien über ein neues Migrationsabkommen, die sogenannte Mobilitätspartnerschaft.
Über das von der EU finanzierte Internationale Zentrum für die Entwicklung von Migrationspolitik (ICMPD), das die tunesische Regierung bei der Formulierung ihrer Migrationsgesetzgebung unterstützen soll, präge Europa außerdem gezielt die Asylpolitik des Mittelmeerstaates. "Das ist schon eine sehr weitreichende Einflussnahme auf die nationale Souveränität", kritisiert Kopp.
"Die gleiche Logik wie früher"
Die europäische Migrationspolitik hat sich auch nach den Revolten in der Region im Jahre 2011 nicht wesentlich geändert. "Die Logik ist die gleiche wie früher: Entwicklungshilfe wird von Europa an Sicherheitsfragen gekoppelt", erläutert Hassan Boubakri vom Tunesischen Zentrum für Migration und Asyl (Cetuma). So werde zum Beispiel auch Tunesien, dessen Wirtschaft seit der Revolution eingebrochen ist, von Europa beinahe gezwungen, den Bedingungen der Schengenstaaten zuzustimmen.
Ob die tunesische Regierung überhaupt so weitreichende Abkommen wie die Mobilitätspartnerschaft mit Europa unterschreiben darf, ist auch innerhalb des Landes sehr umstritten. Denn rund zwei Jahre nach dem Aufstand handelt es sich nach wie vor um eine Übergangsregierung, die sich primär um die neue Verfassung kümmern soll - erst 2014 ist mit Wahlen und dann auch einer legitimen, langfristig handelnden Regierung zu rechnen. Nur die wäre dann auch befugt, über die Zukunft der tunesischen Migrationspolitik zu entscheiden - eine Entscheidung, die weit über die Grenzen Tunesiens hinaus Spuren hinterlassen wird.