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Wen bombardiert die russische Luftwaffe?

1. Oktober 2015

Russland hat erstmals militärisch in den Krieg in Syrien eingegriffen. Nach russischer Darstellung beschossen die Jets Ziele der Terrormiliz IS in Hama und Homs. Die syrische Opposition widerspricht, die USA kritisieren.

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Schwere Zerstörungen nach einem russischen Luftangriff in der Stadt Talbisseh in der Provinz Homs (Foto: AFP)
Schwere Zerstörungen nach einem russischen Luftangriff in der Stadt Talbisseh in der Provinz HomsBild: Getty Images/AFP/M. Taha

Nach wochenlangen Spekulationen über eine russische Intervention in Syrien macht Kremlchef Wladimir Putin ernst. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau wurden bei 20 Luftangriffen acht Stellungen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) beschossen. Generalmajor Igor Konaschenkow sagte nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Interfax, Munitionsdepots und -Treibstofflager des IS sowie Kommandostellen im Gebirge seien vollständig zerstört worden. "Alle Attacken wurden nach den Daten der syrischen Armee durchgeführt", sagte er. Ziele in der Nähe von zivilen Objekten seien nicht angegriffen worden. Das Verteidigungsministerium veröffentlichte Videobilder des Einsatzes.

Dagegen teilte die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit, die bombardierten Gebiete stünden nicht unter IS-Kontrolle, sondern würden von gemäßigten Rebellen gehalten, die ein demokratisches Syrien aufbauen wollten. Nach Angaben der Aktivisten gibt es in der angegriffenen Region auch Stellungen der Nusra-Front, des syrischen Ablegers des Terrornetzwerks Al-Kaida, sowie der radikal-islamischen Gruppe Ahrar al-Scham. Chaled Chodscha, Chef der wichtigsten syrischen Oppositionsgruppe Syrische Nationale Koalition, sagte der Nachrichtenagentur AFP, bei einem russischen Luftangriff in der Provinz Homs seien 36 Zivilisten getötet worden. Russlands Ziel sei nicht die IS-Bekämpfung.

"Öl ins Feuer"?

US-Verteidigungsminister Ashton Carter sagte in Washington, es sehe nicht danach aus, dass die Angriffe Gebiete getroffen hätten, die von Dschihadisten gehalten werden. Er warf Moskau vor, mit dem militärischen Einsatz "Öl ins Feuer" zu gießen. "Das russische Vorgehen ist zum Scheitern verurteilt". Der amerikanische Außenminister John Kerry beschwerte sich über das russische Vorgehen bei seinem Kollegen Sergej Lawrow, wie ein ranghoher US-Beamter betonte. Bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York sagte Kerry, sollten sich die Luftangriffe gegen den IS richten, "sind wir bereit, diese Bemühungen zu begrüßen". Assad dürfe aber nicht gestützt werden.

Beim russischen Luftangriff zerstörte Häuser in der Stadt Talbisseh (Foto: AFP)
Beim russischen Luftangriff zerstörte Häuser in der Stadt TalbissehBild: Getty Images/AFP/M. Taha

Angesichts der Verärgerung der USA über die Luftangriffe sollen Militärvertreter beider Seiten schnellstmöglich zu einem Gespräch zusammenkommen. Dies erklärten die beiden Außenminister Kerry und Lawrow in New York. Entsprechende Beratungen könnten bereits am Donnerstag stattfinden. Sie sollen verhindern, dass sich die USA und Russland in Syrien versehentlich in die Quere kommen.

"Moskau muss für Aufklärung sorgen"

Auch der französische Außenminister Laurent Fabius sprach in New York von Hinweisen, dass nicht die IS-Miliz angegriffen werde. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte in New York zu den russischen Angriffen, bislang gebe es "keine wirklich belastbaren Hinweise über die Ziele und Methoden". Moskau müsse "schnellstmöglich für Aufklärung sorgen". Steinmeier forderte zudem eine Koordination der internationalen Anstrengungen im Kampf gegen den IS.

Aus China kam ebenfalls leise Kritik an den jüngsten russischen Luftangriffen. Die internationale Gemeinschaft dürfe in der Syrien-Frage nicht tatenlos zusehen, erklärte Außenminister Wang Yi bei dem Treffen in New York. Sie sollte sich aber auch nicht willkürlich einmischen. Diese Aussage kommt überraschend, denn bislang hatte sich die Volksrepublik in der Syrien-Frage meistens den russischen Positionen angeschlossen.

Präsident Wladimir Putin nannte die Intervention seines Landes den "einzigen Weg im Kampf gegen den internationalen Terrorismus". Russland werde die syrische Armee so lange unterstützen, bis diese ihren Kampf beendet habe. Er rechne mit der "Kompromissbereitschaft" von Präsident Baschar al-Assad bei der Beilegung der Krise. Die Regierung in Moskau ist einer der letzten Verbündeten Assads. Russland betreibt in Syriens Hafenstadt Tartus eine Militärbasis.

Kreml reagiert auf Assads Bitte

Der Föderationsrat in Moskau hatte Putin am Morgen einstimmig den Einsatz von Soldaten in Syrien erlaubt. Der Chef der Präsidialverwaltung, Sergej Iwanow, erklärte, der Einsatz von Bodentruppen sei aber "ausgeschlossen". Russland hatte in den vergangenen Wochen seine Militärpräsenz in Syrien massiv verstärkt. Neben Panzern, Kampfflugzeugen und Drohnen sollen auch mindestens 500 Soldaten dort stationiert worden sein.

Nach Kreml-Angaben fiel die Entscheidung auf Bitte von Syriens Staatschef Baschar al-Assad. In Damaskus bestätigte Assads Büro, die syrische Regierung habe russische Militärunterstützung angefordert. In einem Brief Assads an Putin sei auch um Flugzeuge für den Kampf gegen den "Terrorismus" gebeten worden.

kle/pab (afp, dpa, rtr)