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Politik

Wenig Wandel in Eritrea

Daniel Pelz
16. Juni 2020

Trotz aller Hoffnung auf Reformen: Eritrea gilt noch immer als Diktatur. Dennoch sollen Flüchtlinge mit den Behörden Kontakt aufnehmen, wenn sie ihre Familien nach Deutschland holen wollen. Für viele ein Problem.

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Registrierung von Flüchtlingen
Ein Flüchtling aus Eritrea in Deutschland (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/arifoto UG/M. Reichel

Am Anfang steht Hoffnung, am Ende oft Trauer. Zwar haben anerkannte Flüchtlinge das Recht, ihre Familien nach Deutschland zu holen. Für Flüchtlinge aus Eritrea ist das in der Praxis aber schwierig: 1645 Anträge für den sogenannten Familiennachzug haben die deutschen Botschaften in Äthiopien, Sudan und Kenia letztes Jahr erhalten. Sie sind zuständig, weil die deutsche Botschaft in Eritrea keine Visastelle hat. Aber nur 48 Prozent wurden genehmigt, wie aus einer Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht. Was im Vergleich schon eine positive Zahl ist: 2018 waren es knapp 38 Prozent.

Nicht die Schuld der Flüchtlinge, meint die linke Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke. "Ein zentrales Problem besteht darin, dass Eheurkunden von kirchlichen Gemeinden in den deutschen Visastellen systematisch unter Fälschungsverdacht gestellt werden. Anerkannte Flüchtlinge werden so dazu gezwungen, mit dem Verfolgerstaat Eritrea Kontakt aufzunehmen, um ihre Ehe nachregistrieren zu lassen. Das sind unsägliche Anforderungen, die schnellstens geändert werden müssen", so Jelpke im DW-Interview.

Keine Demokratie

Die Botschaften sehen sich dagegen im Recht. "Für deutsche Auslandsvertretungen gibt es aufgrund der Vielfalt der vorkommenden Urkundenformate keine verlässlichen Möglichkeiten, die formelle und inhaltliche Richtigkeit eritreischer religiöser Eheurkunden zu überprüfen", heißt es in der Antwort des Auswärtigen Amts an die Linke.

Besuch des eritreischen Präsidenten Isayas Afewerki in Äthiopien
Der Friedensschluss zwischen Äthiopien und Eritrea weckte die Hoffnung auf ReformenBild: picture alliance/AP Photo/M. Ayene

Das bedeutet: Flüchtlinge oder ihre Ehepartner müssen die Heirat im Zweifelsfall von einer Behörde in Eritrea anerkennen lassen. Dabei bewertet das Auswärtige Amt die Lage dort selber kritisch. "Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind nicht gewährleistet, das politische System ist repressiv. Es existiert keine freie Presse, die Zivilgesellschaft ist marginalisiert. Die Menschenrechte sind stark eingeschränkt", heißt es von dort.

Jahrelanger Militärdienst existiert noch immer

Auch der historische Frieden mit dem langjährigen Erzfeind Äthiopien hat daran nichts geändert. Dabei hatte Eritreas Regierung viele drakonische Maßnahmen mit der drohenden Kriegsgefahr gerechtfertigt. Zum Beispiel den berüchtigten Nationalen Dienst. Flüchtlinge sagen, dass der Dienst oft jahrelange Zwangsarbeit und körperliche Misshandlungen bedeutet. "Alle Eritreer müssen noch immer auf unbestimmte Zeit diesen Dienst ableisten", sagt Nicole Hirt, Eritrea-Expertin am GIGA-Institut in Hamburg.

Eritreas Regierung weist solche Darstellungen strikt zurück. Doch die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Noch immer fliehen die Menschen in Scharen. Rund 6000 Flüchtlinge kamen letztes Jahr pro Monat im Nachbarland Äthiopien an. Doch auch im Ausland hält Eritrea nach Meinung von Experten den Druck auf die eigenen Staatsbürger aufrecht. "Wenn jemand in Deutschland zur Botschaft geht, um Dokumente zu holen, wird die Person nicht körperlich bedroht. Aber es kann passieren, dass Druck auf Verwandte in der Heimat ausgeübt wird, oder die Person wird gezwungen, die sogenannte Diaspora-Steuer zu bezahlen", sagt GIGA-Expertin Hirt zur DW.

Deutschland | Symbolbild | Flüchtlinge in der Ausbildung
Zahlreiche Flüchtlinge aus Eritrea leben in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa/S. Gollnow

Laut der eritreischen Regierung müssen alle Staatsbürger im Ausland die Steuer in Höhe von zwei Prozent ihres Einkommens bezahlen. Die Botschaft Eritreas spricht auf DW-Anfrage von einem "Solidaritätsbeitrag". Allerdings bestätigt sie, dass Staatsbürger bestimmte staatliche Dienstleistungen nicht erhalten können, wenn sie die Steuer nicht bezahlen. 

"Die Erhebung der Aufbausteuer durch Eritrea verstößt nicht gegen deutsches Recht und erscheint nicht grundsätzlich unzumutbar", heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linken. Die Botschaft Eritreas in Berlin würde diese Steuer jedoch nicht eintreiben. Kritiker glauben das nicht.

Zudem heißt es, die Botschaften würden Flüchtlinge zur Abgabe sogenannter Reueerklärungen zwingen. Experten sagen der DW, die Flüchtlinge müssten darin einräumen, dass ihre Flucht illegal war und sie bei der Rückkehr ins Heimatland akzeptieren, bestraft zu werden. Auch das hält das Auswärtige Amt für unproblematisch: "Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass die Unterzeichnung der sogenannten Reueerklärung grundsätzlich die rechtliche Position der Unterzeichnenden verschlechtern würde oder Angehörige der Unterzeichnenden in Eritrea bei Unterzeichnung Repressalien ausgesetzt wären".

Die eritreische Botschaft in Berlin teilt auf DW-Anfrage mit, bei der Erklärung handle es sich um ein Formular der eritreischen Einreisebehörde, um illegale Migration zu verhindern. Es ziehe keine automatische Bestrafung nach sich.

Archivbild: Die Deutsche Botschaft in Nairobi, Kenia
Die Wartezeiten auf Termine bei den deutschen Botschaften in der Region ist oft langBild: imago stock&people/S. Spiegl

Die damalige UN-Menschenrechtsbeauftragte für Eritrea Sheila Keetharuth warnte dagegen 2016, die Erklärung gebe den Behörden einen "Blankoscheck", um die Rechte heimkehrender Flüchtlinge zu verletzen.

Langes Warten auf einen Termin

Doch mitunter stehen die Flüchtlinge und ihre Familien vor einem weit banaleren Problem. Schon ein Termin bei einer deutschen Vertretung in der Region ist eine Herausforderung. Die Botschaft in Eritrea hat keine Visastelle und bei den Vertretungen in den Nachbarländern kann es schon mal dauern. Die durchschnittliche Wartezeit auf einen Termin in der deutschen Botschaft in Äthiopien liegt bei 13 Monaten, im Sudan sind es zehn, in Nairobi sogar 14 Monate.

"Diese endlosen Wartezeiten müssen dringend verkürzt werden", fordert die linke Abgeordnete Ulla Jelpke im DW-Interview. Doch daran dürfte sich erst einmal wenig ändern. "Das Auswärtige Amt beobachtet die Wartezeiten aufmerksam und reagiert auf anhaltende Terminengpässe schnellstmöglich mit organisatorischen Maßnahmen und Personalverstärkungen", heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Und räumt dann ein: "Auslandsspezifische Besonderheiten können den Ausbau, die Anmietung oder den Ankauf von neuen Immobilien erschweren oder verzögern, die Entsendung von qualifiziertem, unter Umständen noch auszubildendem Personal erfordert längeren Vorlauf als Einstellungen im Inland."

Für eritreische Flüchtlinge und Familien heißt es in vielen Fällen also weiter: Warten und hoffen.