Weniger Flüchtlinge, weniger Asylanträge
16. Januar 2018Ein bisschen ist ihm im Vorfeld in die Parade gefahren worden. Aber Bundesinnenminister Thomas de Maizière lässt sich die gute Laune nicht verderben. Er wirkt sehr entspannt, als er zusammen mit der Präsidentin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Jutta Cordt, die Asylgeschäftsstatistik für das vergangene Jahr präsentiert. "Die Hauptprobleme sind im Griff", schickt er den Zahlen voraus.
Rund 68.000 Asylanträge werden derzeit geprüft. Damit liege das Niveau jetzt wieder auf dem Stand von 2013 - also bevor die große Zahl von Asylsuchenden aus den Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten und dem Balkan nach Deutschland gekommen ist. Durch eine anhaltend hohe Bearbeitungsrate im BAMF sei es gelungen, den hunderttausendfachen Rückstau der Anträge aus der Zeit vor 2016 zu reduzieren. 22.000 Verfahren aus dieser Zeit stehen noch zur Entscheidung aus. "Die Rückstände sind praktisch abgebaut", freut sich der CDU-Politiker.
Möglich sei das geworden durch den verstärkten Einsatz von Personal, besserer Organisation der Migrationsbehörde und die Verwendung neuer Computerprogramme. "Die neuen Asylverfahren werden durchschnittlich innerhalb von gut zwei Monaten abgeschlossen", rechnet Thomas de Maizière vor. Dadurch könne verhindert werden, dass im BAMF ein neuer Rückstau entstehe.
Auch die gesunkene Gesamtzahl der Asylsuchenden in Deutschland stimmt ihn zuversichtlich. 186.644 wurden im vergangenen Jahr registriert. 2016 waren es noch etwa 280.000 und 2015 sogar 890.000 Menschen, die Schutz beantragt haben. Die meisten von ihnen kommen, wie schon in den Jahren davor, aus Syrien, dem Irak und Afghanistan.
Für den Innenminister haben die Zahlen zu den Asylverfahren noch eine weitere angenehme Dimension: Sie liegen am unteren Ende des Zielkorridors von 180 bis 220.000 Verfahren, den die Unionsparteien in den Sondierungen mit der SPD für eine große Koalition abgesteckt haben. Kritisch merkte de Maizière mit Blick auf die schwierige Zusammenarbeit in der Europäischen Union, dass die deutschen Zahlen noch viel zu hoch seien. "Es gibt noch viel zu tun", unterstrich er.
Klageflut blockiert Gerichte
20,5 Prozent der Flüchtlinge werden in Deutschland nach den Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, weiter 16 Prozent erhalten einen eingeschränkten subsidiären Schutz. Etwa 40 Prozent der Anträge werden jedoch abgelehnt.
Viele der Betroffenen wehren sich auf gerichtlichem Weg dagegen. Jetzt wurde bekannt, dass 44 Prozent der angefochtenen Asylentscheidungen von Gerichten in der ersten Instanz für nicht rechtmäßig erachtet werden.
Das hat heftige Kritik von Wohlfahrtsverbänden und Oppositionspolitikern wegen einer mutmaßlich "restriktiven Entscheidungspraxis" nach sich gezogen. Entscheidet das Bundesamt für Migration zu schnell und zu hart, damit die Politik die passenden Ergebnisse präsentieren kann? "Hier werden Entscheidungen am Fließband produziert, die dem hohen Rechtsgut Asyl häufig nicht annähernd gerecht werden", meint Ulla Jelpke von der Bundestagsfraktion der Linken.
Probleme wandern vom BAMF zu den Juristen
Innenminister de Maizière und die Präsidentin des BAMF haben sich auf diese Vorwürfe vorbereitet. "Natürlich gibt es mehr Klagen, je mehr negative Entscheidungen wir treffen, aber über die Jahre gesehen ist die Klagequote gleich geblieben", stellt BAMF-Leiterin Jutta Cordt klar. Vor Gericht zeige sich, dass viele Urteile der ersten Instanz später wieder revidiert würden. Es treffe nicht zu, dass 44 Prozent, der Verfahren zuungunsten des BAMF ausgingen, betonte Cordt. "Wir obsiegen vor Gericht in 32 Prozent der Fälle und in 23 Prozent nicht, auch diese Quote hat sich über die Jahre nicht wirklich verändert." Der Rest der Fälle - es verbleiben noch 45 Prozent - werde nicht durch ein Urteil entschieden, sondern eingestellt. Überhaupt stelle man durch ein sorgfältiges Qualitätsmanagement sicher, dass die Asylentscheide solide seien, betont Cordt.
Thomas de Maizière sieht die Defizite, die früher bei den Sachbearbeitern des BAMF bestanden hätten, jetzt bei der Justiz verortet. "Das ist ein Flaschenhals, auf den die Länder inzwischen auch schon mit Neueinstellungen reagieren", sagt der Minister. Wieder ganz entspannt, denn das ist nicht mehr sein Zuständigkeitsbereich.