Wenn der "Postbot" die Briefe austrägt
31. Oktober 2017Der neue Kollege trägt Signalgelb mit schwarz, die Farben der deutschen Post. Er hilft der Postzustellerin Cindy Rexrodt bei ihrem Gang durch die kleinen Gassen der Altstadt des nordhessischen Bad Hersfeld. "Der ist eine echte Entlastung für mich, das merke ich auch an meinem Rücken", freut sie sich. Er ist der Starke, sie ist die Schlaue in dem Team aus Mensch und Roboter.
Seit drei Wochen machen sie nun ihre Tour zusammen. Sie kennt den Weg, die Briefkästen, Klingelschilder und die Kunden, er - die Post hat ihn Postbot getauft - fährt ihr auf seinen vier Reifen hinterher. Die Lithium-Ionen Batterien im Chassis sollen bis zu acht Stunden halten. "Bisher hat er immer durchgehalten", sagt sie.
Das Gerät habe auch sonst keine Schwierigkeiten bereitet, meint die 35-jährige Rexrodt. Dabei ist das Terrain schwierig genug. "Kopfsteinpflaster, Bordsteinkanten, jede Menge Hindernisse", kündigt die Postangestellte an. Sie streicht sich ihren langen blonden Pony aus der Stirn und drückt auf einen Knopf an der Stirnseite des Roboters. "Folgen" steht darunter.
Dann geht es zwischen Marktständen hindurch. Es ist naturgemäß eng. Der Postbot bleibt hinter der Zustellerin mit etwa einem Meter Abstand, ganz automatisch. Seine Fotosensoren haben dabei stets Rexrodts Beine im Blick. Deren Maße sind eingescannt und nur ihnen darf er folgen. Wenn die Zustellerin anhält, dann bremst er auch, und zwar wenn nötig ziemlich plötzlich. "Er ist mir noch nie auf die Hacken gefahren", bestätigt Rexrodt. Auch sonst ist das Gerät auf Zack: Als ein Passant ihm zu nahe kommt, macht er abrupt einen kleinen Schlenker.
Das Versprechen des Postbots: Sicher, zuverlässig und unermüdlich
Zur Sicherheit - es soll ja bitte nichts schiefgehen bei der Zukunftstechnik der Post - läuft noch ein zweiter Mitarbeiter des Unternehmens mit einer Fernsteuerung hinterher. Er könnte jederzeit eingreifen, wenn der Postbot außer Kontrolle gerät. Bisher sei das noch nicht der Fall gewesen, betont das Unternehmen. Das gilt auch für ein zweites automatisiertes Fahrzeug, das ebenfalls zu dem Feldversuch in Bad Hersfeld gehört.
Die Technik, die beide Roboter antreibt, kommt von einer französischen Firma, die sich vor knapp einem Jahr in einem Wettbewerb der Post für automatisierte Zustellwagen durchgesetzt hatte. Er kann das, was den Automaten im Allgemeinen schwer fällt: Sich unter Menschen bewegen, ohne an deren oft rätselhaften Bewegungsmustern zu scheitern. Seine Strategie ist es, vor allem defensiv zu sein. Mehr als sechs km/h darf er nicht fahren.
Und allein schon gar nicht. "Ich glaube nicht, dass wir in der Zustellung in absehbarer Zukunft ohne Menschen auskommen", sagt Thomas Kutsch, Regionalsprecher der Post für Nordhessen und Thüringen. Schon zu Beginn des Feldversuchs in Bad Hersfeld hat die Post betont, dass es nicht darum gehe, Ersatz für das menschliche Personal zu finden. Das Ziel sei Entlastung.
Die ist wahrscheinlich auch notwendig, um den Job als Zusteller attraktiv zu gestalten. Durchaus eine Herausforderung für das Logistikunternehmen. Die Verantwortung und der Arbeitsdruck sind hoch. "Es gibt eine ziemlich hohe Fluktuation bei den Zustellern", stellt Rolf Bauermeister von der Gewerkschaft Verdi fest. Die Mitarbeiter der Post würden den Roboter nicht als künftige Konkurrenz einschätzen. Dazu sei auch der ganze Vorgang der Zustellung zu komplex. "Von der Seite sehe ich da kein Problem", sagt Bauermeister.
Eine elektronisch unterstützte Transportkarre mit virtueller Deichsel - und Zukunft
Auch die Stadtverwaltung Bad Hersfeld beobachtet mit großem Interesse, wie sich der Transportroboter im alltäglichen Kontakt mit dem Geschehen auf der Straße hält. "Wir haben ihn als elektronisch unterstützte Transportkarre mit virtueller Deichsel zugelassen", erklärt Meik Ebert - er ist Referent des Bürgermeisters. Die Stadt hat eine Ausnahmegenehmigung für vier Monate erteilt und nutzt den Roboter selbst zum Aktentransport zwischen ihren Verwaltungsstandorten.
Cindy Rexrodt geht inzwischen die Weinstraße hinunter, dann hält sie vor einer Buchhandlung. Der Postbot stoppt, sie öffnet die Flügeltüren an der Seite. Drinnen stehen sauber aufgereiht gelbe Plastikkörbe mit Sendungen. Das Gefährt schleppt bis zu 150 Kilogramm Nutzlast. "Auf meinem Lastenfahrrad kann ich vielleicht um die 40 - 50 Kilogramm transportieren", erklärt die Zustellerin. Sie fischt ein Päckchen Briefe heraus, schließt den Postbot wieder und geht in das Geschäft. Am Sockel des wartenden Fahrzeugs leuchtet jetzt eine rote LED-Leiste.
Die Bad Hersfelder mögen den Postbot
Der Postbot erweist sich als ein echter Hingucker in der Bad Hersfelder Fußgängerzone. Die Passanten bleiben vor ihm stehen. Vom Marktplatz kommt eine Gruppe von Kindern mit einer Erzieherin die Straße herunter. Kleine Händchen streichen über die glatte abgerundete Oberfläche des Transportaufsatzes. Eine Frau lässt ihren Hund an den Rädern schnüffeln. "Den interessiert alles, was mit der Post zu tun hat", sagt sie.
Dann ist Cindy Rexrodt wieder zurück, tippt auf den "Folgen"-Knopf und bringt ihre Zustelltour zu Ende. Drei Wochen darf sie ihrem mechanischen Helfer noch den Weg zeigen. Dann ist der Postbot-Versuch zu Ende. Die Zustellerin lächelt entspannt bei ihrem Gang durch die Fußgängerzone. Sie fände es gut, wenn der Postbot nicht nur ein Prototyp bliebe.