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Wer sind die Bärenfavoriten?

Jochen Kürten14. Februar 2014

Der Wettbewerb der 64. Berliner Filmfestspiele neigt sich dem Ende zu, die Kandidaten für einen Goldenen Bären sind rar gesät. Auf das vielversprechende erste Wochenende folgten nur wenige Überraschungen.

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Filmszene aus dem chinesischen Film "Wu Ren Qu" (Foto: Berlinale)
Bild: China Film Company

Filme aus China und von spanisch-sprachigen Regisseuren beherrschten die zweite Hälfte des Bärenrennens. Nachdem der Wettbewerb um den Goldenen und die Silbernen Bären zu Beginn auf Kino aus Hollywood und Deutschland gesetzt hatte, öffnete sich der Blick in der zweiten Berlinale-Hälfte. Filmnationen aus ferneren Kontinenten stellten sich vor, hierzulande weniger bekannte Regisseure aus Asien und Lateinamerika wandelten über den roten Teppich.

"Spiel mir das Lied vom Tod" auf Chinesisch

Als wäre der Altmeister des italienischen Italowestern Sergio Leone aus dem Grab auferstanden - so präsentierte sich der chinesische Beitrag "Wu Ren Qu" ("No Man's Land"). Einen Anwalt aus der Stadt verschlägt es in die Weite chinesischer Wüstenlandschaften, wo er sich mit schmierigen Gangstern aus der Unterwelt auseinanderzusetzen hat. Panoramalandschaften und pompöse Musik, Gewaltexzesse und immer wieder überraschende Wendungen in der Handlung: Regisseur Ning Hao lehnt sich ganz bewußt an Italo-Western-Vorbilder an.

Auch Ning Haos Landsmann Lou Ye spielt mit Genremustern, doch setzt er diese wesentlich behutsamer ein. In "Tui Na" ("Blind Massage") geht es um die Bewohner eines Blindenheims, die ihr Geld als Masseure verdienen. Dezente Anspielungen auf den Wandel innerhalb der modernen chinesischen Gesellschaft und der Versuch, sich ernsthaft in die Welt blinder Menschen hineinzuversetzen, machen "Tui Na" zumindest zu einem akzeptablen Wettbewerbsbeitrag.

Filmszene aus dem chinesischen Film "Tui Na" (Foto: berlinale)
Leben im Dunkeln - die Menschen in "Tui Na" müssen sich mit ihrem Tastsinn orientierenBild: Travis Wei

Enttäuschendes aus Lateinamerika

Der in diesem Jahr zu registrierende fast völlige Verzicht auf Regisseure aus Mittel- und Osteuropa kam den Filmemachern aus Lateinamerika zugute. Celina Murga (Argentinien) stellt in "La Tercera Orilla" ("The Third Side oft the River") einen Heranwachsenden in den Mittelpunkt der Handlung. Dieser versucht aus den starren Mustern patriarchalischer Erziehung auszubrechen. Ein zwar genau beobachtender und daher durchaus sympathischer Film, der beim Zuschauer aber wegen seiner sehr zurückgenommenen Dramaturgie kaum Spannung aufkommen lässt.

Filmszene aus "Aloft" mit Cillian Murphy (Foto: Berlinale)
"Aloft": internationale Besetzung, hier Cillian Murphy, im Film von Claudia LlosaBild: Allen Fraser / Cry Fly Manitoba Inc.

Die zuvor hochgehandelte peruanische Regisseurin Claudia Llosa, die 2009 mit "La teta asustada" ("Eine Perle Ewigkeit") überraschend den Goldenen Bären gewonnen hatte, verhebt sich in ihrer mit Hollywood-Stars inszenierten internationalen Co-Produktion "Aloft". Zwar kann der Film mit kraftvollen Bildern nordkanadischer Winterlandschaften prunken, die Geschichte, die Claudia Llosa erzählt, ist in ihrer esoterischen Verschrobenheit aber kaum zu überbieten. "Aloft" ist ein typisches Beispiel für die fatale Tendenz, wenn junge, begabte Regisseure den Verlockungen eines großen Budgets erliegen, mit internationalen Stars arbeiten können, dabei aber ihre kulturellen Wurzeln vergessen.

Hollywood & Deutschland

Aus Norwegen und Griechenland kam schwarzhumoriges Kino, das im Wettbewerb für ein paar unterhaltende Stunden sorgte - als große, erinnerungswürdige Filmkunst werden aber auch diese Beiträge nicht haften bleiben.

Wie ist er also, der Berlinale-Jahrgang 2014? Wer darf sich Chancen auf den Goldenen und die Silbernen Bären ausrechnen? Der fulminante Eröffnungsfilm "The Grand Budapest Hotel" von Wes Anderson auf jeden Fall und - für manche überraschend, die deutschen Beiträge. Insbesondere das vor allem ästhetisch bezwingende Religionsdrama "Kreuzweg" überzeugte hier viele Kritiker.

Und dann war da noch ein Film, der neben den spektakulären Hollywoodwerken, zu denen ja auch der verunglückte "Monuments Men" zählte, neben dem mit viel Beachtung aufgeführten Skandalfilm "Nymph()maniac" von Lars von Trier und den heimischen Produktionen, die traditionell viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ein wenig in Vergessenheit geriet. Ein Film, der aber, so das überwiegende Urteil der Kritik, als Bärenanwärter gelten darf. "'71" des jungen Briten Yann Demange lief schon zu Beginn des Berlinale-Wettbewerbs - und blieb doch nachhaltig in Erinnerung.

Berlinale-PK des Films `71 mit den Darstellern Barry Keoghan, Charlie Murphy, Jack O'Connell, Regisseur Yann Demange und Schauspieler David Wilmot (v.l.) (Foto: Ian Gavan/Getty Images)
"'71"-Regisseur Regisseur Yann Demange (zweiter von r.) mit seinen Darstellern in BerlinBild: Getty Images

Politkino im besten Sinne

"'71" ist ein rasant inszenierter Film über den Nordirland-Konflikt: Ein britischer Soldat gerät zwischen die Fronten eines unbarmherzigen Konflikts, zwischen Katholiken und Protestanten, zwischen Hardliner und Falken. Politisches Kino im besten Sinne, dicht inszeniert, differenziert in der Personenzeichnung. Ein Film über die Sinnlosigkeit des Krieges, über die Menschen, die in eine Spirale der Gewalt und Hoffnungslosigkeit geraten, aus der sie kaum noch unbeschadet herausfinden. Ein Goldener Bär für "'71", einen der wenigen ästhetisch und inhaltlich überzeugenden Wettbewerbsbeiträge, wäre eine gute Entscheidung.