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Portugal: Sorgen um die Schulden

Jochen Faget, Lissabon11. Februar 2016

Kurswechsel in Lissabon: Statt auf weiteres stures Sparen setzt die neue Regierung auf mehr Geld für die Bürger, um die Dauerkrise zu lösen. Die Gläubiger sehen die Entwicklung eher kritisch.

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Portugal Arbeitslosigkeit Protest Jugendarbeitslosigkeit
Bild: picture-alliance/dpa

In den kommenden Jahren, von 2016 bis 2019, muss Portugal insgesamt rund 43 Milliarden Euro Schulden zurückzahlen - an den IWF, an Europa und an private Gläubiger. Vor allem die haben Angst um ihr Geld, aber auch die Europäische Kommission meldete Bedenken an. Portugals Haushalt für 2016 sei hart an der Grenze. Das Land gebe gefährlich viel Geld aus und laufe Gefahr, erneut den Stabilitätspakt zu verletzen. Also: Wer soll das bezahlen?

"Ich verstehe die ganze Aufregung nicht", wundert sich der Wirtschaftsprofessor José Maria Castro Caldas von der Universität Coimbra. "Diese Schulden werden so bezahlt, wie alle anderen Schulden bisher - durch neue Schulden." Portugal könne sich, seit es den Rettungsschirm verlassen hat, relativ günstig an den internationalen Märkten mit Geld versorgen, kurzfristig sogar mit Negativ-Zinsen. Daran dürfte sich in nächster Zeit nichts ändern. Eine Art Umschuldung sei also kein Problem.

Jose Maria Castro Caldas Wirtschaftler
José Maria Castro Caldas, Ökonom von der Universität Coimbra, meint, das Sparen sei vorbei.Bild: DW/J. Faget

Ende der Politik des Sparens?

Für einen Schuldenabbau dagegen sieht Castro Caldas keinen Raum. Die von der Regierung angekündigte Wiederherstellung der Kaufkraft und das versprochene Stopfen der größten Löcher im sozialen Netz gäben das nicht her. Ein Kurswechsel finde statt, schließlich habe die neue sozialistische Regierung das Ende der Sparpolitik versprochen. Das forderten die Linksparteien, die die Regierung im Parlament stützen, jetzt ein. Weder mit den Kommunisten, noch mit dem populistischen Linksblock sei weiter Austerität zu machen.

"Wir müssen uns noch auf sehr viele Jahre Sparen einstellen", sagt dagegen Aurora Teixeira von der Universität Porto. Nur so könne das Land seine finanziellen Verpflichtungen erfüllen. Dazu gehört auch die Rückzahlung von fast sieben Milliarden Euro für Staatsanleihen in diesem Jahr. Ein Posten, der bis 2019 dramatisch auf mehr als das Doppelte ansteigen wird. "Machbar", meint die Wirtschaftsprofessorin. Sogar Luft für einen leichten Schuldenabbau sei drin. Wenn die Wirtschaft zuhause und vor allem in den Partnerländern so wächst, wie erwartet. Mit sehr viel Haushaltsdisziplin. Aber zu der habe sich die Regierung ja ausdrücklich bekannt, darum gleiche sie jetzt soziale Verbesserungen durch höhere indirekte Steuern, zum Beispiel beim Benzin und bei den Banken, aus. "Es wird dauern, aber Portugal kann und wird seine Schulden bezahlen und steht zum Stabilitätspakt."

Aurora Teixeira Wirtschaftsprofessorin
Die Wirtschaftsprofessorin Aurora Teixeira aus Porto warnt, Portugal werde noch lange sparen müssen.Bild: DW/J. Faget

Mehr Wachstum durch mehr Geld

Eine Lösung mit Europa, nicht gegen Europa wolle er für sein Land finden, versichert Portugals Ministerpräsident Jorge Costa derweil immer wieder. Sparen nur um des Sparens Willen dürfe jedoch nicht dazu gehören. Also hat er seinem Parlament und der EU einen Haushalt vorgelegt, der sehr großzügig mit Wachstumszahlen und Staatseinnahmen umgeht. Die teilweise Rücknahme von Lohn- und Rentenkürzungen soll Geld in die Wirtschaft pumpen. Erst nach mehrmaligem Nachbessern, sprich Steuererhöhungen, gab Brüssel grünes Licht. Unter dem Vorbehalt, im Frühjahr nötigenfalls korrigierend einzugreifen. Prompt wurden die Märkte nervös. Und noch nervöser, weil die Regierung die 35-Stunden-Woche im Staatsdienst wieder einführt und den Mindestlohn bis 2019 auf 600 Euro erhöhen will.

"Wenn in einem Land die Linke an die Regierung kommt, reagieren die Gläubiger immer verstört", stellt João Duque schmunzelnd fest. Schließlich müsse diese Regierung ja ihre Klientel bedienen. Im Fall Portugals - und weil es eine Minderheitsregierung sei - auch noch die Klientel der Kommunisten und des Linksblocks. Er sehe trotzdem keinen Grund zur Sorge. Portugal dürfe nur nicht das Vertrauen der Gläubiger aufs Spiel setzen. Der Versuch, mehr Wachstum durch mehr Geld zu schaffen, sei legitim, der Spielraum im Haushalt groß genug, versichert der Professor an der Lissabonner Wirtschaftsuniversität ISEG: "Mittel- und langfristig kann Portugal sich mit Geld um die drei Prozent Zinsen versorgen, das ist ausreichend." Nicht zuletzt, weil das endgültige Abbezahlen der Staatsschulden Generationen dauern werde.

Sitz der Sozialistischen Partei Portugal
Sitz der Sozialistischen Partei Portugals. Hier wurde die neue Haushaltspolitik entworfen.Bild: DW/J. Faget

Problem der Zinsen

Problematisch sei für Portugal vor allem der Schuldendienst: Allein in diesem Jahr schlügen die Zinsen mit stolzen acht Milliarden Euro zu Buche; der größte Haushaltsposten, noch vor Löhnen oder Sozialkosten. Trotzdem werde Portugal seine Schulden aber bezahlen, auch wenn es wahrscheinlich die Zinsbedingungen gern nachverhandeln wolle. Kein Wunder, denn ein solcher Betrag in die Wirtschaftsförderung gesteckt, würde alle Probleme auf einen Schlag beheben, scherzt Wirtschaftsprofessor Duque.