Ölkatastrophen und ihre Folgen
29. April 2010Der Ölteppich wächst und bedroht die Küste der US-Bundesstaaten Louisiana, Mississippi, Alabama und Florida. Bisher gelingt es den Verantwortlichen nicht, den Austritt des Öls aus den Lecks in 1600 Metern Tiefe zu stoppen. Auch deswegen erinnert der Fall der "Deepwater Horizon" fatal an den sogenannten 'Blow Out' einer mexikanischen Bohrinsel vor fast 31 Jahren.
Blick zurück - der Fall "Ixtoc 1"
Am 3. Juni 1979 explodiert rund 80 Kilometer vor der Küste der mexikanischen Halbinsel Yucatan die in Brand geratene Bohrplattform "Ixtoc 1". Sie war im Besitz des staatlichen mexikanischen Ölkonzerns Pemex, der zu den zehn größten Ölgesellschaften weltweit gehört. Der Ozean unter der explodierten Bohrinsel war nur etwas mehr als 50 Meter tief, aber der Kampf gegen die Ölpest dauerte trotzdem quälend lange zehn Monate.
Alle Versuche, unter Wasser ein neues Sicherheitsventil anzubringen, schlugen fehl. Über der Wasseroberfläche gelang es den Spezialisten nicht, das unkontrolliert und ständig nachsprudelnde Öl abzuschöpfen. Anfängliche Versuche, den wachsenden Teppich mit Chemikalien zu zersetzen oder durch schwimmende Barrieren aufzuhalten, schlugen fehl.
Keine Verantwortung, kein Schadensersatz
Die "Ixtoc 1" spuckte jeden Tag bis zu eine halbe Million Liter Rohöl ins Meer. Es entstand ein Teppich von mehreren hundert Kilometern Länge, der nach zwei Monaten auch die texanische Küste erreichte. Erst am 23. März 1980 gelang es den Verantwortlichen, das Leck mit Zement abzudichten. Bis dahin hatten rund 480.000 Tonnen Rohöl den Golf von Mexiko verseucht. Obwohl das staatliche Unternehmen Pemex für die explodierte Bohrinsel verantwortlich war, lehnte die mexikanische Regierung alle Schadensersatzforderungen von amerikanischer Seite ab.
Niemals zuvor konnte so viel Öl ins offene Meer gelangen. Aber im Gegensatz zu schweren Tankerunglücken verseuchte das Öl nicht binnen kürzester Zeit den Golf von Mexiko, sondern über einen langen Zeitraum von rund zehn Monaten hinweg. Der größte Teil blieb draußen auf dem Meer und erreichte die Küsten nicht - das warme Wasser, die Sonneneinstrahlung und Mikroben sorgten 'offshore' für die Zersetzung des Öls.
Blick zurück - der Fall "Exxon Valdez"
Vermutlich deswegen spielt die Explosion der "Ixtoc 1" heute in der Wahrnehmung auch eine weniger wichtige Rolle als die Katastrophe der "Exxon Valdez". Die Havarie des Tankers gilt als die bisher folgenschwerste Ölpest in den USA. Am 24. März 1989 strandete die "Exxon Valdez" nach einem schweren Navigationsfehler vor der Küste Alaskas im "Prince- William-Sund". Mehr als 40.000 Liter Öl traten aus und verseuchten rund 2000 Kilometer Küste des US-Bundesstaates Alaska. Viele Hunderttausend Fische und Säugetiere, vor allem Seevögel und Fischotter, starben qualvoll. Bis heute findet man in den kalten Gewässern im Süden Alaskas Rückstände der Ölpest.
Der Fall der "Exxon Valdez" zeigt auch exemplarisch, wie schwierig es ist, Menschen für die Folgen einer Ölkatastrophe verantwortlich zu machen. Die Eignerin des Tankers, die US-Ölfirma "Exxon Mobil", investierte zwar große Summen in die Aufräumarbeiten. Aber der Konzern wurde von einer Jury in Anchorage auch zu einer Schadensersatzzahlung von 2,5 Milliarden Dollar verurteilt. Im Juni 2008, also fast 20 Jahre später, verringerte der Oberste Gerichtshof der USA diese Strafe allerdings auf rund 507 Millionen US-Dollar.
Blick zurück - der Fall "Erika"
In Europa weigert sich der französische Erdölkonzern "Total" bis heute, die Verantwortung für die Folgen einer verheerenden Tanker-Havarie im Golf von Biskaya zu übernehmen. Dort geriet im Dezember 1999 der altersschwache und angerostete Öl-Tanker "Erika" in einen schweren Sturm, brach auseinander und sank.
Rund 20.000 Tonnen Schweröl liefen aus. In den folgenden Wochen breitete sich vor der Küste der Bretagne im Nordwesten Frankreichs ein riesiger Ölteppich aus und verschmutzte rund 400 Kilometer Küste. Wie zehn Jahre zuvor in Alaska verendeten auch hier viele Hunderttausend Vögel und Meerestiere qualvoll. Im ersten Verfahren ist der Ölkonzern "Total", der die marode "Erika" gechartert hatte, neben weiteren Angeklagten zu einer Geldstrafe von 375.000 Euro verurteilt worden. Das Berufungsgericht in Paris hat die Strafe im April 2010 bestätigt. Jetzt will "Total" vor den obersten französischen Gerichtshof ziehen.
Wer zahlt für "Deepwater"?
Die nun am 20. April 2010 im Golf von Mexiko explodierte und gesunkene Plattform "Deepwater Horizon" gehört dem US-Unternehmen "Transocean" und wird von "BP" (British Petrol) betrieben. "BP" gilt gleichauf mit "Shell" als größter europäischer Ölkonzern. "Transocean" ist das größte Offshore-Bohrunternehmen der Welt. Wer in welchem Umfang die Verantwortung für die Folgen der Ölpest übernehmen wird, werden wohl erst die nächsten Jahre und Jahrzehnte zeigen.
Autorin: Sandra Petersmann (mit dpa, rtr, afp, ap)
Redaktion: Nicole Scherschun