Gespannter Blick nach Skopje
29. September 2018Noch nie haben so viele führende westliche Politiker die mazedonische Hauptstadt Skopje besucht wie in diesem September. Sie alle kamen, um die Regierung vor dem Referendum am 30. September zu unterstützen. Die Bürger sollen befragt werden, ob sie für einen EU- und NATO-Beitritt ihres Landes sind und ob sie der Umbenennung ihres Landes in Nord-Mazedonien zustimmen.
Im Juni 2018 hatten der griechische Regierungschef Alexis Tsipras und sein mazedonischer Amtskollege Zoran Zaev am Prespasee an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien verkündet, man habe sich auf den Staatsnamen Nord-Mazedonien geeinigt. Zwischen Athen und Skopje hatte seit 1991 ein Streit um die Nutzung des Namens Mazedonien bzw. Makedonien getobt. Damals wurde die bisherige jugoslawische Teilrepublik unabhängig und gab sich den Namen Mazedonien. Griechenland befürchtete Ansprüche Skopjes auf das antike kulturelle Erbe der historischen Region Makedonien, aber auch auf die heutige gleichnamige griechische Region Makedonien. Daher blockierte Athen alle EU- und NATO-Bestrebungen Skopjes. Sollten die Bürger den neuen Staatsnamen billigen, wäre für das Land der Weg in EU und NATO frei.
Vorwürfe gegen Moskau
US-Verteidigungsminister James Mattis, der im September in Skopje war, warf Russland vor, den Ausgang des Referendums beeinflussen zu wollen. Für ihn gibt es keinen Zweifel, dass Moskau Mittel für eine "breite Kampagne zur Einflussnahme" auf die Bewohner des Landes bereitgestellt habe. Moskau, das kein Interesse an einer Annäherung Mazedoniens an EU und NATO hat, wies dies zurück. Außenminister Sergej Lawrow sagte, Vertreter der westlichen Länder würden sich in die inneren Angelegenheiten Mazedoniens einmischen, indem sie sich für das Prespa-Abkommen einsetzen.
Im Sommer wurden auch aus Griechenland und Mazedonien selbst Vorwürfe gegen Moskau laut. Premier Zaev beschuldigte den griechisch-russischen Unternehmer Ivan Savvidis, in Mazedonien politische Bewegungen zu finanzieren, um vor dem Referendum Gewaltakte und Unruhen zu organisieren mit dem Ziel, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Der Vorwurf, das Abkommen zwischen Griechenland und Mazedonien verhindern zu wollen, war auch der Grund für die Ausweisung zweier russischer Diplomaten aus Griechenland im Juli 2018.
Sorge um Wahlbeteiligung
Umfragen zufolge lagen die Befürworter eines Beitritts Mazedoniens zur EU und NATO noch bis vor kurzem mit 57 Prozent vorn. Doch nur eine Woche vor der Abstimmung sprach sich der Präsident des Landes Gjorge Ivanov gegen die Volksbefragung aus. Auch Politiker der Oppositionsparteien fordern einen Boykott. Laut westlichen Diplomaten erscheinen bei Facebook täglich bis zu 40 Seiten, auf denen die Mazedonier aufgefordert werden, nicht zum Referendum zu gehen; das berichtet die "New York Times". Die Diplomaten, so die Zeitung, würden den Kreml verdächtigen, die Kampagne zu finanzieren.
Dušan Reljić, Experte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), sagte der Deutschen Welle, die Befürworter des Referendums müssten sich durchaus Sorgen machen. "Es müssen 50 Prozent der Wahlberechtigten zum Referendum gegen, das sind 900.000 Menschen" so Reljić. Mazedonien hat eine Bevölkerung von rund zwei Millionen, von denen aber ein Teil im Ausland lebt. "Deswegen wird das größte Hindernis für Zaev sein, die notwendig Teilnahme am Referendum zu erreichen", so der Experte.
Worin sieht Moskau ein Problem?
Reljić zufolge hat die EU und an erster Stelle Deutschland einen Anteil von 80 Prozent am mazedonischen Außenhandel. Deutsche Unternehmen hätten in Mazedonien vor allem in der Automobil-Zuliefererindustrie investiert. Die meisten Ölraffinerien und Stahlwerke würden britischen und griechischen Unternehmen gehören. "Die Region ist wirtschaftlich, politisch und in jeder anderen Hinsicht zutiefst mit der EU integriert und hat wirtschaftlich sehr wenig mit Russland zu tun", so der Experte. Das eigentliche Problem für Russland sei die NATO, von der sich Moskau aus der Region politisch verdrängt sehe.
Auch der Direktor des russischen Instituts für regionale Probleme, Dmitrij Schurawljow, meint, im Gegensatz zu einem EU-Beitritt Skopjes sei ein möglicher NATO-Beitritt Mazedoniens für Russland ein wirkliches Problem, weil Moskau "keine eigene Allianz" habe. "Der Versuch, die NATO zu erweitern, wird als Versuch wahrgenommen, das Gleichgewicht zu stören", so der Experte.
Eine NATO-Mitgliedschaft und die Aussicht auf einen EU-Beitritt sind aber Dušan Reljić zufolge aus westlicher Sicht wichtig. "Mazedonien ist ethnisch geteilt - in eine große albanische Minderheit, mindestens ein Drittel, und in eine slawisch-mazedonische Mehrheit." Die albanische Minderheit lebe an der Grenze zu Kosovo und Albanien, zwei Ländern, in denen auch Albaner lebten. Die "Schaffung eines größeren albanischen Staates in der Region" würde, so Reljić, zu einer Destabilisierung nicht nur Mazedoniens, sondern der Region insgesamt führen. "Mit dem Beitritt zur NATO erhofft der Westen, dass die Region endgültig mehr Stabilität gewinnt."