"Marokko hat sich selbst isoliert"
27. Mai 2013DW: Was ist das Kernproblem in den aktuellen Diskussionen um die Westsahara?
Mohammed Salem Ould Saleck: Senegal wollte - mit Unterstützung einiger weiterer französischsprachiger Länder - hier (Anm. d. Red.: beim Jubiläum der Afrikanischen Union in Addis Abeba) nicht über die Westsahara-Frage diskutieren. Dafür hat das Land zwei Argumente angeführt: Erstens, dass diese Frage in den Händen der Vereinten Nationen liegt, und zweitens, dass es bei den Feiern zum 50. Geburtstag der Afrikanischen Union (AU) keine Themen geben sollte, die uns spalten können.
Marokko ist hier in Addis Abeba vertreten, nimmt aber nicht an der Konferenz teil. Man weiß, dass Marokko zurück in die AU will. Was halten Sie davon?
Marokko ist herzlich willkommen und hat hier seinen Platz. Wir verstehen nicht, warum Marokko mit uns unter der Federführung der Vereinten Nationen diskutiert, und nicht unter der der afrikanischen Familie. Eines Tages wird Marokko an unserer Seite sitzen, das weiß ich. Marokko hat sich isoliert, ist als einziges afrikanisches Land nicht Mitglied der AU und wir warten ungeduldig darauf, dass es vielleicht eines Tages in die afrikanische Familie zurückkehrt. Dann muss es natürlich die Prinzipien der AU respektieren, dazu gehören die Anerkennung der Grenzen, die wir aus der Kolonialzeit geerbt haben, und das Prinzip der Selbstbestimmung der Völker.
Der internationale Gerichtshof hat 1975 festgestellt, dass Westsahara vor der spanischen Kolonialherrschaft nicht zu Marokko gehört hatte. Damit ist Marokko eine Besatzungsmacht, hat keinerlei Anspruch auf Westsahara. Mit der Einnahme und der militärischen Besatzung eines Teiles der Demokratischen Arabischen Republik Sahara hat sich Marokko isoliert und sich selbst ausgeschlossen. Wir hoffen, dass Marokko das Blatt wendet, zur Besinnung kommt und in die afrikanische Familie zurückkehrt. Dort ist sein Platz.
Der marokkanische Außenminister hat bekräftigt, dass sein Land Westsahara nicht anerkennen wird und lehnt es ab, sich mit Westsahara an einen Tisch zu setzen.
Ich weiß nicht, wie lange Marokko diese Politik verfolgen wird. Das kommt das Land auf jeden Fall teuer zu stehen und das schafft Hindernisse für die Union des Arabischen Maghreb. Denn die Besatzung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara ist der einzige Stolperstein vor dieser maghrebinischen Konstruktion. Marokko kann nicht so weiter machen. Es ist übrigens schlecht angesehen, dass sich ein afrikanisches Land zur Kolonialmacht eines anderen afrikanischen Landes erklärt.
Hinter den Kulissen hört man, dass Westsahara die AU verlassen müsste, falls sich Marokko zu einer Rückkehr in die Organisation entschließen sollte. Was sagen Sie dazu?
Das ist inakzeptabel. Das ist unmöglich.
Mohamed Salem Ould Saleck ist Außenminister der "Demokratischen Arabischen Republik Sahara". Unter diesem Namen hatte die Bewegung Frente Polisario 1976 Westsahara für unabhängig erklärt.