Klimastress: Wälder geschädigt, Felder ausgetrocknet
27. April 2020Zack, zack. Das heftige Doppelgeräusch dauert den Bruchteil einer Sekunde, und schon liegen sie quer über dem Weg. Ich stehe da mit offenem Mund. Staunend. Etwa 30 Meter vor mir sind gerade nahezu zeitgleich zwei mächtige, ca. zwölf Meter hohe Buchen zu Boden gekracht. Mitsamt der flachen, breiten und vertrockneten Wurzeln aus der Bodenverankerung gerissen. Einfach so. Stämme und Blätter zeigen keine sichtbaren Anzeichen von Schwäche, und doch folgten sie mit letztem Elan den benachbarten Fichten, die dem Borkenkäfer-Tod längst erlegen und in Sägewerken geschreddert werden. Heinz Hobmeier besitzt einen Wald. Von seinem Haus in Niederbayern schaut er direkt auf den Hang mit seiner jüngsten wechselvollen Geschichte: Seine Vorfahren pflanzten Fichten. Sie brauchen 80, 90 Jahre zur Reife und wachsen damit schneller als andere Nadelgehölze, bringen schneller Ertrag. Doch Fichten-Monokulturen sind anfällig gegen Sturm, Hitze, Trockenheit und Borkenkäferbefall.
Seit die kalten Winter ausbleiben, vermehren sich die Schädlinge. Ganze Borkenkäfer-Armeen bohren sich in die Fichtenstämme, legen ihre Eier ab. Die Larven zerstören danach die Bastschicht und blockieren die Nährstoffzufuhr der Bäume. Sie sterben ab.
Laut Waldzustandserhebung befinden sich viele Bäume infolge von Stürmen, der anhaltenden Dürren und Hitzeperioden 2018 und 2019 im Dauerstress. Sie werfen grüne Nadeln ab, Blätter nehmen mitten im Sommern braune Herbstfärbung an und vertrocknen.
Die Vision vom Wald mit Nachhaltigkeitsfaktor
Waldbesitzer Heinz Hobmeier sucht seit 15 Jahren seine Bäume regelmäßig nach Borkenkäfern ab und entfernt befallene Stämme.Der Wald bedeutet ihm sehr viel: "Er ist Einnahmequelle, wichtig für Naturschutz,Klimaschutz, Biodiversität, liefert Sauerstoff, dient der Luftfilterung, der Ernährung von Lebewesen und garantiert Erholung. Ich spüre durch ihn eine Verbundenheit mit meiner Familie, meiner Heimat und auch eine Verpflichtung, ihn für die Nachwelt zu pflegen und zu erhalten."
Vor einem Jahr musste Hobmeier den gesamten Fichten-Bestand fällen wie andere Waldbauern auch. Dadurch fiel der Preis massiv: Aktuell gibt es keinerlei Absatzmöglichkeiten für Lagerholz. Vor 10 Jahren hatte er bis 110 Euro pro Festmeter bekommen, das entspricht einem Kubikmeter ohne Zwischenräume. Ende letzten Jahres erhielt er 50 bis 60 Euro für gesundes Holz. Für Schadholz zahlte der Markt damals noch 35 Euro.
"Natürlich könnte ich jetzt über den Schaden jammern oder mich hilflos und ausgeliefert fühlen", schrieb er seinen Freunden. "Ich möchte das Beste daraus machen und aktiv meinen Teil dazu beitragen, dass der Wald wächst und erhalten bleibt." Hobmeier hatte viel über nachhaltige Bewirtschaftung gelesen, sich beraten lassen. Auf dem Stück, dass er sich selbst überließ, sprießen Birken und natürlich gewachsene Fichten.
Er experimentierte mit Baumhasel, die in der Türkei und Afghanistan gedeiht, mit Maronen und Edelkastanien. Außerdem bestellte er für seinen "Testwald": Wild-Kirschen, Linden, Amber, Stieleichen, Robinien, Speierlinge und diverse Wildsträucher. Insgesamt 500 Setzlinge. "Abgestimmt auf die Bodenbeschaffenheit, nützlich für Insekten, Vögel, natürlich fürs Klima, in der Hoffnung, dass sich das in 80, 90 Jahren als richtig erwiesen hat", schrieb er in seiner Botschaft. Er wollte weg von der Monokultur, den ganzen Wald umbauen.
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Im Januar, Februar regnete es, so Heinz Hobmeier. Seit Beginn der Aufzeichnungen 1881 haben die Niederschlagsmengen sogar um zehn Prozent zugenommen. Dieser Trend zu niederschlagsreichen Wintern und trockenen Sommern spiegelt sich wider in der Statistik des Umweltbundesamtes (UBA). Doch seit Wochen sind die Niederschläge ausgeblieben, und die Borkenkäfer schwirren schon wieder herum: "Ich habe mein Bestes gegeben. Was kann ich als Einzelner noch tun? " Zwei, drei Wochen, so schätzt der Waldbauer, können die Pflanzen noch schadlos überstehen. "Ich hoffe und glaube daran, dass es regnen wird."
Hoffnung auf Regen und die Strategie des vielfältigen Fruchtwechsels
565 Kilometer Luftlinie entfernt, in Penkun in Mecklenburg-Vorpommern, hat Bernd Klänhammer die Hoffnung auf Niederschläge noch nicht aufgegeben: "Laut meiner Statistik sind wir bezüglich der Niederschlagsmengen auf dem gleichen Stand wie im vergangenen Jahr. Aktuell machen uns allerdings Nachtfröste bis minus acht Grad zu schaffen. Trifft die Sonne im Tagesverlauf auf den Boden und weht noch Wind, verdunstet die Feuchtigkeit sofort, statt in den Boden einzudringen."
Der Landwirt setzt auf Vielfalt, baut Erbsen an, dazu Weizen, Gerste, Raps, Mais und Zuckerrüben. Sein zweites Standbein ist die Schweinezucht. "Ich kaufe unterschiedliches Saatgut ein für sechs Sorten Weizen, drei Sorten Gerste. Durch den Anbau unterschiedlicher Pflanzen an gleicher Stelle, der Fruchtfolge, lassen sich Totalausfälle bei Witterungswechseln vermeiden", erläutert Klänhammer seine Strategie. "Wir gehen immer eine Wette auf die Zukunft ein."
Viele seiner Kollegen berichten von Getreidelaufkäfern, die die grünen Pflanzen fressen und kahle Äcker hinterlassen. Und auch der Raps kommt mit den Temperaturen und durch die gesetzlichen Einschränkungen beim Düngen nicht klar, hat Klänhammer festgestellt. "Wir können nicht mehr säen, wenn die Saat nicht aufgeht." Und mit Erbsen, als Alternative zu Soja zur Versorgung der Tiere mit Eiweiß, könne man kein Geld verdienen, weil das Saatgut so teuer sei, sagt der Landwirt: "So entwickeln sich immer neue Probleme."
Vor zwei Jahren rief ich Bernd Klänhammer erstmals an. Es war unerträglich heiß, und eines seiner Felder hatte in Flammen gestanden. Das Feuer hatte sich durch Funkenbildung heißer Auspuffteile beim Mähdreschen entzündet. Damals gab er zu, Bedenken zu haben wegen der Thesen vom Klimawandel. Als gläubiger Christ glaube er eher an die in der Bibel zitierten "sieben fetten und sieben mageren Jahre". Die sieben Jahre seien noch nicht vorbei gibt er mir heute zu verstehen, "aber an dem Klimawandel muss doch was dran sein", sagt er jetzt.
Langfristige Schäden und Krisenmodus
"Die Leute vergessen, Meinungen ändern sich schnell, so wie das Wetter", weiß Förster Alexander Held aus Erfahrung. "Aufgrund der Niederschläge Anfang des Jahres war die Trockenheit der letzten zwei Jahre kein Thema mehr. Doch die Dürren haben deutliche Spuren hinterlassen und die Folge sind Feuer, Borkenkäferschäden und die unaufhörliche Veränderung der Waldlandschaft.Theoretisch könnte die Borkenkäferkalamität durch Insektizide aus der Luft gelöst werden. Auf Grund der Nebenwirkungen auf andere Lebenwesen des Waldes ist die Schädlingsbekämpfung per Gesetz verboten.
Nicht nur Fichten, Kiefern, auch Buchen mit ihren vielen Nebenwurzeln vertrocknen und auch Tannen sind betroffen, die wegen ihrer tiefen Wurzeln als widerstandsfähig, klimaresilient galten. Also werden täglich weitere Bäume gefällt. Wege werden verbreitert, planiert und befestigt. Eile ist geboten: Im Akkord brechen bullige Maschinen nicht nur Fichten und Kiefern, sondern auch uralte Buchen um, ehe sie gestapelt und von imposanten LKW abtransportiert werden, da sich durch das trockene Lagerholz die Waldbrandgefahr erhöht.
"Nicht nur die oberen Schichten, auch die Grundwasserspeicher, einige Meter unter der Erde, sind immer noch leer", beschreibt Alexander Held die Misere. Sogar Wald- und Feldfeuer entwickelten sich anders als noch vor zwei Jahren. Held ist Förster und Feuerökologe beimEuropäischen Forstinstitut (EFI). "Vor fünf Jahren brannte im April vor Mittag kein Feuer auf Grund der hohen Luftfeuchtigkeit. Dieses Jahr konnten wir Heideflächen im März morgens um 8 Uhr kontrolliert abbrennen. Die grundlegende Trockenheit steckt längst in unserem verwundbaren System."
BUND über Maßnahmen zum Umgang mit den Folgen des Klimawandels
Als chronisch krank charakterisiert der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) den Wald und warnt angesichts der Dürre vor der Verschlimmerung der Waldkrise: "1980 wurde der begriff 'Waldsterben' geprägt, doch heute ist die Lage weitaus dramatischer", warnt der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt und fordert: die schnellere Abkehr von der Kohleverstromung, den Ausbau der regenerativen Energien, der Reduzierung der Stickoxide im Straßenverkehr, die Stickstoffüberschussabgabe als Anreiz, um die Dünge-Einträge in der Landwirtschaft zu reduzieren. Seit Beginn der Erhebungen des Waldzustandes im Jahr 1984 war der Kronenzustand unserer Waldbäume noch nie so schlecht wie 2019. Andererseits gibt es Fortschritte im Umbau zum klimaresilienten Wald, wie der BUND und Förster Held ihn reklamieren: Ziele sind natürlicher Mischwald mit verschiedenen Baumarten, unterschiedlicher Wuchsstadien. Die Bundesregierung kündigte im Herbst 2019 an, 800 Millionen Euro zur nachhaltigen Wiederaufforstung bereitzustellen.
Daneben soll Totholz als Nahrung für Pilze, Bakterien, Käfer, Würmer und für eine wasserspeichernde, nährstoffreiche Humusgrundlage in der Natur verbleiben und die Naturverjüngung miteinbezogen werden: Weder Saat noch Setzlinge werden von Hand eingebracht. Bäume wachsen durch am Boden liegende oder flugfähige Samen.
Krise als Normalzustand
In meinen Gesprächen nannten die Protagonisten ungewöhnlich häufig die Begriffe 'dramatisch', 'extrem' und 'katastrophal '. BUND-Sprecher Olaf Bandt bringt es so auf den Punkt: "Trotz Corona-Krise ist es wichtig, dass die Klimakrise und das Artensterben als ebenfalls weltweite Krisen, nicht aus dem Blick geraten dürfen. Umwelt- und Naturschutz betreffen uns alle unmittelbar."Lesen Sie auch: Nachhaltige Forstwirtschaft - Pferdekraft statt Maschine 4.0
Unterdessen hat der Deutsche Wetterdienst DWD Niederschläge angekündigt. Anfang Mai könnte es sogar zu Überschwemmungen kommen, denn die Böden sind teilweise durch die Trockenheit betonhart. Das Wasser kann dann nicht abfließen. Die nächste Wetter-Herausforderung könnte im Anmarsch sein.