Wie das Leben so spielt
14. Februar 2005Man nennt sie "God Games" - Gott-Spiele: Simulationen wie "Sims", "Urbz" oder auch "Playboy. The Mansion". Überall suchen digitale Menschen ihr Lebensglück. Gepflegt oder verlottert, im normalen Vorort, in Stadtvierteln, wo das Leben hart ist wie der löchrige Asphalt, oder in glamourösen Sphären.
Und der Spieler vorm Computer hat es in der Hand, ob es ihnen gut geht, den Simulierten - sie wollen schicke Klamotten, trendige Möbel, Herd und Klo, Bett und Liebe. Sonst werden sie traurig. Sie können sogar Babys bekommen, aber auch sterben. Und wenn's nichts zu essen gibt, brechen die "Sims" zusammen. Ein Beispiel dafür, wie sehr die Umwelt Menschen prägt.
Wenn der Mensch also sein eigenes Leben nicht ganz hinbekommt, hier kann er vielleicht ein bisschen üben. Auch wenn nicht so ganz sicher ist, ob in den Simulierten wirklich Leben steckt - immerhin aber bewegen sie sich und pflanzen sich fort. "Die Spiele liefern einen sozialen Experimentierkasten", sagt Christoph Klimmt, Kommunikationsforscher an der Hochschule für Musik und Theater Hannover.
Zusammenleben als Experiment
Der Spieler kann also auch ein digitaler Rüpel sein und gucken, was passiert, wenn man den "Sim" die andern ärgern lässt oder ihm nichts zu essen gibt. Oder einfach zum Spaß eine Familie gründen und testen, wie das so ist. Der Psychologe Peter Ohler von der Technischen Universität Chemnitz spricht von der Variationstheorie: "Man kann alles kombinieren und alles ausprobieren durch extremes Probehandeln."
So gesehen ist der Mensch vorm Computer für die Sims ein Schöpfer, ein guter oder ein diabolischer. Oder er spielt Schicksal. Zumindest hat er Macht, sagt Klimmt: "Macht auszuüben ist Teil des Spielspaßes."
Zu wissen, dass man diese Macht straffrei missbrauchen kann - das gehört zum Mythos Allmacht. Auch wenn beide Experten sagen, dass wohl niemand bewusst solche "Personensimulationen" auf dem Computer hat, um Machtgelüste rauszulassen.
Leben, leicht gefiltert
Womöglich mag der Mensch die Simulationen auch, weil sie "Leben light" darstellen - entschmutzt und mit Anti-Grausamkeits-Filter. Wenn jemand stirbt, kommt kurzerhand ein virtueller Sensenmann und holt ihn ab. Auch eine Geburt ist nicht naturgetreu zu sehen, Pornografie ist natürlich tabu.
Außerdem machen es einem die Mitmenschen nicht so schwer, ihre Gefühle zu erkennen. "Der Wert 'Stimmung 50' geht mit einem Schmollmund einher, also probier ich das mal bei meiner Schwester aus - so geht es im echten Leben natürlich nicht", sagt Klimmt.
Immer muss man sich entscheiden
Der Erfinder von "Sims", Will Wright, findet, das Leben sei doch letztlich auch ein Strategiespiel. Nur gibt es bei den "Sims" nicht diese unüberblickbare Vielfalt an Entscheidungsmöglichkeiten, am Telefon etwa bloß Alternativen wie "Job suchen" oder "Freunde einladen". "Wenn man es mit dem wahren Leben vergleicht, ist das Spiel natürlich weniger fundamental", meint Ohler. "Aber andererseits, wann trifft man im Leben schon mal fundamentale Entscheidungen? 'Nehme ich in der Mensa Essen A, B oder C' - das ist doch alles meistens trivial."
Ist das Spiel wie das Leben oder umgekehrt? Gibt es den großen Plan, dem man folgen muss - und wenn man vom rechten Weg abkommt, folgt "Game Over"? Die beiden Experten wollen nicht zu viel heruminterpretieren. Klimmt sagt: "Es ist vor allem eine kaum zu überbietende Form von Unterhaltung."