Wie die ägyptische Regierung Journalisten gängelt
13. August 2006Die Website "Bit Bucket" von den ägyptischen Menschenrechtsaktivisten Alaa Abdel Fattah und Manal Hassan wurde auch außerhalb Ägyptens und der arabischen Welt von vielen Nutzern gelesen. Deshalb war die Anteilnahme groß, als sich Alaa Abdel Fattah in diesem Frühjahr plötzlich mit einem Brief aus dem Gefängnis meldete. Am 7. Mai war der 25jährige zusammen mit rund 700 weiteren Demokratie-Aktivisten in Kairo festgenommen worden - bei einem Sit-In für die Unabhängigkeit der ägyptischen Justiz. Ihn selbst habe man im Gefängnis nicht misshandelt. Doch mehrere Mitstreiter seien geschlagen und gefoltert worden, berichtet Abdel Fattah.
Nur auf dem Papier sei gegen sie ermittelt worden, sagt Abdel Fattah - wegen einer unangemeldeten öffentlichen Versammlung, Beleidigung des Staatspräsidenten und Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung. "Die angebliche Ermittlung war nur ein Vorwand, um uns im Gefängnis zu halten, ohne ein Verfahren einleiten zu müssen." Weder hätte es einen Richter gegeben, noch sei ein Prozess gegen sie eröffnet worden, erzählt Abdel Fattah weiter. Die angebliche Ermittlung sei schließlich formal eingestellt worden, und irgendwann hätten sie gehen dürfen.
Rückkehr zur Zensur
Ägyptens Presselandschaft ist die älteste der arabischen Welt und sie genoss wegen ihrer Qualität und Meinungsvielfalt traditionell hohes Ansehen. Doch nach fast 25 Jahren Kriegsrecht und Quasi-Einparteienherrschaft unter Staatspräsident Hosni Mubarak ist die Meinungsfreiheit in Ägypten bedrohter denn je. Im vergangenen Jahr hatte man noch gehofft, dass sich die Situation bessern würde: Zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt 1981 hatte Staatschef Mubarak bei einer Präsidentenwahl Konkurrenzkandidaten akzeptiert. Doch der vermeintliche Schritt zu mehr Demokratie entpuppte sich als Farce. "Die Hoffnungen, die man hatte bezüglich Ägyptens, kann 'Reporter ohne Grenzen' derzeit nicht mehr teilen", sagt Katrin Evers von der deutschen Sektion des Verbandes. "Die Entwicklungen der vergangenen Monate sind besorgniserregend."
Ein Gesetzesvorhaben, demzufolge Berichte über Finanztransaktionen von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden sollten, wurde zwar von Präsident Mubarak zurückgewiesen. Doch die "Beleidigung" ausländischer Staatsoberhäupter kann mit Gefängnis bestraft werden - offensichtlich will man so negative Berichte über die USA verhindern, ohne deren Unterstützung das Regime Mubarak nicht überleben könnte. Kritik an ägyptischen Politikern und Amtsträgern kann mit hohen Geldstrafen und bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet werden. Solch drakonische Strafen werden bislang zwar nur in Einzelfällen verhängt. Doch immer häufiger werden Journalisten für kurze Zeit verhaftet. Das Ziel sei anscheinend Abschreckung, meint Katrin Evers. "Es kommt immer wieder zu vorübergehenden Festnahmen - zwischen mehreren Tagen und mehreren Wochen."
Klima der Angst
Neben willkürlichen Verhaftungen müssen regimekritische Autoren in Ägypten auch damit rechnen, von Schlägertrupps überfallen oder sogar auf offener Straße von so genannten Sicherheitskräften entführt zu werden. Solche Attacken schaffen ein Klima der Angst und stärken die wirksamste aller Kontrollmethoden - die Selbstzensur. "Das heißt, dass die Journalisten von vornherein selber bestimmte Themen aussparen - wie den Präsidenten und seine Familie, das Militär, religiöse Fragen oder auch das Rechtssystem", so Katrin Evers
Angesichts der Tatsache, dass alle massenwirksamen Medien wie Fernsehen, Radio und die großen Zeitungen in Ägypten vom Staat kontrolliert werden, gewinnen die dezentral organisierten elektronischen Medien immer mehr an Bedeutung, allen voran das Internet, wie auch arabische Fernseh- und Radionsender, die aus anderen Ländern nach Ägypten hineinstrahlen. Im Bereich Internet hat das Regime jetzt allerdings weitere Daumenschrauben angelegt. Seit Mitte Juni dieses Jahres kann das Kairoer Informationsministerium ohne richterliche Anordnung Websites blockieren und verbieten, wenn es die "nationale Sicherheit" gefährdet sieht.
Besonders junge Leute stehen unter Beobachtung
Von solchen Aktionen waren bislang unter anderem die islamistischen Muslimbrüder betroffen - und auch das beliebte Portal "Al-Araby", auf dem die Regierung scharf kritisiert und die grassierende Korruption im Land angeprangert wird. Der Blogger Abdel Fattah glaubt nicht, dass seine Website "Bit Bucket" in nächster Zeit verboten wird. Dazu sei er nicht bedeutend genug, sagt Abdel Fattah. Aber er schließt nicht aus, dass er trotzdem schon bald wieder hinter Gittern sitzen könnte. Die Staatssicherheit mische sich selbst bei harmlosesten Aktivitäten wie Fußballturnieren ein "Wo auch immer junge Leute sich treffen, oder sich organisieren, sind sie dagegen. Deshalb waren wir von Anfang an sehr starker Gewalt ausgesetzt", sagt er. "Die Mächtigen haben nicht Angst vor unserer augenblicklichen Stärke, sondern vor unserem Mobilisierungspotential in der Zukunft."