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Wie gefährdet ist die Pressefreiheit?

Peter Philipp 2. September 2004

Einen "schweren Schlag gegen die Pressefreiheit" wähnen die einen, einen "Sturm im Wasserglas" die anderen: Die Gemüter erhitzen sich am "Caroline-Urteil". Peter Philipp analysiert.

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Erst denken, dann schreibenBild: AP

In ihrem Protest - der auch in großen Anzeigen verbreitet wurde - waren sich Dutzende von Chefredakteuren führender Presseorgane einig, betroffen waren und sind allerdings in erster Linie die halbseidenen Publikationen der "Yellow Press". Diese Blätter werden auch "Soraya-Presse" genannt, weil sie seit den Tagen der unglücklichen Ehe des Schahs mit der Deutsch-Iranerin Soraya davon leben, immer wieder neue Fotos und - meist erfundene - "Insider-Stories" aus dem Privatleben des Adels zu veröffentlichen. Ersatzweise - denn die internationale Adelsfamilie wird ja nicht gerade größer - bestücken sie ihre Seiten mit Schauspielern oder anderen Stars. Oder solchen, die gerne als "Star" gelten wollen.

Was ist das Problem von Prinzessin Caroline?

Caroline von Monaco, Tochter des Fürsten Rainier, durch ihre Ehe mit Prinz Ernst August inzwischen Caroline von Hannover, hatte vor elf Jahren mehrere deutsche Zeitschriften verklagt, weil diese unautorisierte Fotos aus ihrem Privatleben veröffentlicht hatten: Von einem romantischen Abendessen mit einem Verehrer, von ihr und ihren Kindern, oder von ihr beim Reiten und bei Radfahren. In erster Instanz erhielt sie Recht, in zweiter Instanz wurde unterschieden, dass die Fotos mit den Kindern und mit dem Verehrer eine Verletzung der Privatsphäre darstellten, nicht aber die anderen. Die Öffentlichkeit habe ein Recht zu erfahren, wie Prominente leben. Dieser Ansicht schloss sich auch das Bundesverfassungsgericht an.

Die Prinzessin gab nicht nach und zog vor den Europäischen Gerichtshof. Und dieser entschied nun Ende Juni 2004 in der "Rechtssache von Hannover gegen Deutschland", dass durch das höchstrichterliche Urteil in Deutschland eine Verletzung der Menschenrechte nach Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskommission darstelle. Die von deutschen Gerichten vorgenommene Unterscheidung zwischen einer "absoluten" Person der Zeitgeschichte und einer "relativen" Person reiche nicht aus: Auch Prominente hätten ein Recht auf Privatsphäre und Veröffentlichungen über diesen Bereich ihres Lebens dürften deswegen nur mit ihrer Zustimmung erfolgen. Nur wenn sie in Ausübung ihres Amtes aufträten, sei dies nicht erforderlich.

Was ist das Problem der deutschen Presse?

Dass solch ein Urteil derart heftige Reaktionen in der deutschen Medienlandschaft auslöste, überraschte zunächst. Denn man hatte hier immer fein unterschieden zwischen seriösen Publikationen und den genannten Erzeugnissen der "Yellow Press". Unbemerkt aber war vielen geblieben, dass auch seriöse Medienkonzerne längst auch mit Seichtem Geld verdienen. So sind einige von ihnen an den bekannten "Soraya-Blättern" beteiligt oder "peppen" andere längst ihre Seiten mit Klatsch und Tratsch auf. Und selbst die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender betreiben längst ihre "Prominenten-Programme", die stilistisch und inhaltlich nicht mehr weit vom dem der "Gelben" entfernt sind.

Dass es bei dem wütenden Protest vielleicht um Auflage und um Einschaltquote ging und nicht so sehr um die Pressefreiheit, das war aber keiner der Aktivisten bereit zuzugeben. Statt dessen argumentierten sie, man werde nun künftig auch nicht mehr über Politiker berichten können, wenn diese in ihrem Privatleben gegen die Regeln verstoßen, die sie von Amts wegen hoch halten müssen. Korruption und Kungelei würden künftig vor investigativem Journalismus geschützt. Den Beweis hierfür blieben sie freilich schuldig.

Alles nicht so schlimm ...?

Im Straßburger Urteil ist nicht die Rede von politischer Berichterstattung. Bestenfalls könnte man das Urteil auf Politiker ausweiten, wenn Medien - wie geschehen - darüber spekulieren, ob Kanzler Schröder sein Haar nachgefärbt hat oder nicht. Die Aufdeckung von politischen Skandalen aber dürfte hiervon nicht tangiert sein. Erst recht nicht die von Straftaten.

Gleichwohl forderten die Gegner des Straßburger Urteils, die Bundesregierung solle Einspruch einlegen (dies kann nur aus Regierungsebene geschehen), aber Berlin hat sich dagegen entschieden. Für die Kritiker ein Grund mehr zur Vermutung, die Politiker wollten sich hinter dem Straßburger Maulkorburteil verstecken. Ob das Urteil allerdings wirklich so weitreichende Folgen haben wird, wird von anderen bezweifelt. Hier gehe es in erster Linie gegen Paparazzi - mit Kamera und Kugelschreiber - nicht aber um ernsthafte und kritische politische Berichterstattung.