Spenden-Debatte bei der CDU
16. Oktober 2013Die Zeit, als Bärbel Höhn an Zufälle glaubte, ist lange vorbei. Die grüne Oppositionspolitikerin reibt sich die Augen, als sie in der Presse zum ersten Mal von einer Großspende von Hauptaktionären des deutschen Premium-Autobauers BMW liest. 17 Tage nach der Bundestagswahl überweisen drei Mitglieder der Familie Quandt/Klatten der alten und neuen Regierungspartei CDU viel Geld. Großzügige 690.000 Euro fließen von der Familie an die Partei von Bundeskanzlerin Angela Merkel, wie die verblüffte Öffentlichkeit auf den Webseiten des Deutschen Bundestages nachlesen kann. Alle Parteispenden von über 50.000 Euro müssen dort, gemäß dem deutschen Parteiengesetz, vom Bundestagspräsidenten veröffentlicht werden.
Laxe Abgasregeln gegen großzügige Parteispenden?
Was nach geltendem Recht damit ein legaler Vorgang ist, das ist für die grüne Bundestagspolitikerin Höhn dennoch hoch brisant: Denn während die CDU als Partei Großspenden von Aktionären der BMW AG einstreicht, kämpft die von ihr getragene Regierung auf EU-Ebene für die Interessen der deutschen Autoindustrie. "Es hat schon ein Geschmäckle, wenn jetzt eine Großspende von 690.000 Euro von BMW kommt und gleichzeitig die Kanzlerin auf EU-Ebene wirklich alles versucht, um einen wirklich ehrgeizigen CO2-Grenzwert bei Autos zu blockieren", kritisiert Höhn.
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hatte im Auftrag der Kanzlerin beim Treffen der EU-Umweltminister in Luxemburg am Montag (14.10.2013) eine Einigung verhindert. Statt straffer Abgasvorschriften ab dem Jahr 2020, wie von der EU-Kommission gefordert, setzt die Bundesregierung auf großzügige Übergangsfristen, was vor allem den deutschen Limousinen von BMW, Daimler und Audi nützt. Für die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn liegt der Verdacht nahe, dass hier Politik käuflich gewesen sei. Die CDU-Parteizentrale dementiert, allerdings nur schriftlich: "Die Spenden standen und stehen in keinerlei Zusammenhang mit einzelnen politischen Entscheidungen", heißt es von dort.
Ein Dementi, das der Antikorruptions-Organisation Transparency International Deutschland schon lange nicht mehr reicht. Geschäftsführer Christian Humborg fordert von der deutschen Politik eine Kehrtwende bei der Parteienfinanzierung. Ein anderer, sensiblerer Umgang mit Spenden müsse her. Derzeit werden Parteispenden jeglicher Art in Deutschland durch ein im Jahr 2011 letztmals reformiertes Parteiengesetz geregelt. Darin haben die politischen Parteien selbst festgelegt, wie sich ihre staatlichen Zuschüsse bemessen und in welcher Höhe sie Spenden von Unternehmen und Privatpersonen für zulässig halten. So gilt es heute in Deutschland als rechtens, Parteispenden in unbegrenzter Höhe anzunehmen. Einzige Bedingung, die das Gesetzblatt vorschreibt, ist die Veröffentlichungspflicht ab 50.000 Euro.
Von einer Höchstsumme für Parteispenden ist dort nichts zu lesen - wohl auch, weil bislang nicht nur die CDU von Großspenden profitierte. 2013 erhielten neben der CDU auch die SPD, die CSU, die FDP und die MLPD Einzelspenden zwischen 60.000 und 150.000 Euro. Kein Wunder, dass Korruptionswächter Christian Humborg nicht an eine Reform der Parteienfinanzierung glaubt, die selbst von den Parteien angestoßen wird. "Das Parteiengesetz sieht vor, dass wenn die Parteien es selbst nicht schaffen, die Regeln zu reformieren, der Bundespräsident einschreiten muss." So soll Bundespräsident Joachim Gauck nach dem Willen der Korruptionswächter eine Parteienfinanzierungskommission einberufen, die Großspenden begrenze, mehr Transparenzregeln erzwinge und die Überwachung noch unabhängiger gestalte. Der Bundespräsident ließ über eine Sprecherin jedoch mitteilen, die Regelung der Parteienfinanzierung liege in erster Linie beim Parlament.
Deutschland beim Europarat am Pranger
Dass es um Deutschlands Spielregeln im politischen Betrieb schlecht bestellt ist, hatte zuvor bereits mehrfach eine Expertenkommission des Europarates kritisiert. "Die Staatengruppe gegen Korruption" (GRECO) der internationalen Organisation mit Sitz in Straßburg hatte gegen Deutschland im vergangenen Jahr sogar ein Sonderverfahren eingeleitet. Der Grund: Die Empfehlungen des Gremiums zur Korruptionskriminalisierung und Parteienfinanzierung seien in Deutschland nur unbefriedigend umgesetzt worden.
Bis zum 31. Juni 2012 wurde das Land aufgefordert, Maßnahmen für mehr Transparenz bei Parteispenden einzuläuten. Eine Forderung, die im Politikbetrieb Berlins bis heute weder von Oppositions- noch von Regierungsparteien aufgegriffen wurde. Im Gegenteil: Es scheint, als würden die Bande der mächtigen Autolobby zur politischen Elite immer enger. So ist beispielsweise der frühere CDU-Verkehrsminister Matthias Wissmann bereits seit Jahren Cheflobbyist des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Und Merkels letzter Staatsminister im Bundeskanzleramt, Eckhart von Klaeden, wechselt zu Daimler.
Für Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der oppositionellen Linkspartei, ist das Maß voll. Er will sowohl die Spendenpraxis wie die Personalklüngelei zwischen Wirtschaft und Politik beenden: "Es geht nicht, dass die Reichen dieser Gesellschaft, also die Konzerne, immer mittels Spenden die Parteien so an sich binden, dass sie dann auch eine entsprechende Politik machen." Der schlechte Ruf der Politik allgemein, so Gysi, sei bei einem solchen Verhalten kaum verwunderlich.
Während Gregor Gysi fordert, dass Deutschland der Koalition der Länder in der Welt beitritt, die Parteispenden ganz verboten haben, setzt Korruptionswächter Christian Humborg auf das richtige Spendenmaß: "Unsere Empfehlung lautet, die Spenden nicht komplett abzuschaffen, denn Geld findet immer seinen Weg." Humborg setzt auf Transparenz, die damit beginne, dass in Zukunft Zuwendungen schon ab 2000 Euro veröffentlicht und auf 50.000 Euro pro Person oder Unternehmen im Jahr begrenzt werden sollen. Grünen-Politikerin Bärbel Höhn hat er damit bereits auf seiner Seite. Kritiker sagen, das sei kein Wunder, denn ihre Partei, die Grünen, hat in den vergangenen Jahren gerade einmal drei Einzelspenden in größerem Umfang erhalten.