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Russland warnt die Ukraine vor der EU

Roman Goncharenko4. Oktober 2013

Präsident Putin, seine Berater und die russischen Medien prophezeien den Niedergang der Ukraine, sollte das Land ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen. Die Töne aus Moskau sind mal scharf, mal milde.

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Wladimir Pitin (Foto: EPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Oktober begann in den Beziehungen zwischen Kiew und Moskau so, wie der September endete - mit Warnungen. "Wir zwingen die Ukraine nicht dazu, die Richtung ihrer Entwicklung zu ändern", sagte der Chef des russischen Präsidialamtes, Sergej Iwanow, am Dienstag (01.10.2013). Doch die geplante Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union würde ein Ende für viele ukrainische Branchen bedeuten, die auf Russland angewiesen seien: Luft- und Raumfahrt, Schiffbau und Atomindustrie.

Seit Wochen wird die Ukraine von russischen Politikern mit Kritik bombardiert. Präsident Wladimir Putin hat im September zweimal, Ministerpräsident Dmitri Medwedew sogar viermal Warnungen gegen die Ukraine ausgesprochen. Eine EU-Annäherung sei kein guter Deal für das Nachbarland. Die Ukrainer "sollen doch versuchen, ihre Waren in Europa zu verkaufen", spottete Medwedew.

Kiew ignoriert Moskaus Rufe

Dmitri Kisseljow warnt die Ukraine sogar vor einer Katastrophe. Der Starmoderator einer Nachrichtensendung des russischen Staatsfernsehens verglich das Land mit einem abstürzenden Flugzeug. Statt Gas zu geben, habe die Crew die Motoren ausgeschaltet. Mit ihrer Hinwendung zu Europa begehe die Ukraine Selbstmord. Ihre Wirtschaft würde kollabieren. Dem Land drohe eine Spaltung. Am Ende legte Kisseljow nach und sagte, nun werde sogar die wertvolle ukrainische Schwarzerde nach Europa abtransportiert, wie das schon die Nazis im Krieg getan hätten.

"Das ist natürlich Quatsch", sagt Winfried Schneider-Deters. "Klar, die russisch-ukrainische Handelsbilanz wird schlechter, die ukrainische Staatsverschuldung ist enorm. Aber das heißt nicht, dass von heute auf morgen die Wirtschaft zusammenbricht", erklärt der ehemalige Leiter des Kiewer Büros der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) im Gespräch mit der DW. Ähnlich äußert sich auch der ukrainische Ministerpräsident Mykola Asarow: "Es wird keinen Zusammenbruch geben."

Winfried Schneider-Deters (Foto: privat)
Winfried Schneider-DetersBild: Winfried Schneider-Deters

Seit Jahren versuchen russische Politiker, Experten und Medien, der Ukraine eine Zollunion mit ehemaligen Sowjetrepubliken wie Kasachstan oder Belarus schmackhaft zu machen. Bisher ohne Erfolg. Von ihrem Weg nach Europa will sich die Ukraine nicht abbringen lassen. Auf dem Gipfel der EU-Initiative "Östliche Partnerschaft" Ende November im litauischen Vilnius will sie das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen, das auch die Schaffung einer Freihandelszone vorsieht.

Russland tauscht Peitsche gegen Zuckerbrot

Schneider-Deters erklärt die scharfen Warnungen aus Moskau damit, dass Russland mit einer schnellen Annäherung der Ukraine an die EU nicht gerechnet habe. Im Eiltempo verabschiedet das ukrainische Parlament derzeit Gesetze, die von der EU als Bedingung für die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens angesehen werden. Außerdem soll ein Teil des Abkommens mit der EU sofort - und nicht erst nach der Ratifizierung - in Kraft treten. Das sei der Hintergrund, vor dem Russlands Ton gegenüber der Ukraine in der letzten Zeit immer hysterischer geworden sei, so der Experte.

Doch nun rudere Moskau offenbar zurück. Während Russland im August für mehrere Tage ukrainische Importe aus formellen Gründen stoppte, gewährte die staatlich kontrollierte russische Sberbank der Ukraine Ende September einen Kredit in Höhe von 750 Millionen US-Dollar. Russland, so Schneider-Deters, "scheint sich damit abgefunden zu haben, dass das Abkommen mit der EU unterzeichnet wird“.

Ukrainer von Moskaus Warnungen unbeeindruckt

In der ukrainischen Bevölkerung sind die Präferenzen festgelegt. Einen knappen Vorsprung in Meinungsumfragen haben diejenigen, die sich eine Annäherung an die EU wünschen. 55 Prozent stimmten in einer repräsentativen DW-Umfrage im Juli 2013 für die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU noch in diesem Jahr. 49 Prozent sprachen sich für eine Zollunion mit Russland aus. Die Zahlen legen nahe, dass sich manche Ukrainer beides wünschen. Doch Moskau lehnt das ab: Die Ukraine könne nicht auf zwei Stühlen sitzen.

Serhij Howorucha (Foto: privat)
Serhij HoworuchaBild: Serhij Howorucha

Dass Russlands Warnungen die leicht pro-europäische Stimmung in der Ukraine nun kippen könnten, sei unwahrscheinlich, meint Serhij Howorucha vom Meinungsforschungsinstitut IFAK, das im Auftrag der DW die Umfrage durchgeführt hat. Warnungen über einen möglichen Kollaps der Wirtschaft seien nicht geeignet, die Ukrainer in Angst und Schrecken zu versetzen. "Die Menschen haben sich an eine dynamische Instabilität gewöhnt", sagt Howorucha. Die Ukraine, die seit Jahrzehnten mit diversen Krisen kämpft, lasse sicht nicht von einer Verschlechterung der Wirtschaftsbeziehungen zu Moskau abschrecken.