Wie tief blickt ein Georadar?
4. September 2015Ein Georadar habe Klarheit gebracht, gab sich Polens Vize Kulturminister Piotr Zuchowski zuversichtlich: Im niederschlesischen Walbrzych (ehemals Waldenburg) soll ein Nazi-Zug - möglicherweise gefüllt mit Raubschätzen - 70 Meter unter der Erde liegen. Zuchowski erklärte, auf den Radarbildern, die ihm anonyme Finder gezeigt hätten, sei ein Kriegszug mit Kanonen und Aufbauten zu sehen gewesen.
Der Leiter der Bezirksregierung von Wroclaw (ehemals Breslau) äußerte daraufhin deutlich skeptischer. Den Behörden lägen überhaupt keine Georadarbilder des Zuges vor. Die Finder hätten lediglich eine unleserliche Karte zur Verfügung gestellt. Ob es die Bilder wirklich gibt oder nicht, bleibt also zumindest vorerst genauso ein Rätsel wie die Existenz des Zuges. Aber was kann ein Georadar überhaupt erkennen?
Georadare gibt es in groß und klein
Heute kommen Georadare in vielfältiger Form zum Einsatz: Auf Satelliten scannen sie die Erdoberfläche millimetergenau ab, von Flugzeugen aus dringen sie tief ins Packeis ein und können die Dicke von Gletschern erkennen. Im Bauwesen werden sie genutzt, um unsichtbare Schäden im Stahlbeton von Brücken zu erkennen, Fundamente von Gebäuden zu überprüfen oder unterirdische Leitungen aufzuspüren. Im Bergbau nutzt man sie, um geologische Schichtungen aufzuspüren.
Eigentlich funktionieren alle diese Geräte ähnlich. Aber es gibt auch Unterschiede. "Das grundsätzliche Messprinzip ist das gleiche, aber in den verschiedenen Anwendungen sind die Erkundungsfrequenzen unterschiedlich", erklärt der Geophysiker Uwe Meyer. Bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe leitet er den Fachbereich Geophysikalische Erkundung und Technische Mineralogie. "Je tiefer sie gucken möchten, desto größere Wellenlängen müssen die Frequenzen haben. Diese Wellenlängen müssen auch mit größerer Energie in den Boden gebracht werden."
Kurze Wellenlängen - feine Details
Ein satellitengestützter Radar, der zunächst nur die Luft durchdringt und dann an der Erdoberfläche von Gestein und Wasser reflektiert wird, kann mit millimeterkurzen Wellenlängen im Gigahertz-Bereich arbeiten. Entsprechend hoch aufgelöst sieht hinterher das Ergebnis aus: ein dreidimensionales präzises Bild der Erdoberfläche.
Damit kann ein Radar vom Flugzeug aus sogar in die Eisbedeckung der Arktis oder Antarktis hineinschauen. Das trockene Eis reflektiert die Radarwellen kaum. "Man sieht den Kontrast zwischen der Luft und dem Eis und unterhalb des Eis den Übergang zum Gebirge oder zum Wasser", erklärt Meyer. So könne man die Eisdecke bestimmen.
Gestein braucht lange Wellen
Viel schwieriger wird es indes, will man tief in die Erde hinein schauen, sagt Jochen Kurz vom Fraunhofer Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP. Dafür braucht er eine große Wellenlänge im Megahertz-Bereich. "Damit verliere ich Auflösung. Wenn wir bei einer Brücke einen halben Meter tief in den Beton schauen, lösen wir die Stahlstreben im Beton ganz ordentlich auf. Die haben einen Durchmesser von 12 oder 24 Millimetern." Bei einem Zug in der Tiefe ginge es aber um ganz andere Strukturen. "Wenn ich 70 Meter tief schauen will, brauche ich Wellenlängen von einigen Metern oder mehr."
Und da ist dann auch die physikalische Grenze des Machbaren erreicht. Objekte von der Größe einer halben Wellenlänge lassen sich noch grafisch auflösen. Das heißt: Ist die Wellenlänge im Meterbereich - kann man vielleicht noch erkennen, dass da irgendetwas Reflektierendes im Untergrund ist - nicht viel mehr.
Kurz zweifelt daran, dass es überhaupt möglich ist, 70 Meter tief ins Gestein zu schauen. Dann wäre die Antenne etwa im niedrigen Megahertz-Bereich oder gar Kilohertz-Bereich - so groß wie eine UKW-Radioantenne. Allerdings wäre es auch denkbar, dass sich die Schatzsucher dem Zug aus einem benachbarten Stollen genähert haben. Dann sähe das Ergebnis vielleicht klarer aus.
"Wenn ich etwa zehn Meter tief in den Berg schaue, bekomme ich Reflektoren von Gesteins- oder Schichtgrenzen. In diesem Fall mit einer baulichen Komponente - dem Stollensystem. Ich habe einen Sprung zu dem Hohlraum - dem Stollen. Den müsste man theoretisch erkennen." Ist bei solchen tiefen eine Eisenbahn verborgen, würde man sie gut finden, denn Metall ist ein idealer Reflektor. Das setzt aber voraus, dass der Tunnel nicht aus armiertem Stahlbeton besteht, sagt Kurz: "Das würde sehr stark abschirmend wirken."
Von Radardaten zum dreidimensionalen Bild
Ein zwei- oder dreidimensionales Bild aus Radardaten zu erzeugen ist grundsätzlich zwar möglich, aber ein großer Aufwand. "Sie nehmen eine Antenne und fahren mit der mäanderförmig in Längs- und Querrichtung über eine große Fläche", erklärt Kurz das Verfahren. Das geht aber nicht im Stollen, sondern nur an der Oberfläche. "Jede Linie, die sie mit dem Georadar aufnehmen, gibt ihnen den Querschnitt von dem Bereich, den sie abgefahren sind - ein sogenanntes Radargram. In dem Querschnitts-Bild sehen sie dann schon die ersten klaren Reflektoren: einen Hohlraum, eine metallische Komponente, eine geologische Schichtgrenze oder irgendetwas anderes. Diese ganzen Querschnitte kann ich dann zu einem dreidimensionalen Bild verrechnen."
Das setzt allerdings voraus, dass sich eine geeignete flache Arbeitsebene über dem Geisterzug befindet - vielleicht ein Feld. Etwa ein Hektar müsste abgescannt werden, um einen ganzen Zug darstellen zu können. Sollte dort aber dichter Wald oder unwegiges Gelände sein, wäre es deutlich schwieriger, ein zusammenhängendes Bild zu generieren. Zudem gehört dazu einiges an professionellem Fachwissen und Computertechnik.
Und der Geophysiker Uwe Meyer kann sich noch weitere Schwierigkeiten vorstellen: "Wenn im Untergrund eine Tonschicht oder eine wässrige Humusschicht vorhanden ist, ist diese hoch leitfähig. Die hohe Leitfähigkeit saugt das Signal auf, wie ein trockener Schwamm. Schon an der Oberfläche sind die Signale weg, und sie schaffen es gar nicht mehr, den Untergrund zu erkunden."
Man kommt also mit einem Georadar überhaupt nur dort tief in den Boden hinein, wo das Material wenig leitet, etwa in trockenen Sandschichten, im Salzstock oder in sehr homogenem Fels.
Es gibt auch andere Wege
Und selbst wenn alle Rahmenbedingungen stimmen sollten, überwiegen bei den Geophysikern die Zweifel, allein schon wegen der Tiefe. "Ich halte es für sehr, sehr schwierig, tatsächlich mit einem Georadar-Verfahren in Tiefen bis zu 70 Metern vorzudringen", sagt auch Uwe Meyer.
Aber er ist dennoch nicht ratlos. Es gibt nämlich noch ganz andere Techniken, die man nutzen könnte, um den Untergrund zu durchsuchen, etwa die sogenannte Hammerschlagseismik. Die funktioniert im Prinzip wie ein Echolot und dringt sicher in die benötigten Tiefen vor. Alternativ könnte man auch mit geomagnetischen Messgeräten arbeiten, die die Stärke des Erdmagnetfeldes bestimmen. "Wenn darin noch ein mächtiger Zug steht mit einer dicken Lokomotive davor, dann haben Sie eine Chance, dass dort, wo der Zug steht, das Erdmagnetfeld erhöht wird", erklärt Meyer.
Das wäre dann ein deutlicher Hinweis. Und wenn der Zug dann noch voller Gold wäre? - Dann hätte das sicher keine Auswirkung - denn Gold ist gar nicht magnetisch.