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Wie wird Deutschlands Kohleausstieg sozial?

26. Mai 2017

Deutschland muss aus der Kohlekraft zügig aussteigen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Doch wie sollte der Wandel in den Kohleregionen gestaltet werden, damit die Regionen profitieren und neue Jobs entstehen?

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BUND Kampagne gegen Kohle
Bild: BUND

Deutschland will den Klimaschutz und seine Verpflichtungen für das internationale Klimaabkommen von Paris erfüllen. Da etwa ein Drittel der deutschen Treibhausgase bei der Kohleverstromung freigesetzt werden, bezeichnen alle etablierten Parteien den Kohleausstieg als wichtigen Schritt. Offen ist jedoch die Frage, wie schnell der Kohleausstieg nötig ist, damit Deutschland seine Klimaverpflichtung erfüllt und wie er gut gelingen kann. 

Aktuelle Studien halten den kompletten Kohleausstieg in Deutschland in den nächsten zwei Jahrzehnten für notwendig. Orientiert sich Deutschland am Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, so liegt der Ausstieg nach Angaben der Denkfabrik Agora Energiewende bei etwa 2040. Orientiert sich Deutschland jedoch am ambitionierten 1,5 Grad-Ziel und berücksichtigt zudem auch die Emissionen aus der Vergangenheit, so müsste der Ausstieg aus der Braun- und Steinkohle zur Stromgewinnung nach einer Studie des New Climate Institute "bis etwa 2025 erfolgen".

Wie gelingt der sozialverträgliche Umbau? 

Nach einer aktuellen Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) gibt es derzeit noch rund 7800 Vollzeitarbeitsplätze im ostdeutschen Braunkohlerevier in der Lausitz. Im Braunkohlerevier bei Köln arbeiten rund 8960 Menschen im Tagebau und in Kohlekaftwerken.

Würde Deutschland keine weiteren Klimaschutzbemühungen unternehmen, sondern so weitermachen wie bisher, würden trotzdem Arbeitsplätze verloren gehen. Allein durch Veränderungen in den Energiemärkten würde sich die Beschäftigtenzahl fast halbieren. Im Jahr 2030 wären demnach noch etwa 3.900 Braunkohlearbeitsplätze im Lausitzer Revier sowie 4500 Jobs im Rheinischen Revier übrig. Zugleich würden nach Angaben des IÖW noch etwa 8500 Menschen in diesen Regionen ihre Heimat durch den weiteren Fortbestand der Tagebaue verlieren, weil deren Siedlungen abgebaggert würden.

Geisterstadt Immerath
Die Bewohner von Immerath (Rheinland) mussten ihre Häuser verlassen. Alles wird bald für die Braunkohle abgerissen.Bild: DW/G. Rueter

Die Forscher suchten nun nach Lösungen wie Deutschland seine Klimaverpflichtungen erfüllen kann, weniger Menschen ihre Heimat verlieren, möglichst viele Arbeitsplätzte in der Region erhalten bleiben und weiter Steuereinnahmen in die kommunalen Haushalte der Regionen fließen.

Die Forscher gingen bei ihren Berechnungen davon aus, dass die Stromgewinnung aus Braunkohle in den Bundesländern zu etwa 75 Prozent durch Windenergie und zu 25 Prozent durch Photovoltaik (PV) bis 2030 gut ersetzt werden kann. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) würden sich bei der Photovoltaik vor allem noch ungenutzte Dachflächen anbieten. In den ländlichen Bundesländern Brandenburg und Sachsen sehen die Forscher die Solarstromerzeugung vor allem mit Freiflächenanlagen. 

Nach Berechnungen des IÖW könnte die Arbeitsplätze in den drei Bundesländern, die durch das Ende der Braunkohleverstromung verloren gingen, durch neue Arbeitsplätze beim Aufbau und der Wartung von Wind und Solarkraftanlagen insgesamt mehr als kompensiert werden.

Um allerdings an den Tagebaurändern den Verlust von Jobs auch bestmöglich zu kompensieren, empfehlen die Forscher ein großes Augenmerk auf die sogenannte Bürgerenergie zu richten. Bürger vor Ort sollten als Investoren und Unternehmer vor Ort bei Wartung und Aufbau besonders in die neue Energiegewinnung einbezogen werden. 

Laut der Studie würden bei der neuen Energiegewinnung mit sogenannter Bürgerenergie mehr als doppelt so viele Arbeitsplätze vor Ort entstehen wie beim Energieumbau mit Investoren, die vor allem auch von außerhalb, also aus umliegenden Regionen kommen. "Es macht einen großen Unterschied, wie man diesen Ausbau angeht", sagt Prof. Hirschl vom IÖW. "Wenn er durch regional verwurzelte Akteure und im Bürgerenergie-Rahmen vorangetrieben wird, entstehen durch den Ausbau von Windenergie und Photovoltaik besonders viele Arbeitsplätze vor Ort". Auch liegt nach Berechnungen der Forscher die regionale Wertschöpfung dann deutlich höher, zum Beispiel durch dort anfallende Steuereinnahmen und durch die Stärkung der lokalen Wirtschaft aufgrund dort gezahlter Gehälter.

Braunkohle, Windkraft
Windkraft ersetzt Braunkohle: Mehr lokale Jobs und Steuereinnahmen soll es geben wenn viele Bürger Eigentümer werden.Bild: DW/G. Rueter

Ängste überwinden

Während vor allem ländliche Regionen in Deutschland bisher von der Energiewende profitieren weil dort Unternehmer und Politiker die Vorteile durch neue Jobs, steigende Einkommen und Steuereinahmen erkannt haben, überwiegt in den Braunkohlerevieren oft noch die Sorge um den Jobverslust."Die Leute haben hier Angst", sagt Waldpädagoge Michael Zobel, der sich für ein schnelles Ende des Braunkohleabbaus und die damit verbundenen Landschaftszerstörung im Rheinland einsetzt. "Zunehmend werden aber auch die Chancen gesehen, der Wandel wird kommen", zeigt er sich überzeugt.

Dies sieht auch Walter Mörsch so, Mitglied im Vorstand des Katholikenrates der Region Düren: "Die Akzeptanz der Braunkohle ist nicht mehr da. Wir wollen Lösungen, der Energiekonzern kann jetzt aus der Braunkohleverstromung hier aussteigen, das geht auch ohne Gesichtsverlust und die Natur wird so geschützt."

Verena Schlomer, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Dürener Stadtrat fordert schon seit langem einen Strukturentwicklungsplan für die rheinische Braunkohleregion: "Wohin wollen wir uns entwickeln? Darüber wurde schon vor 20 Jahren viel diskutiert, doch einen richtigen Plan für die ganze Region gibt es hier nicht."

"Es ist notwendig, dass wir aus der Kohle rausgehen, so schnell wie möglich", sagt auch Gewerkschaftsvertreter Reinhard Klopfleisch, hauptamtlicher Energieexperte bei der Gewerkschaft Ver.di. "Wir tragen den Ausstieg mit, Paris ist beschlossen, jetzt müssen wir die Bedingungen aushandeln". Dem Gewerkschaftvertreter ist es vor allem wichtig, dass der Energieumbau sozialverträglich organisiert wird. Er hat dabei vor allem die gut bezahlten Arbeitskräfte in der Braunkohleindustrie im Blick.

Braunkohletagebau Hambach Schaufelradbagger
22.000 Jobs gibt es in der Kohle, 326.000 bei den Erneuerbaren. Gewerkschaftlich organisiert sind vor allem Kohlekumpels. Bild: picture-alliance/dpa/F. Gambarin

Entscheidung nach der Wahl?

"Wir wollen die Ziele für den Klimaschutz natürlich so schnell und so konsequent wie möglich erreichen. Am Ende wollen wir von der Kohleverstromung unabhängig sein", sagte Josef Hovenjürgen, stellvertretender Vorsitzender der CDU Landtagsfraktion NRW, vor der Wahl im Bundesland NRW.  Auf dem Weg zur Klimaneutralität "erkennt die FDP die Chancen, die sich für die Wirtschaft mit ihrer kreativen mittelständischen Struktur ergeben und aus neuen Technologien", sagte vor der Wahl Ralf Witzel, stellvertretender Vorsitzende der FDP Landtagsfraktion gegenüber der DW.

CDU und FDP wollen nach der gewonnen NRW-Wahl die neue Landesregierung stellen und müssen sich entscheiden wie der Kohleausstieg gelingen soll. Auf ein genaues Ausstiegsdatum legten sie sich bisher nicht fest.

Experten rechnen mit Entscheidungen für den Kohleausstieg erst nach der Bundestagswahl im Herbst, eine Festlegung für den Ausstiegsfahrplan gilt vielen Politkern auch als riskant. 

Simone Peter, Bundesvorsitzende der Grünen kritisiert diese Haltung, die Bundesregierung verschleppe so den notwendigen Prozess: "Damit verlieren wir wertvolle Zeit beim Klimaschutz und beim sozial-ökologischen Umbau unserer Energiewirtschaft", so Peter. "Je früher ein konkreter Ausstiegsfahrplan beschlossen wird, desto eher kann mit der aktiven Gestaltung des Strukturwandels begonnen werden", sagte sie im Interview mit dem Internationalen Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR).

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion