Massenproteste gegen Vertrag mit China
30. März 2014"Verteidigung der Demokratie - Rückzug des Handelsabkommens" stand auf den Stirnbändern vieler Demonstranten, die zum Präsidentenpalast in Taipeh marschierten. Auf einem Plakat war zu lesen: "Rettet die Demokratie. Ihr dürft unser Land nicht verkaufen." Zahlreiche Teilnehmer trugen als Zeichen des Protestes schwarze Kleidung.
Die Angaben über die Beteiligung differieren enorm: Ein Bündnis aus Studenten und Bürgerrechtsgruppen, das zu der Kundgebung aufgerufen hatte, sprach von 500.000 Teilnehmern. Dagegen gab die Polizei die Zahl der Teilnehmer mit 116.000 an. 3500 Polizisten waren im Einsatz.
Die Organisatoren hatten auf eine starke Beteiligung gehofft, um den Druck auf Präsident Ma Ying Jeou aufrecht zu erhalten. Der hat inzwischen zwar zugesagt, das im Juni unterzeichnete Abkommen mit China genauer zu prüfen, will an den Handelserleichterungen aber festhalten.
Diesmal keine Ausschreitungen
Vor einer Woche hatten Demonstranten bei den Protesten den Regierungssitz gestürmt. Beim anschließenden Polizeieinsatz waren nach offiziellen Angaben mindestens 110 Menschen verletzt worden. Es gab etwa 60 Festnahmen. Um ähnliche Übergriffe zu verhindern, errichteten Sicherheitskräfte am Sonntag Absperrungen vor wichtigen Regierungsgebäuden. Die Protestwelle hat inzwischen zur größten Krise in den sechs Amtsjahren von Präsident Ma geführt.
Die Gegner des Abkommens mit Peking stoßen sich vor allem an der Tatsache, dass es trotz des großen Widerstandes in Kraft bleiben soll. "Die Regierung hört nicht auf die Bevölkerung", sagte einer der Demonstranten, der 25-jährige Ko Hsuan Yu, am Sonntag.
Die Demonstranten wehren sich gegen die Ratifizierung des Handelsabkommens, das die Wirtschaft der demokratischen Inselrepublik aus ihrer Sicht zu weit für Unternehmen aus der kommunistischen Volksrepublik öffnet. Sie befürchten zugleich eine ökonomische Schwächung der Inselrepublik. Zudem treibt viele Kritiker die Sorge um, Peking könne das Abkommen als Druckmittel gegenüber Taipeh nutzen.
Abhängigkeit von Peking befürchtet
Kritisiert wurde auch, dass die Regierungspartei Kuomintang das Abkommen im Ratifizierungsverfahren zu schnell und ohne längere Diskussion durch die parlamentarischen Ausschüsse bringen wolle. Es ist eine Nachfolgevereinbarung zum wirtschaftlichen Rahmenabkommen (ECFA) von 2010 und soll Taiwans Dienstleistungssektor weiter für Unternehmen aus Festlandchina öffnen.
Hinter den Protesten steckt auch die Furcht, dass das Abkommen die demokratische Inselrepublik noch enger an die Volksrepublik binden könnte. Studentenführer befürchten, dass damit die bürgerlichen Freiheiten in Taiwan in Gefahr geraten könnten. Die kommunistische Führung in Peking betrachtet die dem Festland vorgelagerte Insel Taiwan seit der Revolution von 1949 als abtrünnige Provinz und strebt eine Wiedervereinigung an. Auch ein militärisches Vorgehen schließt Peking weiterhin nicht aus, sollte sich Taiwan formell für unabhängig erklären.
kle/pg (afp, rtr, ape, dpa)