Keine verordnete Öffnung gegenüber China
25. März 2014Die massiven Proteste taiwanischer Studenten gegen ein vom Kabinett verabschiedetes Abkommen mit der Volksrepublik China über Handelserleichterungen haben vor allem politische Motive. Die Demonstranten hatten vor einer Woche das Parlament besetzt, um das ihrer Meinung nach undemokratische "Durchwinken" des umstrittenen Abkommens durch die Mehrheitspartei zu verhindern.
Zwischenzeitlich besetzten sie auch den Regierungssitz (s. Artikelbild), von wo sie durch massiven Polizeieinsatz am Montag (24.03.2014) vertrieben wurden. Dabei kam es zu mehreren Verletzten unter den Besetzern. "Wir stellen die Legitimität der Regierung von Präsident Ma in Frage", sagte Studentenführer Lin Fei-fan am Montag laut DPA. "Wir verlangen von der Regierung die Einberufung eines Verfassungskonvents, um die Krise der Demokratie zu entschärfen."
Gesprächsangebot
Zunächst hat Präsident Ma Ying-jeou am Dienstag (25.03.2014) Vertreter der Studenten zu Gesprächen in den Präsidentensitz eingeladen, um die Lahmlegung des Parlaments zu beenden. Es soll auch auf eine weitere Forderung der Studenten und der politischen Opposition eingegangen werden, dass nämlich die Bestimmungen des Abkommens über die gegenseitige Öffnung des Dienstleistungssektors in Taiwan und China einzeln im Parlament diskutiert werden. Eine weitere Forderung der Protestierenden harrt noch einer Antwort. Es geht um einen gesetzlichen Mechanismus zur Überprüfung aller künftigen Abkommen zwischen der VR China und Taiwan.
In dem Protest und den Forderungen der Parlamentsbesetzer spiegelt sich die Wut auf den Politikstil des Präsidenten, der mit der komfortablen Parlamentsmehrheit seiner KMT politische Entscheidungen ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Strömungen und Interessen durchsetzen kann. Gleichzeitig drückt sich in den Protesten eine diffuse Angst vor einer "Auslieferung" Taiwans an den großen Nachbarn auf der anderen Seite der Straße von Taiwan aus.
Ungenaue Vorstellungen
Laut einer aktuelle Umfrage wissen 69 Prozent der befragten Taiwaner nicht so genau, was in dem Abkommen steht. Allerdings sagen 48 Prozent, dass sie gegen das Abkommen sind, nur 21 Prozent sind dafür. "Dass über die Dinge nicht ausreichende Klarheit besteht, ist auch der Regierung anzulasten", sagt Roland Wein, Vertreter der deutschen Wirtschaft auf Taiwan. Das jetzige umstrittene Abkommen sei aus zwei Gründen für Taiwan von großer Bedeutung: "Zum einen, um die weitere wirtschaftliche Annäherung voranzutreiben, die sich erfolgreich seit dem Amtsantritt von Präsident Ma 2008 entwickelt hat." Vorher sei es da überhaupt nicht vorangegangen, so Wein. "Und diese Annäherung ist objektiv zum Vorteil der taiwanischen Wirtschaft. Taiwanische Unternehmen brauchen und wollen mehr Zugang zum großen chinesischen Markt."
Taiwans Nachholzwang bei Handelsabkommen
Zum anderen sei dieses Abkommen für die taiwanische Regierung sehr wichtig im Kontext der Globalisierung: "Taiwan will nicht den Trend zu regionalen und bilateralen Freihandelsabkommen verpassen." Bis vor kurzem hat Taiwan nur Freihandelsabkommen mit fünf diplomatischen Verbündeten unterhalten, 2013 kamen Neuseeland und Singapur dazu. "Das ist die Richtung, in die Taiwans Regierung, zu Recht, wie ich finde, glaubt gehen zu müssen", sagt Roland Wein vom deutschen Wirtschaftsbüro Taipeh. "Das ist ein internationaler Trend, und wenn man Südkorea sieht, einen der wichtigsten, wenn nicht den wichtigsten Konkurrenten Taiwans im Weltmarkt, das erfolgreich Freihandelsabkommen mit den USA und mit der EU abgeschlossen hat, ist nachvollziehbar, dass die taiwanische Regierung einen gewissen Nachholzwang sieht."
Wein berichtet gegenüber der Deutschen Welle, dass auch führende Unternehmen des IT- und Finanzsektors auf Taiwan eingeräumt hätten, dass dieses Abkommen Probleme mit sich bringen könnte, dennoch für die Wettbewerbsfähigkeit der taiwanischen Wirtschaft unentbehrlich sei.
Auswirkungen auf Arbeitnehmerrechte
Argumente, die beispielsweise den etwa 300.000 Beschäftigten in den Schönheitssalons auf Taiwan nicht unbedingt einleuchten. Viele befürchteten Lohneinbußen, wenn ihr Geschäft demnächst unter chinesischer Leitung einen Preiskampf beginnen sollte, berichtet Gewerkschaftsfunktionär Shih Te-lung laut DPA. "Die Lösung von Konflikten zwischen taiwanischen Angestellten und unverantwortlichen chinesischen Firmen werden schwer zu lösen sein", so Shih, denn die betroffenen Taiwaner könnten ihre Proteste schlecht in China vorbringen.
China öffnet 80 Dienstleistungsbereiche für taiwanisches Engagement, Taiwan umgekehrt 64 Bereiche, die vorher nicht geöffnet waren. In manchen davon werden Grenzen für chinesisches Engagement gesetzt, so bei Theatern und Konzertsälen, wo Investitionen Chinas höchstens bis zu 49 Prozent des gesamten Investments betragen dürfen, wobei umgekehrt diese Obergrenze nicht gilt.