Wieder mehr russische Asylbewerber
30. Mai 2016Es klingt bedrohlich, was die deutsche Tageszeitung "Die Welt" am Montag auf ihrer Titelseite meldet. Hinter dem starken Anstieg von Flüchtlingen aus Russland (vor allem aus Tschetschenien) könnte eine Machtdemonstration des Kreml stecken. Unter den Asylbewerben aus der Kaukasus-Republik seien viele Salafisten. In Moskau, zitiert das Blatt nicht genannte deutsche Sicherheitsexperten, sei genau beobachtet worden, wie die Flüchtlingskrise in Deutschland die Bürger verunsichert habe. Auch deshalb habe Präsident Putin die "Tschetschenen-Tür" nun geöffnet.
Regierung: Reine Spekulation
Die Bundesregierung bezeichnete das am Montag gegenüber der DW als "journalistische Spekulation, an der wir uns nicht beteiligen". Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Tobias Plate, bestätigte aber die Zahlen, die die Zeitung gemeldet hatte: Zwischen Januar und Mai 2016 seien über 80 Prozent der aus Russland geflohenen Menschen aus Tschetschenien gekommen. Derzeit liege Russland dadurch bei der Herkunftsländern der Flüchtlinge auf Rang fünf, mit rund 2770 Flüchtlingen. Vorne liegen immer noch Syrien, Afghanistan, der Iran und der Irak. Auf der Internet-Seite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) finden sich andere Daten. Danach kamen im April nur 850 Menschen insgesamt aus Russland, was Platz neun bedeutet.
Wie auch immer, die Anerkennungsquote für Tschetschenen ist auf jeden Fall sehr gering: Nur rund sechs Prozent der Flüchtlinge werden letzten Endes anerkannt. Der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU), will, dass das auch so bleibt: Nach den EU-Regeln müsste ein Asylbewerber seinen Antrag in dem EU-Land stellen, in das er zuerst komme, und das sei bei den meisten aus Russland kommenden Menschen Polen.
Starke Wellenbewegungen bei Flucht aus Russland
Tatsächlich weisen die Zahlen der aus Russland kommenden Flüchtlinge schon seit langem starke Wellenbewegungen auf. Und richtig ist sicher, dass viele Menschen aus dem Nordkaukasus kommen, neben Tschetschenien auch aus Dagestan. Oft sind sie krank, haben Krebs, Aids oder Hepatitis. In Deutschland versprechen sie sich eine bessere medizinische Versorgung.
Die Regierung in Tschetschenien mit Präsident Ramsan Kadyrow an der Spitze (er wird von Moskau unterstützt) geht brutal gegen Andersdenkende vor, die wirtschaftliche Situation ist erdrückend. "Das Regime wird mit jedem Monat härter, im vergangenen Jahr hat sich die Lage deutlich verschlechtert", sagte Jekaterina Sokirjanskaja von der "International Crisis Group", einer Nicht-Regierungsorganisation, der "Welt".
Ein Haus und ein Grundstück in Deutschland
Und von einheimischen Schlepperbanden werden die Menschen oft dreist belogen. Ein Anstieg der Flüchtlingszahlen vor zwei Jahren war unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Schlepper den Menschen vorlogen, in Deutschland bekämen sie ein Haus und ein kleines Grundstück. Und noch bedrohlicher als in Tschetschenien selbst ist die Lage im benachbarten Dagestan, wo die Menschen besonders von Salafisten terrorisiert werden.
Die Lage ist also bedrückend genug, eine spezielle Kampagne aus Moskau braucht es kaum, um die Zahl der Flüchtlinge zu erhöhen.