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Wieder tote Pottwale im Wattenmeer

Karin Jäger2. Februar 2016

Im Januar wurden mindestens 16 Pottwale aus der Nordsee geborgen. Nun strandeten acht männliche Tiere an einem einzigen Ort im Wattenmeer. Doch das Phänomen ist nicht neu.

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Deutschland Verendeter Pottwal vor Wangerooge
Bild: Nationalparkverwaltung Nds. Wattenmeer

Hendrick Brunckhorst ist Zoologe und Hydrobiologe. Leben und Sterben von Lebewesen sind für den Sprecher des Nationalparks Wattenmeer natürliche Vorgänge. "Das gehört biologisch und ökologisch zusammen", sagt er laut, während der Wind tost und die Wellen rauschen - so, dass man sich ohne zu schreien kaum verständigen kann.

Doch der Anblick von acht toten Pottwalen hat auch Brunckhorst ergriffen: "Sie haben so eine imposante Größe. Ein Tier hat noch ein paar Mal geatmet. Es lag im Sterben. Alle anderen waren schon tot."

Deutschland Pottwal Zerlegung in Wilhelmshaven
Aart Walen bei der Zerlegung eines Pottwals am 18.1.2016 in BremerhavenBild: picture-alliance/dpa/C. Jaspersen

Nur männliche Wale in der Nordsee

Junge Bullen, neun bis zwölf Meter lang, ganz dicht beisammen - so als wollten sie sich gegenseitig beschützen - lagen im Wattenmeer, in einer nicht zugänglichen Zone des Nationalparks Schleswig-Holstein, fünf Kilometer südlich von Friedrichskoog.

"Es ist keine Seltenheit, männliche Pottwale um diese Jahreszeit im Nordatlantik zu finden", sagt Brunckhorst, auch Sprecher des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN). "Und sie sind immer im Rudel unterwegs."

Der weltweite Bestand wird auf eine Million Tiere geschätzt. Sie sind vor den Azoren beheimatet, vor Portugal und im Mittelmeer. Die weiblichen Tiere meiden Gewässer unter 15 Grad Celsius. Die männlichen suchen Nahrung und erschließen dabei mitunter neue Lebensräume. "So sind Wale durch die Meeresenge von Gibraltar ins Mittelmeer gelangt", sagt Brunckhorst. "Die weiblichen Tiere würden wegen ihrer kleineren Körperoberfläche im nördlichen Atlantik Wärmeverluste erleiden. Ihr Energiehaushalt ist so angelegt, dass sie sich nicht in den Norden Europas wagen."

Aber auch männliche Tiere überleben die Exkursion nicht immer. In vergangenen Jahrhunderten strandeten Pottwale immer wieder in der Nordsee. Diesen Januar verendeten dort mindestens 16 Pottwale. Gefunden wurden sie an den Küsten Großbritanniens, der Niederlande und Deutschlands.

Fehlende Nahrung wird ihnen mitunter zum Verhängnis. Sie leben von großen Tintenfischen. Die Nordsee bietet kleinere Sorten, nicht aber an den flachen Stellen, zu denen sich die Tieftaucher verirren.

Deutschland Nationalpark Wattenmeer
Friedhof für Wale: Wattenmeer der NordseeBild: Martin Stock/LKN-SH

Das flache Gewässer wird auch zur Todesfalle, weil es die Orientierung der Meeressäugetiere über Echolot beeinträchtigt. Sie können die genaue Wassertiefe nicht mehr erfassen. "Außerdem trägt das Wasser ihr Körpergewicht. Landen sie auf sandigem Boden, drückt die Masse auf die Organe. In den jüngsten Fällen können dabei Blutgefäße und Lunge abgedrückt worden sein", vermutet Brunckhorst. Todesursache sei dann akutes Herz-Kreislauf-Versagen.

Als weitere Ursachen für Walstrandungen vermuten Meeresbiologen Zusammenhänge zwischen Sonne und dem Magnetfeld der Erde. Auch Lärmquellen durch die Schifffahrt könnten die Ortung der Tiere schädigen.

Schwierige Entsorgung

Die Kadaver der bis zu 60 Tonnen schweren Pottwale, die im Januar gefunden wurden, sind bereits zerlegt. Mit Schleppern wurden sie an Land gebracht, dann mit Baggern und Autokränen weiter transportiert. Am Strand schneiden Tierpräparatoren wie der Niederländer Aart Walen zunächst Löcher in die Kolosse. Fäulnisgase wie Methan können so entweichen. Ansonsten würden die Tiere regelrecht explodieren.

Teilweise landen sie zu Forschungszwecken in Veterinär- und Anatomie-Abteilungen. Die Skelette werden in Museen oder Zoos zu bestaunen sein. Oder die Kadaver werden gemäß der EU-Gesetzgebung sterilisiert und in die Bestandteile Wasser, Mehl und Fett getrennt.

"Die acht Pottwale sind uns angekündigt. Lieber wäre es mir, ich könnte meinem Sohn lebende Wale vor Portugal zeigen", gibt Andreas Schawe zu verstehen. "Wir haben allerdings den Entsorgungsauftrag für das Bundesland Schleswig-Holstein, stehen daher in der Pflicht", fügt der technische Leiter der Firma Rendac hinzu. Da die Transportcontainer nur 6,5 Meter lang sind, werden die Tiere am Strand in Stücke geteilt und im Betrieb nach EU-Vorschriften seuchenhygienisch einwandfrei verarbeitet: "Normalerweise werden Kadaver so schnell wie möglich entsorgt. Bei den Walen vergehen mitunter Tage", so Schawe.

Bei 133 Grad Celsius und einem Druck von drei Bar werden die Überreste zwanzig Minuten unter ständigem Rühren behandelt. "Dabei entstehen Wasser, außerdem Fette, die zu Biodiesel verarbeitet werden und Tiermehl. Daraus wird Strom erzeugt", beschreibt Andreas Schawe den Vorgang der Tierkörperverwertung. "Das Tiermehl hat aufgrund seiner Kalorien einen hohen Brennwert. Im Kraftwerk wird es der Braunkohle beigemengt."

Andreas Loi-Brügger von der Oldenburger Fleischmehlfabrik Kampe musste im Januar zwei Pottwale entsorgen: "Die Überreste wurden in fünf Zentimeter große Stücke zerteilt. Das war harte Arbeit, weil das Gewebe des Tieres mit seiner zähen Fettschicht sich nur schwer zerteilen ließ."

Das Tiermehl werde auch in Zementwerken verfeuert, das Wasser in die Kläranlage geleitet. Sorgen müssten sich die Bürger deswegen nicht: "Bei der Drucksterilisation werden alle Keime abgetötet."