1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wieder Tote in Palästinensergebieten

27. Oktober 2015

Während das Blutvergießen im Nahen Osten weitergeht, hat Palästinenserpräsident Abbas die EU um Hilfe gebeten. Unterdessen erklärte Israels Premier Netanjahu, sein Land werde "immer mit dem Schwert leben".

https://p.dw.com/p/1Gudx
Palästinensische Demonstrante werfen nahe Ramallah Steine auf israelische Sicherheitskräfte (Foto: Reuters)
Palästinensische Demonstranten werfen nahe Ramallah Steine auf israelische SicherheitskräfteBild: Reuters/M. Torokman

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini getroffen, um über die jüngste Gewaltwelle zwischen Israelis und Palästinensern zu beraten. "Wir wollen auf dem Treffen darüber sprechen, was die EU zu einer Deeskalation beitragen kann", sagte Mogherini vor dem Arbeitsessen. Abbas sagte, die Situation sei "extrem ernst". Er befürchte, dass sie sich weiter verschlechtern könne.

In seiner Heimat hielt die Gewalt währenddessen an: Im israelisch besetzten Westjordanland töteten Soldaten drei Palästinenser. Nach Angaben der israelischen Armee verletzte am Montagmorgen ein etwa 20-jähriger Palästinenser in Hebron einen 19-jährigen Israeli mit einem Messer schwer im Nacken, bevor Soldaten den Angreifer erschossen. Am Nachmittag wurde laut Armee ebenfalls in Hebron ein 19-jähriger Palästinenser nach einem versuchten Messerangriff auf einen Soldaten erschossen. Dieser Vorfall ereignete sich in der Altstadt am Grab der Patriarchen, wo bereits am Vortag eine 17-jährige Angreiferin erschossen worden war. In der Nähe der Stadt erschossen Soldaten außerdem einen 17-jährigen Palästinenser bei gewaltsamen Zusammenstößen.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas (Foto: dpa)
Palästinenserpräsident Mahmud AbbasBild: picture-alliance/dpa/Str.

Hebron, wo nach biblischer Überlieferung der gemeinsame Stammvater Abraham ruht, ist gläubigen Juden wie Muslimen heilig. Die 30 Kilometer südlich von Jerusalem gelegene Stadt, in der 500 jüdische Siedler - durch Wachtürme und Stacheldraht abgeschirmt - inmitten von 200.000 Palästinensern leben, ist ein Pulverfass. Außerhalb von Hebron gibt es fast täglich israelisch-palästinensische Zusammenstöße bei jüdischen Siedlungen.

Mehr als tausend Verhaftungen

Seit Monatsbeginn wurden in den palästinensischen Gebieten, in Jerusalem und in Israel 56 Palästinenser und ein arabischer Israeli getötet. Auf israelischer Seite gab es acht Tote. Zugleich wurden laut einer Statistik des Palästinensischen Gefangenenklubs bei Razzien seit dem 1. Oktober mehr als tausend Palästinenser und arabische Israelis festgenommen. Im Zuge der Unruhen wurden demnach in Israel selbst 160 Angehörige der arabischen Minderheit festgenommen.

Die seit Monatsbeginn andauernde Gewaltwelle hatte sich am Streit um die Nutzungsrechte am Hochplateau in dem von Israel annektierten Ostjerusalem mit der jüdischen Klagemauer, der Al-Aksa-Moschee und dem islamischen Felsendom entzündet. Gläubige Juden verehren die Anlage als Tempelberg, Muslime als Al-Haram al-Scharif (Edles Heiligtum). Israel ist dort für die Sicherheit zuständig, die Verwaltung der Moschee und des Felsendoms liegt in der Hand Jordaniens. Die Palästinenser fürchten trotz wiederholter Dementis der israelischen Regierung, dass diese den Status quo auf dem Gelände ändern will.

Der Streit um den Tempelberg ist einer der Auslöser der jüngsten Gewaltwelle (Foto: Reuters)
Der Streit um den Tempelberg ist einer der Auslöser der jüngsten GewaltwelleBild: Reuters/A. Awad

Mitarbeiter der Jordanien unterstellten Frommen Stiftung (Wakf) hätten am Montagmorgen mit der Installation von Kameras begonnen, "aber die israelische Polizei schritt ein und stoppte die Arbeiten", erklärte die Wakf in einer Protestnote. "Wir verurteilen entschieden die israelische Einmischung in die Arbeit der Wakf und werten dies als Beweis dafür, dass Israel nur eigene Kameras zulassen will, die lediglich seinen Interessen und nicht der Wahrheit und Gerechtigkeit dienen", heißt es in der Erklärung weiter. Am Sonntag hatte US-Außenminister John Kerry in Amman angekündigt, die Konfliktparteien seien sich einig, mittels Videoüberwachung die Spannungen auf dem Hochplateau abzubauen.

Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erklärte dazu am Nachmittag, es sei abgesprochen, dass jordanische und israelische Fachleute koordiniert über Technik und Positionierung der Kameras entscheiden. Israel sei bereit, diesen Prozess unverzüglich zu beginnen.

Absage an Rabins Friedensvision

Die Kameras sollen Provokationen sowohl von radikalen Palästinensern als auch von nationalreligiösen Juden verhindern. Letztere setzten sich in jüngster Zeit wiederholt über die geltende Regelung hinweg, wonach für Nichtmuslime auf dem Gelände ein Gebetsverbot gilt.

Unterdessen erteilte Netanjahu der Friedensvision seines Amtsvorgängers Jitzhak Rabin eine Absage. "Ich werde gefragt, ob wir immer mit dem Schwert leben werden – ja", sagte Netanjahu laut der israelischen Zeitung "Haaretz" . "Dieser Tage spricht man darüber, was geschähe, wenn diese oder jene Person geblieben wäre", sagte der Regierungschef mit Blick auf das Gedenken an die Ermordung Rabins vor 20 Jahren. "Das ist irrelevant; es gibt hier Entwicklungen von Religion und Islam, die nichts mit uns zu tun haben", so Netanjahu. Der Likud-Politiker äußerte sich demnach im außen- und verteidigungspolitischen Ausschuss. Die Zeitung berief sich auf Teilnehmer der Sitzung.

stu/gri (afp, dpa)