Wim Wenders im Rennen um den Goldenen Löwen
1. September 2016In nur zehn Tagen hat der international erfolgreiche Regisseur seinen neusten Film gedreht. "Wir hatten nicht viel Geld", erzählt er in einem Interview mit der Deutschen Nachrichtenagentur dpa in Venedig. Ein Novum in seiner Filmbiografie: "'Die schönen Tage von Aranjuez' ist wirklich eine Low-Budget-Produktion". Der Kinofilm erzählt in starken Bildern und kargen Zwiegesprächen die Beziehungs-Geschichte eines Paares. Im Mittelpunkt stehen die extrem unterschiedlichen Sichtweisen von Mann und Frau auf ein und dasselbe Geschehen. Welten trennen die beiden, obwohl sie auf der romantisch umrankten Terrasse nah beieinander sitzen. In der Ferne ist die Skyline von Paris zu sehen.
Das Drehbuch basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Peter Handke, mit dem Wenders seit vielen Jahren eng befreundet ist. Auch der Filmstoff für die Kinoproduktion "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" (1972) stammte aus der Feder des Freundes. "Ich bin nicht sicher, ob ich ohne Peters Hilfe meinen ersten Spielfilm hätte machen können", sagt Wenders in dem Interview mit der dpa. Handke habe ihm das einfach zugetraut, seinen damals sehr erfolgreichen Roman zu verfilmen. "Wer weiß, vielleicht wäre ich sonst Filmkritiker geblieben oder doch Maler geworden."
Familiäre Dreharbeiten
Wenders' neuer Film, der am 01.09.2016 in Venedig seine Weltpremiere feierte, trägt den Untertitel "Ein Sommerdialog". Es ist die fünfte Zusammenarbeit zwischen Wenders und Handke. Der medienscheue Schriftsteller spielt eine kleine Nebenrolle - als Gärtner. "Peter selber hat sich aus der ganzen Vorbereitung des Films völlig herausgehalten", so Wenders.
Die weibliche Hauptrolle schrieb Peter Handke ganz persönlich für seine Frau, die französische Schauspielerin Sophie Semin. "Aber er hat weder beim Drehbuch noch beim Schnitt in irgendeiner Weise Einfluss genommen", sagt der Regisseur. Wenders schrieb eine männliche Rolle dazu, die des Schriftstellers, der das Paar beobachtet. Und der Sänger und Künstler Nick Cave ist bei dem Film dabei: Er spielt sich selbst und trägt tief melancholische Songs zum Film bei, die der existentiellen Grundstimmung des Beziehungsdramas den entsprechenden Soundtrack verleihen.
Hyperrealistische Landschaftsaufnahmen
Trotz extrem kurzer Drehzeit ist Wim Wenders ein Wagnis eingegangen: Er hat den Film in 3-D-Technik gedreht - für den Regisseur mehr als nur eine technische Spielart: "Ich war mir sehr sicher, dass 3D in der Lage ist, Charaktere und ihre Geschichten in einen Raum zu stellen, der absolut hyperrealistisch ist und dadurch den Zuschauer so in die Situation hineinversetzt, wie es das zweidimensionale Medium einfach nie konnte."
Der Drehort sei dafür von der Atmosphäre her ein großer Glücksfall gewesen. "Ein altes Landhaus in der Île-de-France, zur Jahrhundertwende von Sarah Bernhardt bewohnt, die auch den Garten selbst geplant hatte", erzählt der erfolgsverwöhnte Regisseur. "Wir haben wochenlang geprobt, hauptsächlich mit Sophie und Reda Kateb, der die männliche Hauptrolle spielt. Diese Proben in diesem traumhaften Garten, mit diesem Blick, das durchweg schöne Sommerwetter, all das hat ein Klima geschaffen, in dem wir wirklich familiär und ganz ohne Stress gearbeitet haben. Ich habe selten einen so total entspannten Set gehabt."
Reaktionen sehr durchwachsen
Die Reaktionen der internationalen Presse sind bescheiden - bestenfalls zurückhaltend. Der Film sei immerhin nicht ganz ohne Humor, hielt die Kritik Wenders zugute - ansonsten war man aber eher ungnädig mit einem Werk, dass trotz des Einsatzes der neuen 3D-Technik "Natural Depth" ziemlich altmodisch, hölzern und seltsam blutleer daherkommt. Einige Kritiker protestierten nach der Premiere lautstark, andere applaudierten dagegen an. Es bestätigt sich, was vorher schon klar war: Der Einsatz neuester Technik allein reicht nicht aus, um das Kino lebendig werden zu lassen.
Wenders bleibt gelassen. "Unter den zahlreich eingereichten Filmen am Ende tatsächlich in den Wettbewerb eines der großen Filmfestivals wie Cannes, Venedig oder Berlin eingeladen zu werden, ist allein schon eine Auszeichnung" so der Regisseur, der bereits mehrfach mit Filmen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig vertreten war.
Den Goldenen Löwen bekam er 1982 für seinen Schwarz-Weiß-Film "Im Lauf der Zeit", ein damals ungewöhnlich gedrehtes Roadmovie. Wenders schätzt die Internationalität eines Filmfestivals wie Venedig. "Hier bekommt jeder Film auf einen Schlag die Aufmerksamkeit einer weltweiten Presse und eines internationalen Publikums, wie es sonst kaum möglich wäre." Die Goldenen und Silbernen Löwen und alle Auszeichnungen der 73. Filmfestspiele von Venedig werden am 10. September 2016 von einer international besetzten Jury vergeben. 20 Filme sind in diesem Jahr im Rennen des Hauptwettbewerbs. Die deutsche Schauspielerin Nina Hoss ist als Jurymitglied mit dabei, den Juryvorsitz hat der britische Oscar-Preisträger Sam Mendes.