FC Chelsea auf großer Einkaufstour
2. Februar 2023Das sei "sehr wild, das muss man einfach sagen. Geld spielt dort keine Rolle", kommentierte Borussia Dortmunds Sportdirektor Sebastian Kehl im Sky-Interview die jüngsten Transfer-Aktivitäten des FC Chelsea. 121 Millionen Euro für Weltmeister Enzo Fernandez aus Argentinien, 70 Millionen für Mykhaylo Mudryk aus der Ukraine - kurz vor Ende des Winter-Transferfensters haben es die in der Premier League aktuell nur auf Platz 10 rangierenden Londoner nochmal richtig krachen lassen. Insgesamt gaben sie im Winter rund 330 Millionen Euro aus - mehr als die Top-Ligen in Spanien, Italien, Deutschland und Frankreich zusammen.
Seit dem Saisonbeginn am 1. Juli 2022 investierte Chelsea über 611 Millionen Euro für neue Spieler. Dem gegenüber stehen Transfererlöse von nur rund 68 Millionen in diesem Zeitraum.
Obwohl der Jahresumsatz des FC Chelsea rund ein Fünftel niedriger als der des FC Bayern in der Bundesliga liegt, übertreffen die Blues die Münchener bei den Ausgaben um ein Vielfaches. Dabei sollten die neuen Financial-Sustainability-Regeln der UEFA, die die Financial-Fairplay-Vorgaben abgelöst haben, solche finanziellen Exzesse eigentlich verhindern.
Lange Vertragslaufzeiten
Externe Geldgeber dürfen künftig eine Differenz von bis zu 60 Millionen über einen Zeitraum von drei Jahren ausgleichen, nicht mehr. Alles weitere muss über fußballbezogene Einnahmen generiert werden. Nach den Worten des Vorsitzenden der Interessenvertretung der europäischen Fußballvereine ECA, des Katarers Nasser Al-Khelaifi, sollten die neuen Regeln "einfach, fair, transparent und durchsetzbar" sein. Al-Khelaifi ist Präsident des französischen Spitzenklubs Paris St. Germain.
Auffällig an den Neuzugängen des FC Chelsea ist: Besonders talentierte, wertvolle Spieler werden mit Achtjahresverträgen ausgestattet. Dabei schreibt die FIFA eine Höchstgrenze von fünf Jahren vor. Im Bereich der DFL hält man sich auch daran, in manchen anderen Ländern dagegen nicht, denn die FIFA-Vorschrift enthält eine Ausnahme: "Verträge mit anderen Laufzeiten sind nur zulässig, wenn sie mit den nationalen Rechtsvorschriften vereinbar sind."
Regeln mit Schlupflöchern
In Großbritannien gibt es kein Gesetz gegen lange Laufzeiten, der FC Chelsea handelt also rechtskonform. In Deutschland gibt es das übrigens auch nicht. Allerdings halten sich Vereine weitgehend an die DFL-Empfehlung, die da heißt: "Die Höchstlaufzeit eines Vertrages soll fünf Jahre nicht überschreiten." Bundesligist Bayer 04 Leverkusen allerdings ging kürzlich einen eigenen Weg, als er Noah Mbamba für fünfeinhalb Jahre an den Verein band.
Vertragsabschlüsse mit langer Laufzeit von bis zu acht Jahren bedeuten wiederum die Möglichkeit, die Ablösesumme für die Profis über eine längere Periode abzuschreiben, sprich zu verteilen. Das kann sich sowohl steuerlich auswirken als auch dabei helfen, die Sustainability-Regeln der UEFA einzuhalten. Zudem hat der Club Planungssicherheit und kann bei positiver Entwicklung auch höhere Transfererlöse erzielen, als wenn der Vertrag kurz vor dem Ablauf steht.
Warum aber hat die DFL die UEFA und die FIFA nicht längst zum Handeln aufgefordert? Der Sportrechtler Martin Stopper berät unter anderem die DFL in Rechtsfragen. "Die ECA ist viel stärker, hat viel mehr Gewicht als ein Verband", sagt Stopper der DW. Es gibt keine Idee der DFL, die Einhaltung der Vorschriften anzumahnen. Die DFL ist die Vertreterin der Vereine, und da gibt es viele verschiedene Meinungen."
Kann die UEFA dem Treiben Einhalt gebieten?
Dennoch soll nun die UEFA nach Informationen der Londoner Zeitung "The Times" planen, dieses Schlupfloch zum kommenden Sommer zu schließen. Die nicht näher bezeichnete Quelle wird zitiert mit den Worten: "Wenn andere Klubs anfangen, das Gleiche mit Achtjahresverträgen zu tun, wird es ein Chaos geben, also müssen wir sie schützen. Damit wird ein Problem einfach in die Zukunft verlagert. Entweder bleibt ein Verein auf einem Spieler mit einem hohen Gehalt sitzen, den er nicht verkaufen kann, oder erzielt, wenn er ihn nach drei oder vier Jahren verkauft, [buchhalterisch] keinen großen Gewinn, weil ein Großteil der Ablösesumme noch nicht amortisiert ist."
Beim FC Chelsea steht aber schon der nächste große Deal an. Gerade ist der portugiesische Superstar Joao Felix auf Leihbasis nach London gewechselt. Für eine Gebühr von elf Millionen mit angeblich anschließender Kaufoption. Felix´ Marktwert wird aktuell auf 50 Millionen Euro taxiert. Chelsea wird aber sicher tiefer in die Tasche greifen.
Bei so schwindelerregenden Dimensionen bleibt Dortmunds Sportdirektor Kehl nur die Konzentration auf die eigene Arbeit: "Wir müssen unser Geld hier auf eine andere Art und Weise einfach verdienen", sagte Kehl gegenüber Sky. Der BVB müsse bei Verpflichtungen "noch schneller sein, wir müssen noch früher dran sein. Das macht es herausfordernd, aber wir schaffen es trotzdem."