Wirtschaft als treibende Kraft für den Irak
30. Januar 2005Die Europäische Union (EU) will ihre Beziehungen zum Irak schnell normalisieren, sobald die Regierung in Bagdad halbwegs demokratisch legitimiert ist. Die Einrichtung einer ständigen EU-Mission im Irak scheiterte bislang neben Sicherheitsfragen an der Uneinigkeit innerhalb der Union. Einige Mitgliedsstaaten, vor allem Frankreich, wollten einer EU-Mission erst zustimmen, wenn die von den Koalitionsmächten eingesetzte Führung durch eine gewählte Regierung ersetzt ist.
Der damalige EU-Ratsvorsitzende Jan-Peter Balkenende, niederländischer Ministerpräsident, warb beim Gipfeltreffen im November 2004 für eine einheitliche Haltung der 25 Mitgliedsstaaten, obwohl der Krieg im Irak für Zwietracht gesorgt habe. "Wir schauen nicht zurück, sondern nach vorne", bekräftigte er. Alle Mitgliedsstaaten seien sich einig, dass der Irak in Zukunft ein stabiles, demokratisches und wohlhabendes Land sein solle. "Die EU ist bereit dazu beizutragen, und das werden wir tun", verkündete Balkenende.
Finanzielle, keine personelle Unterstützung
Mit knapp 32 Millionen Euro finanziert die EU die technische Abwicklung der Wahlen mit, Personal schickt sie aber nicht. Das Europäische Parlament verzichtet wegen der anhaltenden Anschläge auf die Entsendung von Wahlbeobachtern. In den vergangenen beiden Jahren wurden 320 Millionen Euro für humanitäre Nothilfe und Wiederaufbau im Irak ausgegeben. In diesem Jahr sind weitere 200 Millionen vorgesehen. Doch es soll nicht beim Geld allein bleiben: Die EU-Kommissarin für Außenbeziehungen, Benita Ferrero Waldner, setzt sich dafür ein, dass die zögerlichen EU-Staaten sich auch im Irak an der Ausbildung der Polizei und Richtern beteiligen.
Die parallele Ausbildungsmission der NATO sollte eigentlich schon zu den Wahlen im vollen Umfang arbeiten. Doch zurzeit umfasst sie nur rund 100 Ausbilder. Daher bat der irakische Ministerpräsident Ijad Allawi bei seinem Besuch in Brüssel im November um Hilfe. "Wir wollen, dass die multinationalen Truppen und die befreundeten Staaten uns helfen, unsere eigenen Fähigkeiten aufzubauen", appellierte er. Das müsse vor, während und nach den Wahlen geschehen. Beenden dürfe man das Programm erst, wenn "die irakischen Sicherheitskräfte in der Lage sind, mit den Bedrohungen fertig zu werden, denen wir gegenüber stehen", sagte Allawi.
Schuldenerlass und zollfreier Handel
Wirtschaftlich greift die EU dem Irak unter die Arme, indem zahlreiche Mitgliedssländer, die im so genannten Pariser Club der Gläubiger organisiert sind, dem Land 80 Prozent der jeweiligen Schulden erlassen. Die meisten Auslandsschulden hat der Irak allerdings bei arabischen Nachbarstaaten gemacht, die dem Pariser Club nicht angehören. Auf lange Sicht stellt die Union dem Irak ein umfassendes Wirtschafts- und Partnerschaftsabkommen in Aussicht. Der zollfreie Handel soll ermöglicht werden.
Der irakische Übergangspräsident Ghasi al Jawar bezeichnete die EU bei seinem Besuch in Brüssel vor einigen Wochen als Modell für die regionale Zusammenarbeit mit Nachbarn im Mittleren Osten: "Wir sehen die Europäische Union als ein Beispiel", sagte er. "Die Wirtschaft sollte die treibende Kraft sein, wenn man enger zusammenarbeiten will. Man kann nicht alleine leben heutzutage. Man muss Teil der Welt sein."
Die EU will an die bis zum ersten Golfkrieg 1991 guten Handelsbeziehungen mit dem Irak anknüpfen. Deutschland, Frankreich und andere Staaten lieferten Anlagen und Konsumgüter in das Land, das von Saddam Hussein regiert wurde. Der Irak exportierte Öl in die EU-Staaten. Bundeskanzler Gerhard Schröder gab sich bei seiner Begegnung mit dem irakischen Ministerpräsidenten Allawi in Brüssel Mühe, an diese Tradition anzuknüpfen. Es werde "entsprechend der Fortschritte bei der Sicherheit auch die Frage betreffen, was deutsche Unternehmen, beim Wiederaufbau leisten können."
Irak kein Modell für künftige Nahost-Politik
Nach den Wahlen im Irak sollen die Risse im transatlantischen Verhältnis gekittet werden. Die EU unterstützt die inzwischen auch von den USA akzeptierte Führungsrolle der Vereinten Nationen (UNO) beim Wiederaufbau im Irak. Die Truppe zum Schutz der UNO-Vertreter wird von den Europäern mitfinanziert.
Der britische Premierminister Tony Blair wies darauf hin, dass es den Europäern nicht nur um den Irak gehen dürfe. "Die Menschen sehen jetzt die Realität. Wir müssen mit den USA und natürlich der irakischen Regierung zusammenarbeiten, um dem Irak Stabilität zu geben", sagte er. "Wenn wir uns die Welt genau anschauen, sehen wir doch, dass viele Probleme der Instabilität des Nahen Ostens entspringen."
Dem stimmt auch die EU-Außenkommissarin Ferrero-Waldner nach ihrem Besuch in Washington zu. Dennoch glaubt sie, dass die Amerikaner eingesehen hätten, dass man anderen Ländern im arabischen Raum Demokratie nicht aufzwingen kann. Ein Modell für künftige Nahost-Politik könne der Irak für die Europäische Union nicht sein.